Sprechen, Schweigen, (Um)deuten – Wie die politisch-gesellschaftliche Aufarbeitung fürsorgerischer Zwangsmassnahmen in der Schweiz den Umgang mit der elterlichen Geschichte verändert: Eine qualitative Studie mit Nachkommen Betroffener
DOI:
https://doi.org/10.26043/GISo.2022.5.3Schlagwörter:
Fürsorgerische Zwangsmassnahmen, Fremdplatzierungen, Schweiz, Aufarbeitung, intergenerationale Sozialisation, interpretative SozialforschungAbstract
Der vorliegende Beitrag handelt davon, wie die politisch-gesellschaftliche Aufarbeitung fürsorgerischer Zwangsmassnahmen (FSZM) den familialen Umgang mit der Geschichte der Eltern veränderte. Dazu wurden sechs biografische Interviews mit Nachkommen Betroffener im Hinblick auf Sozialisationserfahrungen mittels der Grounded-Theory-Methodologie (GTM) analysiert. Die Ergebnisse zeigen zum einen, dass die politisch-gesellschaftliche Aufarbeitung Prozesse der Enttabuisierung der elterlichen Geschichte in Familien anstiess, die auch emotionale Annäherungen zwischen Nachkommen und betroffenen Elternteilen ermöglichte. Sie eröffnete aber auch neue familiale Spannungsfelder, die um die Frage der Betroffenheit des Elternteils kreisten und sich in neuen Konstellationen des Schweigens niederschlugen. Zum anderen wird deutlich, dass die politisch-gesellschaftliche Aufarbeitung zu bedeutungsvollen persönlichen Klärungen und neuen Deutungen bezüglich erlebter elterlicher Verhaltensweisen und intergenerationalen Weitergaben führte. Insgesamt vermag die politisch-gesellschaftliche Aufarbeitung gewisse persönliche und familiale Belastungen aufzulösen, gleichzeitig bringt sie aber auch neue hervor.
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