„ALLES, WAS WIR WOLLEN, DAS GEHT DURCH BILDUNG.“ – DIMENSIONEN DES HANDELNS GEFLÜCHTETER[1]

Helena Deiß

1. Einleitung

Wir haben unser Zuhause und damit die Vertrautheit des Alltags verloren. Wir haben unseren Beruf verloren und damit das Vertrauen eingebüßt, in dieser Welt irgendwie von Nutzen zu sein. Wir haben unsere Sprache verloren und mit ihr die Natürlichkeit unserer Reaktionen, die Einfachheit unserer Gebärden und den ungezwungenen Ausdruck unserer Gefühle. (Arendt 2016, 10 f.)

Flucht ist, wie das Zitat von Arendt aufzeigt, kein neues Phänomen. Dennoch gewinnt, in Anbetracht sich stetig zuspitzender weltweiter Krisen, Flucht seit Jahren erneut an Brisanz. Der Artikel hat das Ziel, Dimensionen der Handlungsfähigkeit Geflüchteter darzustellen, die im Kontext einer Masterarbeit rekonstruiert wurden. Geflüchtete werden oft als Opfer des Schicksals dargestellt. In Anlehnung an einen Agency-orientierten Zugang reiht sich dieser Artikel in eine Tradition ein, welche die Lebenswelten Geflüchteter rekonstruiert und Geflüchtete als aktive Akteur*innen beschreibt, die trotz widriger Lebensumstände und systematischer Benachteiligung Handlungsermächtigung erfahren. Dennoch soll auch einer Dimension des Aufgebens Raum gegeben werden, da diese ebenso die Realität (nicht nur) vieler Geflüchteter darstellt. Dabei wird der Frage nachgegangen, inwiefern Geflüchtete durch informelle Lernerfahrungen ihre Handlungsfähigkeit erweitern, stabilisieren oder im Laufe der Zeit verlieren können.

Dafür wird zunächst der aktuelle Forschungsstand umrissen, eine theoretische Einordnung wird vorgenommen und die methodologischen Grundannahmen werden dargelegt, auf denen der Artikel fußt. Dem Kapitel folgen exemplarische Auszüge des empirischen Datenmaterials und abschließend wird eine Diskussion der Ergebnisse präsentiert.

2. Forschungsstand zur Agency-orientierten Fluchtforschung

Die Handlungsfähigkeit Geflüchteter findet inzwischen internationale Aufmerksamkeit in der qualitativen Sozialforschung. Der folgende Abriss des Forschungsstandes fokussiert Agency auf unterschiedlichen Ebenen. Zunächst wird das Verhältnis zur Vulnerabilität thematisiert.

Die erste Perspektive untersucht die Bandbreite zwischen Vulnerabilität und Agency als relationales Phänomen. So beschreibt Wernesjö (2020) die Verhältnisse zwischen Vulnerabilität, in die insbesondere junge Geflüchtete im Gegensatz zu ihrer Eigenwahrnehmung verortet werden, als selbstverantwortete Individuen. In ähnlicher Weise untersuchen Terrio et al. (2011), Schmitt (2019), Mörgen und Schnitzer (2021) sowie Rieker et al. (2021) Vulnerabilität und Handlungsmacht, ohne pauschalisierende Opfer- oder neoliberale Perspektiven auf Selbstverantwortung für das eigene Schicksal zu entwickeln. Mörgen und Rieker (2021) konzentrieren sich z. B. auf Institutionen, was zweitens auch einen weiteren Fokus auf Agency darstellt, der oft mit relationalen Konzepten einhergeht. Auch Schmitz und Schönhuth (2020) widmen sich dem Verhältnis von (Ohn-)Macht und Agency Geflüchteter in totalen Settings. Sie kommen zu dem Schluss, dass selbst in totalen institutionellen Verhältnissen versucht wird, Handlungsräume kreativ aufrecht zu erhalten. Meloni (2019) widmet sich ebenso dem institutionellen Rahmen, jedoch in Bezug auf Jugendliche. Dabei untersucht sie das Verhältnis von Freiheit und Einsamkeit bei unbegleiteten Geflüchteten auf dem Weg zur Volljährigkeit. Sie betont die gesellschaftliche Dichotomie, die Geflüchtete einerseits als „innocent children“ (Meloni 2019, 3) wahrnimmt, jedoch, sobald diese volljährig seien und das Asylverfahren abgelehnt wurde, kriminalisiert würden. Eine Diskussion um die bevormundende Positionierung von (jungen) Geflüchteten führen Orgocka (2012) und Krause und Schmidt (2020), die gegen einen Paternalismus im Deckmantel traditioneller Hilfsbereitschaft argumentieren und Agency im Verhältnis der internationalen Hilfseinrichtungen erforschen.

In einer dritten Perspektive werden Ungleichheitsdimensionen und Agency erforscht. Sirriyeh (2013) untersuchte die Bildungslaufbahnen geflüchteter Frauen an der Schwelle zur Volljährigkeit. Bezüglich der prekären Rahmenbedingungen, in denen Geflüchtete in außereuropäischen Camps leben, untersuchen Schmitz und Böhme (2020) Grenzparadigmen, die seit der Corona-Pandemie neue Höhepunkte an Prekarität erreichen und die Vulnerabilität der Betroffenen weiter erhöhen. Zu außereuropäischen Lagern finden sich auch bei Krause (2021) Untersuchungen, die neben Agency auf Gender und Gewalt in diesem Kontext eingehen. Krause kommt zu dem Ergebnis, dass kreative Lösungen, soziale Unterstützung und überraschenderweise Schweigen Coping-Mechanismen darstellen, um genderbasierte Gewalt in Camps zu überleben. Zu den Überlebensstrategien gehört außerdem das Hoffen auf eine Zukunft, wie auch Zugehörigkeit und sozialer Zusammenhalt (Krause 2021).

Zusammenfassend zeigt dieser Abriss, dass bereits Untersuchungen zur Agency von Geflüchteten unternommen werden, jedoch das Phänomen in seiner Vielschichtigkeit insbesondere bei jungen Geflüchteten noch nicht ausreichend erforscht wurde. Dabei attestieren die Autor*innen eine Forschungslücke in der Untersuchung von institutionellen, ressourcenarmen Rahmenbedingungen, in denen (junge) Geflüchtete leben. Die Metaethnographie von Sleijpen et al. (2016) konstatiert, dass es weitere Beforschung der vielschichtigen Resilienzprozesse Geflüchteter braucht. Hier setzt der Beitrag an, um das differenzierte Wirken von Agency im Konnex von Bildungserfahrungen im Spiegel der Zeit bei jungen Geflüchteten zu beleuchten.

3. Theoretische Einordnung und methodologische Herangehensweise

Die dem Artikel zugrundeliegende Masterarbeit verfolgte eine Forschungshaltung der interpretativen Sozialforschung (Rosenthal 2011). Diese Forschungshaltung beinhaltet erstens einen kritisch-reflexiven Forschungsansatz der Migrationsforschung, welche Zugehörigkeitsverhältnisse analysiert, die auf einer dualen Unterscheidung zwischen Wir und den Anderen beruhen. Soziale Ordnungen werden durch diese Differenzverhältnisse bestimmt und reproduziert (Mecheril, 2010, 13; 2015, 39). Mit Messerschmidt (2015, 13) wird eine rassismuskritische Perspektive eingenommen, die als Praxis begriffen wird, innerhalb „rassistischer Hegemonien“ Zugehörigkeiten zu denken, ohne dabei „nationale Identitäten“ zu vergessen.

Neben diesen Ansätzen fließen zweitens reflexive Bildungstheorien (Alheit/Dausien 2018, 888) ein. Bildung wird als prozesshafter Modus des biographischen Erfahrungslernens verstanden, das durch die in lebensweltlichen Verhältnissen hervorgerufenen Lernprozesse zustande kommt. Dabei ist Bildung von machtvollen Verhältnissen gekennzeichnet. Der Fokus auf den Erwerb von kulturellem Bildungskapital tritt in den Hintergrund, wenngleich dieser Aspekt ebenfalls von großer Relevanz für die Lebenswirklichkeiten junger Geflüchteter ist (Deiß 2020). Aus einer biographietheoretischen Perspektive wird von einer durch lebenslanges Lernen entstandenen dynamischen „Erfahrungsaufschichtung“ gesprochen, die in ihrer Gesamtheit als „Biographizität“ bezeichnet wird (Alheit/Dausien 2018, 888).

Als dritte theoretische Perspektive reiht sich der Beitrag, wie eingangs erläutert, in die Tradition relationaler Agency-Theorien ein, die der Vielschichtigkeit sozialer Prozesse Rechnung tragen. Scherr (2012) rekonstruiert auf Basis von Emirbayer und Mische (1998) Agency als relationales Phänomen, das die Binarität zwischen gesellschaftlicher Bedingtheit und Selbstbestimmung überwindet und auch zeitliche Komponenten beinhaltet. Der Fokus ist dabei auf komplexe Verhältnisse gerichtet, die je nach biografischen Ressourcen und gegenwärtigen situativen Bedingungen austariert werden. Hierfür sind die jeweiligen sozialen Bedingungen genau zu analysieren sowie die Strukturen zu untersuchen, die Handlungsfähigkeit er- bzw. verunmöglichen.

Im Kontext migrationsgesellschaftlicher Machtverhältnisse ist die Rekonstruktion von Wirksamkeitserfahrungen und widerständigem Handeln eine Praxis des Sichtbarmachens der Möglichkeitsräume von Migrationsanderen. Daran anschlussfähig kann mittels biographietheoretischer Konzepte die Widerständigkeit der Subjekte als „biographischer Eigensinn“ erfasst werden, mittels dem man die „Widerständigkeit und das transformatorische Potential des alltäglichen Handelns sichtbar machen kann“ (Dausien 1994, 141).

4. Gruppendiskussionen zur Datenerhebung in Verbindung mit rekonstruktiven Auswertungspraxen als methodische Vorgehensweise

Das folgende Kapitel stellt die methodische Vorgehensweise zunächst der Datensammlung und dann der -auswertung dar. Dieser Beitrag basiert auf zwei Gruppendiskussionen, die im Rahmen einer Masterarbeit durchgeführt wurden.[2] Alle Teilnehmer waren männliche Geflüchtete zwischen 19 und 32 Jahren, gehörten unterschiedlichen Nationen an und waren mit der Fluchtbewegung 2015/16 nach Österreich gekommen. Die meisten befanden sich noch im Asylverfahren. Die Diskussionen bestanden aus je vier bzw. sechs Teilnehmenden und wurden in einem Bildungsverein sowie durch Gatekeeper kontaktiert. Sämtliche Teilnehmer waren der Interviewerin zuvor gar nicht oder nur flüchtig bekannt. Die Tatsache, dass alle Teilnehmenden männlich waren, kann als Spiegel der Geschlechterstruktur von Flucht in den 2010er-Jahren festgehalten werden, die mehr männliche Geflüchtete aufwies (BMI 2021, 4).

Die Forschung zu Flucht birgt Risiken und ethische Aspekte, die es zu beachten gilt. Die Forschungsliteratur weist vielfach auf die Gefahr der Retraumatisierung hin (von Unger 2018, 20). Daher wurde der Fokus auf gegenwärtige Erfahrungen gelegt, um Retraumatisierungen zu vermeiden. Diese Einschränkung widerspricht dem Prinzip der Offenheit in der qualitativen Sozialforschung, dennoch wurde aus ethischen Gründen dieses Prinzip missachtet (von Unger 2018, 9).

Ebenso ist es wichtig, dass das Setting der Erhebungsmethode der Einvernahme im Asylverfahren nicht allzu ähnlich ist, um Reaktualisierungen der für die Geflüchteten oft traumatischen Situation zu meiden (Thielen 2009). Bei dem Interview für das Asylverfahren sitzt die asylwerbende Person den Beamt*innen gegenüber und muss ihre Asylgründe vortragen. Diese lebensentscheidende Situation kann traumatisierend für Asylwerbende sein. Durch eine Gruppendiskussion ließ sich das 1:1-Setting umgehen, wenngleich die Interviewerin eine Vertreterin der Mehrheitsgesellschaft darstellte, was wiederrum an die (Beamtinnen der) Einvernahme im Asylverfahrensprozess erinnern kann.

Für das Vorgehen wurden die Empfehlungen von Chase et al. (2019) bedacht, indem darauf geachtet wurde, dass die Teilnehmenden nicht nur auf ihre Fluchtgeschichte reduziert wurden. Dies geschah durch eine selbstreflexive Forschungshaltung (Reichertz 2015) und eine paradigmatische Offenheit, in der die Gesprächsführung flexibel den Geflüchteten überlassen wurde. Das Gespräch blieb nah am Alltag der Befragten, dabei wurden Räume des Informellen eröffnet (Rodgers 2004). Die nicht-hierarchische, narrative Gesprächsführung förderte ebenso den partizipatorischen Forschungsansatz, in dem den Teilnehmenden auf Augenhöhe begegnet wird. Auch versuchte die Forscherin, postkoloniale Übertragungen zu reflektieren.

Die Diskussionen wurden in Anlehnung an Loos und Schäffer (2001) durchgeführt, die nach einer Warm-Up-Runde durch Nachfragen gestützte Strukturen des Erzählens und Diskurse anregten. Dadurch wurde eine flexible Forschungshaltung gefördert. Thema der Diskussionen waren die Bildungserfahrungen, die die jungen Geflüchteten seit ihrer Ankunft in Österreich gemacht hatten.

Die Analyse folgte einer rekonstruktiven Forschungslogik, zudem wurden Elemente der Grounded Theory einbezogen (Strauss/Corbin 1999). Auf Basis der Narrationsanalyse (Schütze 1983) wurde ein Verlaufsprotokoll zur grobstrukturellen Analyse erstellt und das Material transkribiert. Durch Memos und ein offenes Kodieren erfolgte eine Auswertung gemäß der Grounded Theory Methodologie. Anschließend wurden Interpretationstexte erstellt.

In der Analyse konnten unterschiedliche Dimensionen von Handlungsfähigkeit rekonstruiert werden, die Geflüchtete im Laufe der Zeit durchleben können aber nicht gleichermaßen müssen. Im Folgenden werden diese anhand ausgewählten Datenmaterials exemplarisch dargestellt. Dabei wird zunächst gemäß der Reihenfolge des Auftretens der Dimensionen mit der handlungsaktiven Haltung begonnen, die schrittweise eine Verschiebung durchlebt und schlussendlich zur Resignation führen kann, insofern keine Besserung der Lebensbedingungen eintritt.

5. Die aktive Handlungsorientierung: „Also wir haben alle Wege so probiert.“

Die erste Dimension der Handlungsfähigkeit, die erläutert wird, zeichnet sich durch Aktivität und Motivation aus. Viele Geflüchtete sind motiviert, das neue Leben anzugehen. In der Analyse konnten Faktoren ausgemacht werden, die diese Haltungsdimension mitbedingen. Dabei spielen Unterstützungsmöglichkeiten und Widerständigkeit eine Rolle. Es ist wichtig, anzumerken, dass die aktive Handlungsorientierung vor allem von Teilnehmenden vertreten wird, die das Asylverfahren bereits erfolgreich durchlaufen haben.

Auf eine Nachfrage der Interviewerin hin, wie die jungen Männer Erfolge erzielen konnten, wird geantwortet: „Also wir haben alle Wege so probiert“ (2:14/1-14/2). Um Erfolg zu haben, ist es nötig, sämtliche Möglichkeiten zu testen. Außerdem folgt eine Erklärung, welche Haltung noch erforderlich ist:

J: Und kommt drauf an, wie man ist. Wir waren damals sehr optimistisch
R: Mhm.
J: Und dann. Alle gute Sachen sind selbst gekommen. Und dann das hat sehr gut gelungen oder gelaufen.
R: Wir haben viele Möglichkeiten gehabt. (2:16/15-16/21)

Durch eine optimistische Haltung konnten die Teilnehmer einen positiven Selbstläufer erwirken. Diese Haltung sei entscheidend, um die neue Lebenssituation zu meistern. Die Teilnehmer reflektieren, dass sie „viele Möglichkeiten“ zur Lebensgestaltung hatten und dadurch Erfolge erzielten. Trotz der wenigen Möglichkeiten, Einfluss auf das Asylverfahren zu nehmen, zeigt die Stelle, dass die Teilnehmenden ihre gegenwärtige Lebenssituation als eigenverantwortlich wahrnehmen. Eine weitere Komponente, die eine motivierte Haltung befördert, wird an Unterstützungsangeboten festgemacht:

Y: Solltest du entweder eine gute Unterstützung haben oder du bist so motiviert, nie dich auf
R: Ja. Aufgeben.
Y: Aufhalten, aufhören. (2:26/18-26/21)

Die Teilnehmenden profitierten von Unterstützungsangeboten. Betont wird, dass der „Kontakt mit die Leuten. So wichtige“ (2:31/14) ist, z. B. für den Deutschspracherwerb. Das wird damit begründet, dass dann Lernen besser möglich sei, „wenn du Lernen Kontakt hatte. Dann kannst du mehr“ (2:31/25).

Obige Interviewsequenz vermittelt, dass die Teilnehmenden einer Unterstützung bedürfen, da sie ansonsten auf sich allein gestellt sind. Falls man keine Hilfe hätte, dürfe man sich selbst nicht aufgeben und müsse besonders motiviert sein. Im Datenmaterial wurde deutlich, dass Unterstützer*innen – z. B. Ehrenamtliche – weitere Ressourcen wie Netzwerke, Kenntnisse der deutschen Sprache und finanzielle Mittel ermöglichen. Die Unterstützenden fördern folglich die Teilnehmenden: „Und wenn ich mit ihnen rede, dann werde ich immer motiviert und mache schon weiter,“ erzählt ein Teilnehmer. Die Diskussion über Unterstützung wird mit den Themen Integration und Sprache fortgesetzt:

S: Und die sich um Integration kümmert und ich bin, ich bin dankbar dafür, deswegen könnte ich dich Sprache sehr lernen.
I: Durch Unterstützung.
S: Das ist nicht…
K: In diesem Fall hab ich auch so viele Unterstützungen bekommen. Sondern. Nicht viele aber ein zwei alte Frauen, die sich um unser Heim gekümmert. In diesem Flüchtlingsheim und mit denen haben wir auch Kontakt aufgebaut. Und ja, die treffen uns schon einmal oder zweimal in der Woche.
S: Deswegen ja.
K: Und deswegen hab ich die die Sprache sehr schnell gelernt. Des is sicher, gut, dass man wirklich…
S: Was die beeinflusst…
K: Mit Österreicherin, Österreicherinnen Kontakt aufbauen kann und dadurch, wenn es net, nicht nur auf die, die auf Sprache lernen geht, wenn es auch auf Bildung geht.
K: Kann man auch mit ihnen alles besprechen und darauf Hinweise bekommen, WIE es funktioniert.
S: Ja. (1:17/29-18/19)

Integration wird als Sachverhalt beschrieben, um den es sich zu kümmern gilt. Die Ehrenamtlichen helfen den Geflüchteten diesen Zustand herbeizuführen. Durch den Begriff «Integration» wird eine politische Ebene eingeführt. Die Unterstützer*innen fungieren als Gatekeeper, um Partizipation zu ermöglichen. Das Verb „kümmern“ bezeugt eine paternalistische Komponente der Integration. Folglich gibt es eine Abhängigkeit von den Unterstützenden, was durch die erwähnte Dankbarkeit unterstrichen wird.

Die Verbindung von Sprache und Integration ist in Österreich ein aktuell brisanter, politischer Diskurs. Staatliche Unterstützungsangebote werden an Kenntnisse der deutschen Sprache gekoppelt, die mit Integration gleichgesetzt werden (Thoma/Deiß 2023). Zum Beispiel gelten Sprachkompetenzen im Deutschen als Integrationsmaßnahmen, die es in Verbindung mit einem vorgegebenen Wertekodex zu erreichen gilt (Hofer-Robinson 2018). Die Nichteinhaltung der Maßnahmen wird mit einer finanziellen Reduktion der Sozialleistungen sanktioniert (BMEIA 2017). Neben dem Erlernen von Deutsch werden andere Bildungsinhalte relevant – wenngleich das Bildungsangebot für junge Geflüchtete, die älter als 15 Jahre sind, in Österreich auf den Deutschspracherwerb beschränkt ist (Atanasoska/Proyer 2018). Lernen wird bei den Teilnehmenden als Mittel zum Zweck, als Weg zur Zielerreichung verstanden, wie folgende Beschreibung verdeutlicht: „Lernen ist eigentlich eine Werkzeug, zu deiner Ziel kommen oder zu was du willst“ (2:22/20). Die Aussage zeigt die Motivation, Ziele anzustreben. Das Mittel dafür ist Lernen: „Alles was wir wollen das geht durch Bildung“ (2:11/30). Es wird versucht, mithilfe von Bildungsambitionen Ziele zu verwirklichen. Ziele werden als wegweisend eingestuft: „Und Ziel ist sehr wichtig. Oder am wichtigsten“ (2:19/23), was sich durch Aussagen, wie „es ist schwer zu erreichen. Aber man muss machen“ (2:19/23) und auf die Nachfrage, wie den Jugendlichen diverse Möglichkeiten eröffnet wurden mit „immer probieren“ (2:29/5) bestätigt. Im Datenmaterial wurde ersichtlich, dass die jungen Erwachsenen implizites Systemwissen über die Ankunftsgesellschaft besitzen. Beispielsweise wird erzählt, dass man durch die „Österreich-Regelung“ (2:19/15) gelernt habe, sich große Ziele zu setzen, und nicht müde wird, sich neues Wissen anzueignen: „Und deswegen lerne ich jetzt und ohne, dass ich müde werde oder so“ (2:17/18). Das Lernen dient der Selbstoptimierung. Es wurde die Erkenntnis gewonnen, dass Energielosigkeit unerwünscht ist. Die Teilnehmenden haben den Imperativ der Integration – die Leistungsbereitschaft – internalisiert. Eine weitere Art von Zielen wird durch Zukunftspläne deutlich, die jedoch an die jeweils gegenwärtige Situation adaptiert werden.

K: Also – MEIN TRAUMJOB war früher, ein Arzt zu werden – jetzt hab ich es reduziert und ich will ein Geschäft aufmachen. Und zwar ein Autotuning-Geschäft, weil ich im I-Land [anonymisiert] auch gearbeitet habe, habe ich auch Erfahrungen. Und genau. Und für diesen Job zu erreichen, brauch ich eine Lehre als KFZ. – Ja, und dann eine spezielle Lehre zu diesem Autotuningsthema. (1:32/14-32/21)

Ein Teilnehmer erzählt von seinem inzwischen erloschenen Wunsch, Arzt zu werden. Die zeitliche Dimension dieser Stelle verdeutlicht sich in der Wortwahl, in der das vergangene „früher“ dem gegenwärtigen „jetzt“ gegenübergestellt wird. Es eröffnet sich eine Chronologie, in der der „TRAUMJOB […] Arzt zu werden“ adaptiert wird – „jetzt hab ich es reduziert“ (1:32/15). Das Träumerische an diesem Berufswunsch wird sowohl in der Wortwahl deutlich als auch in der betonten Aussprache.

Die Berufspläne, ein Autotuninggeschäft zu eröffnen, präsentieren einen auf biographischen Erfahrungen basierten Handlungsplan, der eine Rationalisierung beinhaltet. Im Herkunftsland wurden praktische Erfahrungen gesammelt, die dazu dienen, gegenwärtige Berufspläne zu verwirklichen. Die asylrechtlichen Rahmenbedingungen verhindern jedoch eine Erwerbstätigkeit. Es ist für Asylwerbende stark reglementiert, wie einem Lohnverdienst und damit auch einer Lehre nachzugehen ist.[3] Die Teilnehmer, die eine aktive Handlungsorientierung zeigen, beschreiben jedoch Möglichkeiten, wie sie das auferlegte Nichtstun umgehen, indem sie kreative Lösungen finden, um etwas zu tun zu haben: „Und jetzt bin ich schon beschäftigt. Ich mag nicht zu Hause bleiben und warten. Ich bin gemeinnützig tätig in einem Fahrradreparatur“ (1:34/9-34/16). Eine Form der Ersatzhandlung sind ehrenamtliche Tätigkeiten wie auch die Lebensgestaltung durch Hobbys: „Und äh die restliche Tage der Woche äh tu ich Musik und trainier ich“ (1:34/30). Die Ausübung von Hobbys und Ehrenämtern bezeugt ein Handlungsmuster, um die Wartesituation während des Asylverfahrens zu bewältigen. In diesem Sinne widersetzen sich die Geflüchteten den machtvollen Strukturen, die sie in die Passivität abdrängen, indem sie sich Alternativen suchen, ihr Leben zu gestalten. Eine weitere Variante zeigt sich in der politischen Organisation:

J: Wir haben selber mit geflüchtete Jugendliche eine Verein gegründet. Für geflüchtete Jugendliche.
R: Von und für.
J: Und wir haben letztes Jahr mit SPÖ Grünen NEOS – Liste jetzt…
R: ÖVP hast du vergessen.
J: ÖVP auch. Mit ihnen – mit jede fast Nationalratabgeordnete, eine Termin gehabt, gesprochen, die, Prob-, Flüchtlingsprobleme weitergeleitet. Und haben wir diskutiert, was ist das und was ist und wie hat alles gelaufen. Und mit ÖVP hat bisschen schief gegangen.
R: Eigentlich diese Bildung viel gesprochen mit Politiker und Politikerinnen. Also…
J: Genau, Bildung war auch unsere Thema.
R: Genau. Bildung war unsere Thema. (2:2/20-20/21)

Die Teilnehmenden gründen einen Verein und treten mit verschiedenen Regierungsparteien in Kontakt. Der Verein wurde sowohl von als auch für Geflüchtete gegründet. Die Teilnehmenden haben mit den Parteien neben der Vermittlung von „Flüchtlingsprobleme[n]“ auch das Thema Bildung besprochen. Fast lässig berichten die jungen Männer davon, dass es mit der ÖVP „schief […] gegangen“ (ebd.) ist. Durch die Weiterleitung von Themen machen sich die jungen Erwachsenen zu Botschafter ihrer Gruppe. Über die Bildungspläne hinaus entwerfen sie Handlungspläne, um dominante Ordnungen zu stören – „aber legal“ (2:6/17), wie mit Lachen erzählt wird. Mit „wir wollen eine Haue in diese Regierung schießen irgendwie“ (2: 6/14) wird verdeutlicht, dass die Regierung in ihrem Vorhaben gestört werden soll (Herbst 2019: ÖVP/FPÖ). Der Handlungsplan symbolisiert eine Ermächtigung. Die Teilnehmenden wirken handlungsaktiv, ermächtigt und ermächtigend.

Trotz der widerständigen Haltung, die von einigen präsentiert wurde, konnte im Datenmaterial mit der Zeit eine Verschiebung dieser Handlungsaktivität rekonstruiert werden, nachdem unterdrückende Strukturen fortwährend eingewirkt hatten.

6. „Aber des die Motivation wird sich (…) reduzieren“ – die Verschiebung

Nachdem zuvor die aktive Handlungsorientierung der jungen Erwachsenen verdeutlicht wurde, wird nun die zweite Dimension, die Verschiebung der Motivation, dargestellt. In dieser Phase spielt Widerständigkeit noch immer eine Rolle, aber übermächtige Strukturen werden deutlicher und die Motivation geringer. Teilnehmende erzählen von Motivationsverlust aufgrund mannigfaltiger Barrieren, z. B. die Unmöglichkeit, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen: „Ich hätte gern eine Lehre, aber das darf ich nicht“ (1:32/6). Das Nichtdürfen markiert eine Rahmenbedingung, die Handlungsentscheidungen einengt. Ebenso ist neben der Nationalität, die von Relevanz für das Asylverfahren ist, das Alter der Teilnehmenden entscheidend. Nur Geflüchtete unter 15 Jahren sind schulpflichtig (Atanasoska/Proyer 2018).[4] Folglich stehen Jugendlichen im Pflichtschulalter mehr Möglichkeiten zur Bildung offen. Für ältere Asylwerbende gibt es kaum Angebote. Ein Teilnehmer evaluiert den Altersunterschied wie folgt: „Es ist zwei Welt eigentlich“ (2:16/15). Diese Stelle zeigt eine Ohnmacht gegenüber der Dimension Alter (wie auch der Nationalität) auf. Durch die wenigen Möglichkeiten bilanzieren die Teilnehmenden einen Verlust ihrer Motivation: „Aber des, die Motivation wird sich, wird sich reduzieren. Ja. Wenn du deine Traum nicht wahr machen lassen kannst. In dieser Zeit, wo du es gerne hättest“ (1:8/21-8/23). Die Aussage gleicht einer Kausallogik – ohne Einflussmöglichkeiten. Sie zeigt eine Paradoxie zwischen selbstständiger Erfüllung der eigenen Wünsche und dem Ausgeliefertsein gegenüber Rahmenbedingungen. Deutlich wird der Widerspruch an der Stelle „deine Traum nicht wahr machen lassen kannst“, indem passive und aktive Formulierung parallel verwendet werden. Trotz der prekären Rahmenbedingungen zeigt sich die widerständige Haltung, die die Teilnehmer nach wie vor vertreten in Argumentationen, nicht nachgeben zu wollen: „Aber weißt, ich werd, ich werd niemals zu Hause bleiben, Mann. Das ist schon a bisserl unangenehm. Zuhause bleiben“ (1:34/31-34/32). Beinahe trotzig argumentiert der Teilnehmer, dass er trotz der schwierigen Bedingungen nicht zu Hause bleibt, was eine Metapher für Nichtstun und Aufgeben darstellt. Dabei wird eine Emotionalität deutlich, indem zuerst das „ich werd“ wiederholt und dann mit „niemals“ eine wortstarke Beschreibung gewählt wird, die zuletzt mit einem „Mann“ (ebd.) untermauert wird. Einer Rechtfertigungslogik folgend wird der eigene Wert für die Gesellschaft hervorgehoben. Der Teilnehmer möchte dem Bild des gut integrierten Geflüchteten entsprechen. Geflüchtete sind dem Stereotyp ausgesetzt, sich nicht integrieren zu wollen.[5] Dem „Zuhause bleiben“ wird die Bedeutung des passiven Wartens und der Ohnmacht zugeschrieben, aber auch des Aufgebens (der Handlungsmacht). Die darauffolgende Erläuterung scheint nahezu ein Eingeständnis: „Das ist schon a bisserl unangenehm.“ Bezieht man das Wissen um die psychosoziale Situation von Asylwerbenden mit ein, zeigt sich, dass das oft mehrjährige Warten auf den Asylbescheid von vielen als höchst schwierig erlebt wird: Das Unwissen über die eigene Zukunft, die Aufenthaltserlaubnis und traumatische Erinnerungen machen den Lebensalltag Geflüchteter aus (Lehner 2020).

Das Datenmaterial zeigt eine Handlungsstrategie des sich Beschäftigens. Dennoch funktioniert diese Strategie mit der Zeit nicht mehr. Es wurde ersichtlich, dass eine aktive Handlungsorientierung bei fortbestehenden Barrieren schwindet.[6] So spricht ein Teilnehmer davon, dass ihm seine Energie mit der Zeit ausgeht:

Y: Manche denken, muss selbst Kraft oder Energy machen. Das funktioniert nicht. Wenn du vier Jahre – unterdrückte Stress oder solche Sachen ist – dann geht nicht mehr. Einfach so. (2:4/23)

Er erklärt, dass er sich nicht vom Schein eines meritokratischen Systems hat blenden lassen. Eigeninitiative reicht nicht aus, um das Leben im neuen Land anzugehen, wenn das Asylverfahren von mehrjähriger Dauer ist.[7] Die Geflüchteten sind durch die Barrieren desillusioniert. Auf der Diskursebene ist die Wortwahl des „unterdrückten Stresses“ bedeutsam. Die Teilnehmer verdrängen ihre Alltagssituation. Dem Warten kommt eine spezielle Bedeutung zu, wenn man dies nicht nur als das Warten auf den Asylbescheid interpretiert, sondern als ein Warten auf das Leben. Erst mit dem Asylbescheid sind Träume wieder denkbar. Die anhaltenden Barrieren wirken sich ebenso auf die Lernmotivation der Teilnehmenden aus. So berichten sie von Lernschwierigkeiten aufgrund innerer wie äußerer Hürden:

K: Aber, aber wie kannst du lernen, wenn du tausend verschiedene Sachen, Schwierigkeiten und Probleme in deinem Kopf hast? Das alles mit Geld gelöst wird zum Beispiel, wenn deine Familie eine, wenn du eine arme Familie hast. Die immer Geld benötigt, ja. Und du musst arbeiten und denen Geld schicken. Ja. Das auf einer Seite und auf der anderen Seite – du in deinem Leben, brauchst du auch Geld. Wenn du studierst oder wenn du weiterlernen, lernst. Musst du auch dein Leben irgendwie, durchhalten und keine Ahnung, alle Sachen, was die anderen machen. (1:31/34-31/48)

Die Rahmenbedingungen der Geflüchteten – insbesondere derer, die sich noch im Asylverfahren befinden – erschweren es, zu lernen oder sich zu konzentrieren, da Existenzängste vordergründig sind. Die Schwierigkeiten des Lebens werden zu Lern- bzw. Konzentrationsproblemen. Die gegenwärtige Lebenssituation, die Sorgen um die (in der Heimat verbliebene) Familie und die damit einhergehenden finanzielle Nöte bietet kaum Raum, um in Ruhe lernen zu können. Zusätzlich werden die Bildungsmöglichkeiten für Asylwerbende in Österreich sukzessive kleiner, nachdem viele organisierte Angebote ausgelaufen sind.

K: Ja. Am Anfang an hab ich mich bemüht, die deutsche Sprache schnell wie möglich lerne. Aber viele sind in dieser Zeit von der Regierung abgeschafft worden. Zum Beispiel ein geflüchtete Person, der der noch keinen Bescheid hat, darf weder eine Ausbildung noch eine Lehre machen. Das ist a bisserl blöd und zwar – das wäre gut gewesen, dass die das nicht abgeschafft hätten. Ja. Dass man mehr sich bilden kann. (1:3/39-3/46)

Der Teilnehmer setzt einen zeitlichen Rahmen, indem er berichtet, dass er sich „am Anfang“ sehr bemüht hat, die deutsche Sprache zu lernen. Dies deutet daraufhin, dass sich dieses Bemühen geändert hat. „[So] schnell wie möglich“ weist auf Leistungs- und Zeitdruck hin. Lernen ist hier auf das Erlernen der deutschen Sprache bezogen. Eine formale Behinderung des Lernens stellt die Abschaffung von Angeboten dar. Erstens wird mit dieser Aussage auf die Deutschkurse verwiesen, nachdem diese zuvor genannt worden waren. Zweitens ist auch das Abschaffen der Lehrmöglichkeiten für Asylwerbende gemeint. Asylwerbende dürfen keine Lehre mehr in Österreich machen. Die Regelung wird in Dialektform kommentiert. Die Regierung kann in diesem Fall als Hegemonialmacht interpretiert werden, die über die Geflüchteten und deren Möglichkeiten entscheidet. Die Situation wird als Einschränkung, sich bilden zu können, eingestuft. Sowohl die formalen Möglichkeiten reduzieren sich mit der Zeit als auch die Lernmotivation selbst, nachdem die anhaltenden Barrieren eine Konzentration auf Lernen nachhaltig erschwert haben: „Und aber wenn man Stress hat – dann man kann überhaupt nicht Lernen“ (2:3/10) oder „wenn du zwei Jahre mit die Stress lebst, dann verstehst du was ich sage“ (2:16/26-16/27). Bildung findet unter diesen Rahmenbedingungen keinen Raum. Zusammenfassend stellt das Asylverfahren eine massive Barriere in den Lebensverhältnissen der Asylwerbenden dar. Die Interviewerin versucht in folgender Textstelle die Beiträge inhaltlich zu fassen:

I: Also der Asylbescheid ist sozusagen so eine, eine Grenze.
M: Ja.
K: Sehr.
S: [Lacht]
K: Wichtige Grenze.
I: Hm.
K: Entscheidende Grenze.
A: Ja, man machen, was man will in Österreich, weil du Asylbewerber bist, kannst du das nicht machen. (1:14/47-15/8)

Das Fazit zeigt noch einmal die ohnmächtige Situation auf, in der sich Asylwerbende befinden und gegen die sie ankämpf(t)en. Es findet ein Rückgang der Lernmotivation statt. Eine Lehre zu machen, stellt keine Möglichkeit dar und auch andere Bildungsangebote sind von Faktoren wie Asylstatus, Alter, Nationalität, Familie und Finanzen abhängig. Die Passivität und Unsicherheit des erzwungenen Abwartens sind ein zentraler Anlass des Motivationsverlustes.

Chronologisch wurde der Handlungsverlust durch die diametrale Gegenüberstellung von der Motivation im Damals zur Resignation im Heute illustriert. Lernen liegt in den Wünschen und Zielen der Teilnehmenden. Jedoch werden Bildungsbestrebungen durch mächtige Barrieren behindert. Die Abhängigkeit von Instanzen ist existenzbedingend. Aufgrund der Macht des Asylverfahrens über die Handlungsfähigkeit der Akteure wurde dieses Kapitel zu einer Darstellung nichtverwirklichter Träume.

7. „Dann wir sind ganz sinnlos geworden.“ – Die Resignation

In der chronologisch letzten Dimension, die erläutert wird, tritt die Phase der Resignation ein. Aufgrund der überdominanten Machtstrukturen gelingt es einigen Teilnehmern, insbesondere denjenigen, die nach mehrjähriger Wartezeit noch immer keinen positiven Asylbescheid haben, nicht länger ihre widerständige Haltung aufrecht zu erhalten.

Y: Ja, ich glaube, dass ich aber für dich Leute die sozusagen Asyl-Bericht hat. Es ist bisschen mehr Weg. Als die Leute keine. Zum Beispiel, ich hab früher, wollte ich, ich hab auch viel Kraft, viel Sache durchmachen. Zum Beispiel Schule Ausbildung so. Aber wegen die, manche Sachen gehört die positive Bescheid, du kannst, du darfst nicht machen. Wieso? Du hast keine subsidiäre Schutz, keine richtige. Okay. Wenn ich solche Sache höre, ich bin selbst sinnlos werde. Deswegen manchen von uns, diesen Monat ist schwer zu lernen. Sie denken immer andere Sache. Egal, wenn ich, wenn ich lerne, dann bekomm ich negativ. Dann was? Dann was mache ich dann? Deswegen viele von uns dann machen nichts. Warten bis irgendwas bekommt. (2:3/23-4/1)

Der Teilnehmende erzählt von seiner Hoffnungslosigkeit aufgrund des mehrjährigen Asylverfahrens. Asylwerbenden stehen kaum Möglichkeiten offen. Demgegenüber haben Personen, die bereits einen „Asyl-Bericht“ haben, mehr Optionen. Der Teilnehmer verwendet das Pronomen „wir“ und unterstreicht die Kollektivität der Beteiligten ohne Asylbescheid. Wieder erfolgt eine zeitliche Gegenüberstellung von der Vergangenheit, in der noch genügend „Kraft“ vorhanden war, und der gegenwärtigen Lebenslage. Das Leben im Asylverfahren gleicht einem Kampf und es bildet sich eine Barriere in der Verwirklichung von Lebensambitionen. Die Folge ist ein sinnentleertes Dasein. Solange keine Sicherheit erfahren wird, überhaupt im Ankunftsland bleiben zu dürfen, ist es schwer, sich für etwas wie das Erlernen der Landessprache zu motivieren oder sich überhaupt konzentrieren zu können.

Wie deutlich wurde, haben die Teilnehmer den heimlichen Lehrplan verstanden. Leistungsbereitschaft gilt als Voraussetzung für ein legitimes Dasein. Jedoch geht ohne legalen Aufenthaltsstatus zunehmend die Fähigkeit zur Leistung verloren. Zudem stehen im Asylverfahren Geflüchteten weniger faktische Möglichkeiten an formalen Lern- und Beschäftigungsangeboten zur Verfügung, was zu einer Verschärfung der Situation führt. Erst mit einem positiven Asylbescheid macht Lernen (wieder) Sinn: „Von keine Asyl, es ist Nullpunkt. Wenn er positiv hat, dann kannst du viele Weg finden“ (2:5/25-5/26). Der Zustand „keine Asyl“ wird dem positiven Asylbescheid gegenübergestellt:

Y: Ja. Aber wenn du ein Positiv hab, hast, dann bekommst du viel Weg. Verschiedene Weg. Aber ohne positive Asylbescheid du bist ein – wie sagt man – nichts. Du bist nichts. Deswegen wir können nichts machen. Sie geben uns bis B1-Deutschkurs. Nicht weiter. Dann wir sind ganz sinnlos geworden. Deswegen manche von uns wegen viele Stress können nichts lernen. Einfach sitzen und spazieren gehen [lacht]. Deswegen sehr, sehr schwierig. Für weiter. – Das ist meine Meinung. (2:2/12-2/18)

Dem Leben während des Verfahrens wird ein positiver Asylbescheid gegenübergestellt, denn ohne Bescheid sei man ein „nichts“. Zu betonen ist dabei, dass dieses „nichts“ zur Identität wird: „Du bist nichts“ (ebd.). Die Sinnlosigkeit des Daseins wird beschrieben. Dabei stechen die Passivität und die Omnipräsenz des Asylverfahrens hervor. Einschränkungen stellen neben dem genannten Ausbildungsverbot mangelnde Angebote der (deutschen) Spracherwerbsförderung dar.[8] Die Angebotslandschaft der Deutschkurse begrenzt sich zumeist auf niedrigere Sprachniveaus bis B1. Finanzielle Engpässe erschweren den Besuch von kostenpflichtigen Kursen. Somit soll zwar Deutsch gelernt werden (Thoma/Deiß 2023), jedoch mangelt es an Angeboten. Dementsprechend gibt es zwar eine Aufforderung zum Deutscherwerb, jedoch faktisch wenige Möglichkeiten für Asylwerbende dazu. Machtvolle Strukturen des Asylverfahrens verunmöglichen für mehrere Jahre eine Sinnhaftigkeit im Alltag.

R: Die beide hat viel Zeit, vier fünf Jahre wohnen hier. Und sie sie weiß nicht, was machen zu. Deswegen, wofür lernen sie? Nichts. Einfach eigene Zukunft. Seine Zukunft gehört, eig- andere Hand. (2:4/15-4/18)

Das Warten verkommt zur vergeudeten Lebenszeit – ein Hinhalten im Transit, das sich zur fortwährenden Lebenssituation entwickelt. Die totale Fremdbestimmung ist durch die Aussage, „[s]eine Zukunft gehört […] andere Hand“ (ebd.), verdeutlicht. Die Ohnmacht gegenüber der eigenen Existenz ist wegweisend für die verlorengegangene Fähigkeit, zu lernen und zu handeln. Das Asylverfahren wird als „Nullpunkt“ (2:5/25-5/26) beschrieben, ohne dessen Bestehen es für Geflüchtete kaum Möglichkeiten für ein Voranschreiten auf dem Lebensweg gibt. Die Geflüchteten geben ihre Widerständigkeit und Handlungsaktivität auf. Gefühle der Sinnlosigkeit werden dominant. Wesentlicher Faktor des Asylverfahrens ist das andauernde Warten auf den Asylbescheid. Das Verfahren wird vor allem hinsichtlich seiner Dauer betont, nachdem manche der Teilnehmer bereits mehrere Jahre auf dessen Ende warten. Das fremdbestimmte Leben, während dem Asylverfahren wird dem freien Leben mit Asylbescheid gegenübergestellt, das als Verheißung multipler Möglichkeiten dargestellt wird. Die Folge der langen Passivität ist das Aufgeben der eigenen Person – zu resignieren und sich der Fremdbestimmung hinzugeben. Die eingangs beschriebene Widerständigkeit der handlungsaktiven Orientierung wird gebrochen. Die jungen Geflüchteten scheitern beim Versuch, zu handeln.

8. Diskussion

Der Beitrag gelangt zu drei aufeinander aufbauenden Schlussfolgerungen: Die erste Erkenntnis bezieht sich auf die Verbindung von Zugehörigkeit und Agency. Als zweites wird Bildung als kreatives Mittel der Überlebensstrategie und als Wunschziel herausgearbeitet. Die dritte Schlussfolgerung bezieht sich auf die Verbindung von Zeitlichkeit und sich verringernder Handlungsfähigkeit.

8.1 Agency durch Zugehörigkeitserfahungen

Das Material verdeutlicht, dass Aspekte von Zugehörigkeit in der Ankunftsgesellschaft zentral für Erfahrungen des Handelns sind. Mecheril (2003, 299 f.) zufolge ist bei Geflüchteten nicht mehr nur von „prekären natio-ethno-kulturellen Zugehörigkeiten“ die Rede, sondern auch von deren völliger Absenz: Zugehörigkeit basiert auf den Stützen der „Mitgliedschaft“ zur Gemeinschaft, beispielsweise die Staatsangehörigkeit, als Möglichkeit zu handeln, sowie die Verbindung zur Gesellschaft (Mecheril 2003, 179 f.). Geflüchtete, insbesondere Asylwerbende, sind von den Stützen ausgeschlossen, die Agency bedingen.

Die Ermöglichung von Handlungsfähigkeit liegt bei den Zugehörigen, die über gesellschaftliche Positionierungen der Anderen entscheiden: Zugehörigkeit entsteht durch die Annäherung des Anderen an die neue Gruppe, um sich den Common Sense der Gruppe anzueignen (Schütz 1972). Im Material wurde dies deutlich, nachdem die Teilnehmer erzählt hatten, dass sie die Regeln Österreichs verstanden haben, indem sie sich die Strategie aneigneten, zu lernen und zu leisten. Agency tritt durch den Versuch auf, zugehörig zu werden. Das Mittel zur Zugehörigkeit wird an Bildung festgemacht.

8.2 Bildungserfahrungen als Lernmomente der eigenen Randposition

Die zweite Erkenntnis bezieht sich auf Bildung im doppelten Sinne: Einerseits lässt sich formale Bildung insbesondere in der handlungsaktiven Dimension als Mittel zum Zweck und als Zielerreichung begreifen. Die Teilnehmer möchten lernen, weil sie verstanden haben, dass die Mehrheitsgesellschaft Wert auf formelle Bildungsabschlüsse legt und gleichzeitig kristallisiert sich auch ein Wunsch, „zu lernen“, heraus.

Andererseits erlernen die Teilnehmer ihre soziale Position. Ihre Leistungsbereitschaft bringen sie in Zusammenhang mit dem Versprechen auf Zugehörigkeit durch einen legalen Aufenthaltstitel. Die Interpretationen verweisen auf eine Erfahrungsaufschichtung, die zeigt, dass die Teilnehmer leistungs- und lernbereit sein müssen, um zugehörig zu sein. Das scheinbar meritokratische Prinzip findet jedoch nicht immer eine Anwendung. Asylverfahren werden trotz Lernen und Leistung nicht positiv abgeschlossen. Es werden strukturelle Rassismen hinter einer scheinbar neoliberalen Leistungslogik verschleiert (Chamakalayil et al. 2020). Der Mangel an Bildungs- und Beschäftigungsangeboten, die oft nur auf non-formalen Angeboten ohne zertifiziertes kulturelles Kapital basieren, verschärft diesen Zustand. Die Teilnehmer machen Erfahrungen, die vom Wissen um die eigene Exklusion geprägt sind (Riegel 2016). Bildung wird auch als das Verstehen der eigenen Positioniertheit in den gesellschaftlichen Verhältnissen des Aufnahmelandes verstanden. Bildung zeigt sich also erstens in formaler Hinsicht als Mittel zur Zielerreichung und zweitens als Erfahrungslernen über die eigene Positioniertheit am Rand der Gesellschaft.

8.3 Zeit-Agency-Parameter

Nachdem trotz intensiver Bemühungen durch machtvolle Rahmenbedingungen keine Zugehörigkeit erreicht werden kann, werden die Handelsspielräume kleiner. Dabei spielt Zeit eine Rolle. Aufgrund der prekären Lebenskontexte verlieren die Geflüchteten mit der fortschreitenden Zeit die Fähigkeit, ihre Ressourcen an die gegenwärtige Lage anzupassen oder sich eine Zukunft vorzustellen. Die Interpretationen des Materials haben gezeigt, dass zu Beginn die Dimension einer handlungsaktiven Orientierung der Geflüchteten, die Widerständigkeit gegenüber den Rahmenbedingungen bewies, vorherrschend war. Die Erweiterung ihrer Handlungsmöglichkeit verwirklichten die Geflüchteten z.B. durch politische Aktivität oder in der Widerständigkeit gegenüber dominanten Instanzen. Dies lässt sich als biographischer Eigensinn (Alheit/Dausien 2018) der Geflüchteten skizzieren. Es zeichnen sich „Überlebensstrategien“ – Momente des Empowerments – ab. Das Handeln ist auf das Überleben ausgerichtet, flexibel und kreativ, indem bei Barrieren versucht wird, über Umwege gesetzte Ziele zu erreichen. Die Jugendlichen üben Ehrenämter oder Hobbys aus, um ihre Handlungsaktivität zu erhalten oder zu erweitern, nachdem ihnen kein Schulbesuch oder Lehre ermöglicht wurde.

Folgt man Scherrs (2012) relationalem Konzept von Agency zeigt sich, dass aufgrund der machtvollen Strukturen die Fähigkeit zur Anpassung an die gegenwärtige Lage im Laufe der Zeit verloren geht. Zeitlichkeit spielt in Bezug auf Agency insofern eine Rolle, dass sowohl die individuellen biographischen Ressourcen in die gegenwärtige Handlungsfähigkeit miteinspielen als auch die Fähigkeit, die Zukunft zu planen und vergangene Fähigkeiten mit Plänen in Beziehung zu setzen. Geflüchtete erfahren eine Negation ihrer Zugehörigkeit. Die verhinderte gesellschaftliche Teilhabe äußert sich an fehlenden Möglichkeiten, handlungswirksam zu sein.

Bei der Verschiebung der Handlungsdimensionen zeichnet sich ab, dass die Bildungsambitionen aufgrund der Lebensrealität der Geflüchteten nicht verwirklichbar sind und sich reduzieren. Aufgrund durchgängiger Misserfolge und jahrelangem Verharren in einer passiven Wartesituation verlieren sie im Laufe der Zeit ihre Fähigkeit und Motivation, durch Kreativität und Flexibilität bestehende Grenzen zu umgehen, z. B. in Form von Beschäftigungsverhältnissen abseits regulärer Erwerbstätigkeit. Die Überlebensstrategien scheitern bei fortbestehenden Barrieren. Dimensionen der Resignation ersetzen die vormals widerständige Haltung. Das Handeln ist innerhalb der herrschenden Machtverhältnisse angepasst. Durch deren indirekte Anerkennung werden diese reproduziert. Indem innerhalb der bestehenden Strukturen agiert wird, ist Handlungsfähigkeit nach wie vor gegeben, wird jedoch aufgrund sozialer Rahmungen mehr begrenzt als ermöglicht.

Das Datenmaterial veranschaulicht die Resignation der Geflüchteten durch die Momente, in denen sie vor allem ihr Asylverfahren absitzen, statt ihre Möglichkeiten zu erweitern. Sie verharren in einer Wartesituation und kämpfen nicht länger gegen die Bestimmungen an, indem sie sich z. B. trotz des Ausbildungsverbots eine Beschäftigung suchen. Die kreativen Ideen, restriktive Einschränkungen zu umgehen, verlieren sich im Maßstab des Abwartens. Dreh- und Angelpunkt der beschränkenden Verhältnisse ist die begrenzende Situation, die mit dem Asylverfahren einhergeht, die ein entscheidendes Momentum für Handlungsfähigkeit ist (vgl. Brandmaier 2019).

Die Widerständigkeit der Geflüchteten erfährt zuletzt einen Bruch durch übermächtige Rahmenbedingungen, die das Asylverfahren mit sich bringt. Die asylrechtlichen Strukturen verlangen, Paradox zur Forderung der aktiven Integration, ein in der Passivität verharrendes Subjekt. Bildungserfahrungen bzw. die eigene Biographizität (Alheit/Dausien 2018) werden vor allem in negativer Form, als Erlernen des eigenen Ausschlusses, gemacht. Das Handeln ist innerhalb bestehender Grenzen restriktiver Art.

Der Grad an Handlungswirksamkeit verringert sich mit zunehmender Dauer der machtvollen, diskriminierenden Strukturen. Hier wird jedoch keine Ursache-Wirkungs-Kette nachgezeichnet, die von einem ohnmächtigen Subjekt ausgeht. Vielmehr wird den vielschichtigen Resilienzprozessen der handelnden Akteure Rechnung getragen, die trotz widriger Umstände kreative Lösungsprozesse finden. Dennoch bleibt Bildung als widerständige Praxis des Handelns in dieser fremdbestimmten Situation äußerst herausfordernd. Die zentrale Erkenntnis des Beitrags ist, dass die Handlungsfähigkeit chronologisch mit der Dauer der Wartesituation abnimmt. Widerständige Haltungen werden durch die machtvollen Rahmenbedingungen sukzessive kleiner. Bildung wird durch die gegebenen Umstände als ein Erlernen der eigenen Randposition wahrgenommen und das Handeln der jungen Geflüchteten wird schlussendlich aufs Engste eingeschränkt.

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[1] Ich danke Nadja Thoma dafür, dass sie mich stets unterstützt und motiviert. Ohne sie wäre dieser Text nicht entstanden.
[2] Daher sind die folgenden Kapitel in Teilen der Masterarbeit (Deiß 2020) ähnlich, da die empirischen Ergebnisse dieser entstammen.
[3] Asylwerbende haben keine Möglichkeit, einer bezahlten Beschäftigung oder einer Lehre nachgehen zu dürfen, bis ein subsidiärer Schutz erreicht oder ein positiver Asylbescheid gegeben wurde (Bundeskanzleramt, 2020).
[4] Die Ausbildungspflicht bis zum 18. Lebensjahr gilt nicht für Asylwerbende, da das Pflichtschulalter für Asylwerbende mit dem 15. Lebensjahr endet (Atanasoska/Proyer 2018). Die Aufnahme ab 15 Jahren obliegt dann der Schulleitung.
[5] Der politisch genutzte Begriff „Integration“ gleicht mehr einer Assimilationslogik.
[6] Diese Erkenntnis steht in Analogie zu den Ergebnissen von Lehner (2020).
[7] Das Verfahren dürfte in der ersten Instanz nicht länger als sechs Monate dauern. In der Praxis wird diese Dauer oft weit überschritten. Laut BMI (2021) sind im November 2021 noch immer 25.192 Asylverfahren in Österreich offen, wovon Asylgesuche aus Syrien – dichtgefolgt von Afghanistan – die Rangspitze bilden.
[8] Auch Lehner (2020, 11) verweist auf die Paradoxie, dass der Erwerb der deutschen Sprache einerseits von der Asylbehörde vorausgesetzt und als Indikator für Integration gewertet wird, aber es andererseits strukturelle Barrieren gibt, einen Deutschkurs zu besuchen.