SYSTEME SCHEITERN – ZUR BESCHULUNG DER „UNBESCHULBAREN“ IN DER HEIMERZIEHUNG

Helena Kliche und Vicki Täubig

1. Einleitung

Ein Teil der jungen Menschen in Heimerziehung gilt meist aufgrund von Störungen des Unterrichts oder Bereitschaft zu (sexueller) Gewalt als im öffentlichen Schulsystem nicht beschulbar und/oder bleibt zeitweilig der Schule eigenmächtig fern. Für diese Kinder und Jugendlichen sind „Heimschulen“ oder „Schulstationen“ eine institutionelle Antwort, die Träger der Kinder- und Jugendhilfe in Kooperation mit Schule zur Sicherstellung der Beschulung finden (Kliche/Täubig 2023a). Solche Schulen der Heimerziehung werden im Beitrag ausgehend von dem Diskurs um „Systemsprenger“ diskutiert. Als scheiterndes System steht hier zunächst das Schulsystem im Fokus, wobei die Verwobenheit von Heimerziehung und Schule – sowohl auf biografischer als auch auf Systemebene – auf ein sich gegenseitig potenzierendes Scheitern der Systeme Kinder- und Jugendhilfe und Schule verweist.[1] Aus dem Diskurs um „Systemsprenger“ sind vor allem zwei Perspektiven für den Beitrag leitend. Zum einen begleitet die nicht gelöste Frage der Unterbringung häufig eine Schulabstinenz bzw. fehlende Integration in das Schulsystem (Baumann 2020, 3; Esser 2021, 79; Schwabe et al. 2021, 21). Zum anderen werden Schulen der Heimerziehung als Spezialsettings der Systeme Schule und Kinder- und Jugendhilfe, die unter den Bedingungen einer ggf. weiteren Separierung und Etikettierung „helfen“ und „bilden“ sollen (Schwabe et al. 2021, 29), verstanden.

Zentral wird im Beitrag zum einen danach gefragt, inwiefern durch die Beschulung in einer Schule der Heimerziehung ein Sonderstatus der Schüler*innen (re-)produziert wird, zum anderen welche Hürden bei dem Ziel der Reintegration in das Regelschulsystem durch die exklusive Beschulung hervortreten können. Dafür wird der Forschungsstand zur schulischen Situation junger Menschen in Hilfen zur Erziehung mit besonderem Augenmerk auf schulische Übergänge, die mit Settingwechseln einhergehen, präsentiert (2.1). Anschließend wird der marginale Forschungsstand zu Schulen der Heimerziehung aufgerufen (2.2). Im zweiten Teil des Beitrags wird anhand empirischen Materials die (Re-)Produktion des Sonderstatus der Schüler*innen durch die Beschulung in Schulen der Heimerziehung (3.1) und deren Reintegration in das Regelschulsystem beleuchtet (3.2). Im Fazit werden die Schulen der Heimerziehung im Diskurs um „Systemsprenger“ verortet, wobei der Blick auf das Scheitern von Systemen gerichtet wird (4.).

2. Schulische Situation junger Menschen in stationären Hilfen zur Erziehung

Für die schulische Situation junger Menschen, die in stationären Hilfen zur Erziehung aufwachsen, gilt deren Bildungsbenachteiligung als Konsens der internationalen Forschung. Sie besuchen „niedrigere“ Schulformen, erwerben häufiger „niedrigere“ oder keine Schulabschlüsse oder müssen für Bildungserfolge mehr Zeit aufwenden als ihre Altersgenoss*innen (Köngeter et al. 2016; Cameron et al. 2018; Scottish Government 2020). Gleichwohl zeigen die Untersuchungen zu bildungserfolgreichen Care Leavern (z. B. Strahl 2019), dass diese Bildungserfolge erzielen und in den stationären Hilfen zur Erziehung diesbezüglich Unterstützung erhalten können. Die stationären Hilfen sind demnach ein wichtiger Faktor für die schulische Situation der jungen Menschen einschließlich der Mechanismen sozialer Bildungsungleichheit (Harbusch et al. 2018).[2]

Im Alltag der Hilfen zur Erziehung, in dem der Schulbesuch von jungen Menschen permanent präsent ist, zeigt sich eine enge Orientierung an den Anforderungen der Schule, bspw. in der Gestaltung von Tagesabläufen (Kliche/Täubig 2019a; Kliche 2021). Während pauschal eine fehlende „Culture of Education“ (Gharabaghi 2011) für die stationären Hilfen zur Erziehung konstatiert wird, lässt sich diese mittlerweile differenzieren: Einerseits zeigen die dortigen Fachkräfte eine hohe Bildungsaspiration und eine Orientierung an dem gesellschaftlichen Allgemeinplatz höherer Bildung, was sich etwa in einer Hierarchisierung der Schulformen ausdrückt. Andererseits sind stationäre Hilfen zur Erziehung auf der Ebene der materiellen Ausstattung und dem Wissen der Fachkräfte von einer „Kultur des Mangels“ geprägt, die eine zu geringe Aufmerksamkeit und Unterstützung für die Möglichkeiten der jungen Menschen im Bereich der formalen Bildung erkennen lassen (Kliche/Täubig 2019a, 2023b; Kliche 2021, 2022).

Schulische oder berufliche Probleme werden darüber hinaus im Kontext der Hilfegewährung relevant gemacht und bei 8.765 laufenden Hilfen am 31.12.2020 als einer der Hilfegewährungsgründe statistisch erfasst (Statistisches Bundesamt 2021).[3] In der Fortschreibung des Hilfeplans wird zudem die schulische Situation eruiert. Bei der Gewährung von Hilfen werden diese mitunter an einen unterbrechungsfreien Schulbesuch gekoppelt (Rosenbauer 2020, 273). Andersherum wird auch in der Schule das Leben in Heimerziehung zum Thema, nämlich dann, wenn die Kinder und Jugendlichen mit Stigmatisierungen durch Lehrkräfte und Peers konfrontiert sind, die sich auf den Herkunftskontext „Heimerziehung“ beziehen (Zeller 2012, 202; Kliche/Täubig 2019a, 44; BUNDI 2022, 134 f.).

2.1 Vermehrte schulische Übergänge und Suspendierungen

Übergänge sind Schwellen im Bildungssystem, an denen Mechanismen sozialer Bildungsungleichheit besonders hervortreten. Für Kinder und Jugendliche in stationären Hilfen zur Erziehung lässt sich eine besondere Betroffenheit von einer Vielzahl schulischer Übergänge nachzeichnen (Kliche/Täubig 2019b; Mascenaere/Feist-Ortmanns 2021, 92). Dabei handelt es sich vor allem um entstandardisierte Übergänge im Schulsystem, die von einzelnen Schüler*innen zusätzlich zu den standardisierten (Schuleintritt, Wechsel in die weiterführende Schule nach der Grundschule und Schulaustritt) absolviert werden (Kramer/Helsper 2013). Zu diesen gehören beispielsweise Klassenwiederholungen und Schul(form)wechsel (auch: Kannicht 2020, 265), die neben den leistungsbasierten Homogenisierungsbestrebungen innerhalb der Schulklassen (Fend 2004, 23) einer „Abschiebung“ schwieriger Schüler*innen dienlich sind (Palowski et al. 2014, 48) sowie ohnehin der sozialen Auslese des Schulsystems unterliegen. Die „problembehafteten“ Kinder und Jugendlichen werden mittels entstandardisierter Übergänge an andere Schulen delegiert, wobei insbesondere die Förderschulen aufgrund „ihre[r] unterschiedlichen Differenzierungen […] zunächst einmal insgesamt eine Delegationsfunktion für die Regelschulen ein[nehmen], in dem sie sich die Zuständigkeit für Schwierigkeit unterschiedlichster Art zuschieben lassen und so die Regelschulen von der Verantwortung für diese Schwierigkeiten entlasten“ (Baumann 2020, 52).

Mit Blick auf junge Menschen in Heimerziehung, die sich bereits bei dem Übergang von der Grundschule in die weiterführende Schule als besonders effektiv selegierbar erweisen (Siebholz 2013), ist die weitere Befundlage zu Abschulungen, also dem Übergang in eine „niedrigere“ Schulform, ungenau. Knapp ein Fünftel der 12- bis 14-Jährigen, deren Heimerziehung im Jahr 2004 endete, vollzog einen Schulformwechsel während der Heimerziehung (Pothmann 2007, 186). Das Verhältnis von Auf- und Abstiegen zeigt sich zwischen Hauptschulen und Gymnasien/Real-/Gesamtschulen ausgeglichen; einem Übergang aus der Sonderschule stehen allerdings 1,7 Übergänge in diese gegenüber. Die Differenz zwischen Schulformauf- und -abstiegen fällt für die Gruppe der Kinder und Jugendlichen in stationären Erziehungshilfen im Vergleich zur Gesamtschüler*innenschaft geringer aus. Allerdings lässt der bereits konstatierte überproportionale Besuch „niedriger“ Schulformen von Kindern und Jugendlichen in Hilfen zur Erziehung wenig Spielräume für die allgemein häufigeren Schulformabstiege.

Neben schulischen Übergängen in Form von Schulformwechseln sind im Kontext der Beschulung und Nichtbeschulung in Hilfen zur Erziehung weitere, sich teilweise als Übergänge vollziehende oder Übergänge nach sich ziehende schulische Exklusionsmaßnahmen (Fend 2004, S. 23) von Belang. Bei Kindern und Jugendlichen, die in Heimerziehung aufwachsen, finden „Ausschulungen, Suspendierungen oder Kurzzeitbeschulung als Ausgrenzungsmöglichkeiten der Schule“ (Kliche/Täubig 2019a, 44) insbesondere bei Fehlverhalten wie Unterrichtsstörungen Anwendung. Aus Sicht der Fachkräfte greifen Suspendierungsmaßnahmen der Schule für diese jungen Menschen in besonderem Maße, weil eine häusliche Betreuung der Kinder und Jugendlichen durch die Fachkräfte in den Wohngruppen sichergestellt werden kann (Kliche/Täubig 2019a, 44). Es liegen kaum großangelegte Statistiken zu Exklusionsmaßnahmen vor. Dennoch weist eine kleinere und ältere Studie für Deutschland darauf hin, dass Schulausschließungen durchaus zum Alltag insbesondere stationärer Hilfen zur Erziehung gehören: 5 % der 4- bis 12-Jährigen werden vom Schulbesuch zurückgestellt oder wieder ausgeschult (Petermann/Schmidt 1995, 40). In Schottland wird in Regierungsstudien eine siebenmal erhöhte Schulausschlussquote von „Looked After Children“[4] konstatiert (Scottish Government 2020, 20). So wurden im Schuljahr 2018/19 an Grundschulen 31, an weiterführenden Schulen 113 und an Förderschulen 106 von 1000 dieser Schüler*innen suspendiert. Bei den Gleichaltrigen, die ohne Hilfen aufwuchsen, war die Rate deutlich niedriger: Von je 1000 Schüler*innen wurden an Grundschulen 5, an weiterführenden Schulen 25 und an Förderschulen 30 Schüler*innen suspendiert (Scottish Government 2020, 22). Besonders viele Suspendierungen weisen dabei diejenigen „Looked After Children“ auf, die in einem Jahr drei (322 von 1000 Schüler*innen) bzw. vier (341 von 1000 Schüler*innen) Wechsel in der Unterbringung erfuhren (Scottish Government 2020, 23). Trotz der Verschiedenheit der Hilfe- und Schulsysteme in Deutschland und Schottland wird anhand der Zahlen die wechselseitige Bedingtheit von Übergängen im Schulsystem und im Hilfesystem der Kinder- und Jugendhilfe deutlich (auch: Kliche/Täubig 2019b).

Zusätzlich zu den benannten Ausschlussmechanismen resultiert die Nichtbeschulbarkeit für einige junge Menschen aus ihrem selbstbestimmten Fernbleiben vom Unterricht (Schwabe et al. 2021), wobei auch hier von – für die Heimerziehung empirisch ungeklärten – Wechselverhältnissen zwischen Exklusionen, die durch das Schulsystem betrieben werden, und Exklusionen, die die jungen Menschen forcieren, auszugehen ist. Sowohl eine Unbeschulbarkeit als auch die freiwillige Nichtteilnahme am Unterricht konfrontieren die Kinder- und Jugendhilfe mit dem Auftrag, die Probleme des Schulsystems zu lösen (Baumann 2020, 52; Baumann 2021, 68). Eine Möglichkeit, formale Bildung für diese jungen Menschen sicherzustellen und der für die BRD maßgeblichen Schulpflicht nachzukommen, bietet die Schaffung „eigener“ Schulen durch die Heimerziehung (Hansen 1994, 118).

2.2 Schulen der Heimerziehung

Schulen der Heimerziehung haben eine lange Tradition und sind weit älter als gegenwärtige, zwischen ambulanten und stationären Maßnahmen ausdifferenzierte Hilfesysteme oder nach Schulformen differenzierende Schulsysteme (Kliche/Täubig 2023a). Sie gehen zurück auf integrierte Verständnisse von Erziehung und schulischer Bildung, die mindestens seit dem 17. Jahrhundert häufig in pädagogischen Reformprojekten für Waisen oder „verwahrloste“ Jugendliche zugrunde gelegt wurden. Durch diese Beschulung in „Anstalten“ hat sich historisch eine getrennte Beschulung von jungen Menschen in Unterbringungseinrichtungen und jungen Menschen, die andere (familiäre) Haushaltszugehörigkeiten hatten, herausgebildet. Im Zuge der Entwicklung des öffentlichen Schulsystems war dessen Entlastung ein weiteres Begründungsmoment für die getrennte Beschulung. In der Nachkriegszeit wurden die „Heimschulen“ der Schulform der Sonderschulen zugeordnet; es entstanden – auch unabhängig von der Kinder- und Jugendhilfe – als Spezialisierungsform der Sonderschulen in einigen deutschen Bundesländern „Schulen für Erziehungshilfe“.[5] Diese knappe Rückschau soll transparent machen, warum gegenwärtig existierende Schulen der Heimerziehung der „niedrigsten“ Schulform der Förder- oder Sonderschule so nahestehen, obwohl Kinder und Jugendliche mit ganz unterschiedlichem Leistungsvermögen unterrichtet werden müssen.

Der Rückblick offenbart zugleich ein Dilemma in der Bezeichnung dessen, worum es geht: Schulen, die eingerichtet werden, um außerhalb des öffentlichen Schulsystems Schüler*innen aufzunehmen, die als nicht beschulbar gelten und in Heimerziehung untergebracht sind. In der Praxis dieser insgesamt wenigen, zugleich sehr unterschiedlichen Schulen (Blandow 1984; Kliche/Täubig 2023a) werden entweder alleinig Schüler*innen, die in Heimerziehung leben, aufgenommen oder auch „externe“ Schüler*innen, deren Eltern andere Hilfen zur Erziehung oder auch keine erhalten (Praxisbeispiele in Kliche/Täubig 2023c).

Organisatorisch befinden sich diese Schulen bzw. Angebote zur Beschulung in Trägerschaft der Heimeinrichtung, sind eigenständige (Privat-)Schulen oder Außenstellen von Schulen, die auf Kooperationsvereinbarungen mit dem Heimerziehungsträger basieren (Brinks/Hensen 2023; Oppen et al. 2023).[6] Die Zahl der Plätze ist klein; oft wird in einer „Zwergenschule“ (Blandow 1984, 62) nur eine Klasse jahrgangsübergreifend beschult (Kliche/Täubig 2023b).

Eingeordnet werden können die Schulen der Heimerziehung – wie jegliche Exklusions- und Abschulungsmöglichkeiten des Schulsystems – in dessen „Entsorgungsmentalität“ (Fend 2004, 23) im Umgang mit „schwierigen“ Schüler*innen. Die schulische Separierung der Schüler*innen bedeutet für diese nicht nur eine Exklusion aus dem öffentlichen Schulsystem, sondern auch eine Segregation von Peerkontakten außerhalb der Heimerziehung (Hansen 1994). Die mit den Heimreformen seit den 1970er-Jahren verfolgte Öffnung der Heimerziehung, die sich vor allem gegen eine Abschottung der jungen Menschen von der sozialen Umwelt richtete, wird durch die exklusive Beschulung konterkariert. Zugleich sind Schulen der Heimerziehung eine Integrationsmaßnahme, die auf die vorausgegangene Exklusion reagiert (Gängler/Schweder 2019, 16) und diese mit dem Ziel der Reintegration (dazu Kap. 3.2) überwinden soll. Im Kontext der Entwicklungen hin zu einem inklusiveren Schulsystem nach Maßgabe der UN-Behindertenrechtskonvention wird eingeschätzt, dass die Schulen der stationären Hilfen zur Erziehung „von diesen Reformbemühungen, deren Zielsetzungen die Verringerung von sozialer Ungleichheit und die Verbesserung des allgemeinen Kompetenzniveaus sind, weitgehend ausgeschlossen“ (Fabel-Lamla/Kowalski 2023, 51) sind.

Als randständiges Phänomen entziehen sich die Schulen der Heimerziehung weitgehend der Aufmerksamkeit sozial- und schulpädagogischer Fachdiskurse. So liegen kaum Forschungsergebnisse und keine (amtliche) statistische Erfassung etwa zur Anzahl der Schüler*innen und Schulen vor, was bereits in den 1980er-Jahren mit dem „jahrhundertealte[n] Desinteresse […] am schulischen Schicksal von Heimkindern“ (Blandow 1984, 62) begründet wurde. Qualitative Befunde dazu, wie die Praxis dieser Schulen aussieht, fehlen weitestgehend. Eine schweizerische und eine deutsche Studie, die je eine dieser Schulen untersucht haben, analysieren eine starke Orientierung an Schulabschlüssen und formaler Bildung als pädagogische Ausrichtung für die an Heimeinrichtungen angegliederte Schulen (Schaffner/Läber 2017, 421; Ehlke et al. 2023, 109). Zugleich wird den Schüler*innen alltagspraktisches Wissen vermittelt und sie erfahren Selbstwirksamkeit am schulischen Lernort (Ehlke et al. 2023, 110 f.).

Der Rückgriff auf eine ältere Studie macht aufmerksam dafür, dass Heranwachsende, die Schulen der Heimerziehung besuchen – im Gegensatz zu denjenigen, die in Heimerziehung aufwachsen, aber eine öffentliche Schule besuchen –, ein erhöhtes Minderwertigkeitserleben haben (Hansen 1994). So erleben sich „interne“ Schüler*innen häufiger unterlegen gegenüber anderen als die Jugendlichen in Heimerziehung an öffentlichen Schulen (Hansen 1994, 239). Als dafür ausschlaggebend wird der Sonderstatus „Heimschüler“ angeführt, der aus der normabweichenden Beschulung der jungen Menschen und einem „überaus ‚abweichenden‘ Klassenklima“ (Hansen 1994, 119) an Schulen der Heimerziehung resultiert. Dies deckt sich mit anderen Beobachtungen, dass es sich – auch im Erleben der Schüler*innen – nicht um „richtige“ Schulen handele (Blandow 1984; Ehlke et al. 2023). Hansen (1994, 117 u. 239) spricht von einer „Doppelstigmatisierung“ der jungen Menschen, die einerseits aus der Separierung der Schüler*innen an heiminternen Schulen, andererseits aus der damit verbundenen „Zu- und Festschreibung bestimmter Verhaltensattribute“ und Etikettierungen resultiert.

Trotz der lückenhaften Befunde ist davon auszugehen, dass Kinder und Jugendliche, die Schulen der Heimerziehung besuchen, bereits mehrfache Übergänge zwischen (stationären) Hilfen zur Erziehung und Schul(klass)en erfahren haben. In dem Moment, in dem Schulen der Heimerziehung empirisch beobachtet werden, sind die Kinder und Jugendlichen „im System“ bzw. werden durch dieses Spezialsetting in den Systemen gehalten und ggf. auf erneute Übergänge im Zuge einer Reintegration vorbereitet. Im nächsten Kapitel wird mit eigenem empirischen Material der marginale Forschungsstand ergänzt.

3. Eine Schule der Heimerziehung – empirische Einblicke

Das im Folgenden verwendete Datenmaterial entstammt zwei Forschungsprojekten. Das ethnografisch angelegte Projekt „SchulBildung in den Hilfen zur Erziehung“[7] untersuchte das Auftauchen schulischer Belange im Alltag von Sozialpädagogischer Familienhilfe[8] und Heimerziehung. Zu diesem Zweck fand eine über ein halbes Jahr andauernde 30-tägige Ethnografie in einer Außenwohngruppe statt,[9] in der zum Zeitpunkt der Erhebung insgesamt acht Jungen im Alter von elf bis 17 Jahren lebten. Bis zu vier Jungen der Wohngruppe besuchten im Laufe der Erhebung zwischenzeitlich die einrichtungsinterne „Schulstation“ auf dem Stammgelände der Einrichtung, in der bis zu 26 Schüler*innen beschult werden können (Kliche 2021; Kliche/Täubig 2023b). Die Ethnografie gestaltete sich – auch im Sinne einer Zirkularität aus Datenerhebung und -auswertung entsprechend der verfolgten Grounded-Theory-Methodologie (Strauss/Corbin 1996) – als Wechsel zwischen Feldanwesenheit und Feldabwesenheit. Schon während der teilnehmenden Beobachtung in der Wohngruppe zeigte sich in den schulbezogenen Aushandlungsprozessen zwischen Fachkräften und jungen Menschen (z. B. zur Bearbeitung von Hausaufgaben, Konfliktgesprächen der Fachkräfte mit Lehrkräften) eine besondere Fokussierung auf den Schulbesuch der Schulstation. Diese bestätigte sich in einer Gruppendiskussion mit den Wohngruppenfachkräften und einem Expert*inneninterview mit der Einrichtungsleitung, bei dem die Ethnografin die Möglichkeit erhielt, die Jungen einen Tag in die Schulstation zu begleiten.

Das zweite Forschungsprojekt „Jugendhilfeeinrichtung mit Schule – Schule in den Hilfen zur Erziehung“[10] diente nach der Entdeckung der Schulstation im Vorhergehenden einer vertiefenden Auseinandersetzung mit diesen Schulen. Leerstellen im Forschungsstand aber auch im Wissen über Kooperationsmodelle zwischen öffentlichen (Förder-)Schulen und Kinder- und Jugendhilfe oder dem Schulalltag in Schulen der Heimerziehung begründeten die Anlage des Projekts als Literatur- und Internetrechercheprojekt von Praxisbeispielen. Ergänzend wurden Expert*inneninterviews mit Wissenschaftler*innen sowie Fach- und Lehrkräften von Schulen der Heimerziehung geführt. Der Eingangsimpuls der Expert*inneninterviews lautete: „Welche Berührungspunkte haben Sie mit dem Thema Beschulung von Kindern und Jugendlichen in stationären Erziehungshilfen?“ Die interviewten Fach- und Lehrkräfte gaben Einblick in ihren Alltag in den Schulen der stationären Erziehungshilfen sowie in die Kooperation von Kinder- und Jugendhilfe und (Förder‑)Schule.

Die Expert*inneninterviews (Meuser/Nagel 1991) und Gruppendiskussionen (Bohnsack 2010) beider Projekte wurden audio-aufgenommen und im Anschluss transkribiert und anonymisiert. Die Auswertung der entstandenen Transkripte sowie der ebenso anonymisierten ethnografischen Beobachtungsprotokolle erfolgte in Anlehnung an die Grounded Theory (Strauss/Corbin 1996).

Eingang in diesen Beitrag finden die Beobachtungsprotokolle aus der Wohngruppe und der Schulstation sowie die Expert*inneninterviews mit insgesamt fünf Fach- und Lehrkräften aus vier anderen Schulen der Heimerziehung. Dadurch wird zum einen unmittelbar Einblick in den Alltag einer Schulstation möglich, zum anderen der Sicht von Fach- und Lehrkräften aus verschiedenen Schulen der Heimerziehung nachgegangen. Besondere Aufmerksamkeit wird dabei der (Re-)Produktion eines Sonderstatus, der mit der Beschulung in einer Schule der Heimerziehung einhergeht (2.1), und der (Un-)Möglichkeit einer Reintegration aus den Schulen der Heimerziehung in öffentliche Schulen (2.2) zuteil.

3.1 (Re-)Produktion eines Sonderstatus

Für die Ethnografie ist im Material augenscheinlich, dass sich die Akteur*innen im Forschungsfeld – Kinder, Jugendliche und Fachkräfte der Wohngruppe, aber auch die Ethnografin – in einen Kontext begeben, der das Besondere oder Fremde der Schulstation gegenüber einer gesellschaftlichen „Normalvorstellung“ von Schule herausstellt. Bereits im Klassenraum der Schulstation spiegelt sich das Bild undisziplinierter Schüler*innen wider, die durch die Fachkräfte gegenüber der Ethnografin als „keinerlei leistungsbereit oder leistungs[willig]“ (Protokoll 3) etikettiert werden. Einzeltische, die durch Regale voneinander getrennt im Raum angeordnet sind, sollen eine Kommunikation der Schüler*innen untereinander verhindern und ein konzentriertes Arbeiten ermöglichen. Unterbindet bereits diese räumliche Anordnung ein Lernen in Gruppen, wird dies ebenfalls durch eine überwiegende Strukturierung und Gestaltung des Unterrichts anhand individueller Wochenpläne erschwert: „Lucy und Thomas, die zwei Jüngsten, werden heute Sachkunde haben (von 8:00–10:00 Uhr). Lucy hat anschließend Schulschluss. Die anderen arbeiten erst in Englisch, dann in Deutsch an ihrem Wochenplan“ (Protokoll 13). Die Inhalte der Beschulung werden „unabhängig vom Lehrplan“ (Protokoll 13) und unter Reduzierung der Unterrichtsinhalte auf die Hauptfächer beschrieben: „Lukas [ein Schüler] wirft ein, dass die Schulstation keinen Geschichtsunterricht habe“ (Protokoll 28). Zusätzlich bestimmen aus Sicht der Wohngruppenfachkräfte „,merkwürdige Systeme‘, […] wie Hausaufgabengutscheine, sodass die Kinder oftmals keine Hausaufgaben zu erledigen haben, sondern – auch mit 16 Jahren – noch Hausaufgabengutscheine einlösen können“ (Protokoll 31), die „normabweichende“ Beschulung in der Schulstation. Nicht der Erwerb von Fachwissen und kooperativen Lernerfahrungen, sondern vielmehr die Verinnerlichung von Tugenden wie Zuverlässigkeit stehen im Zentrum und werden durch „Hausaufgabengutscheine […], Massage oder Eisessen mit dem Lehrer“ (Protokoll 31) belohnt.[11] Die fehlende Zustimmung aufseiten der Fachkräfte der Wohngruppe gegenüber diesem Vorgehen der Schulstation wird dadurch erkennbar, dass sie das Belohnungssystem ad absurdum führen, indem sie „den Jungs geraten hatten, die Hausaufgabengutscheine zu sammeln und vor den Ferien jeden Tag einen einzulösen. Seitdem sind die Hausaufgabengutscheine nur noch eine bestimmte Zeit lang gültig und es gibt eine Begrenzung für die Einlösung [eines Gutscheins] pro Woche“ (Protokoll 31).

Werden die Schüler*innen bereits durch die zeitliche und räumliche Gestaltung des Unterrichts voneinander separiert, kommen bei unerwünschtem Verhalten zusätzlich Exklusionsmaßnahmen zum Einsatz. Neben Suspendierungen (Expert*inneninterview 1, Z. 26) erfolgt etwa die zeitweise Exklusion aus dem Unterrichtsgeschehen, indem einzelne Schüler*innen in einen Nebenraum gesetzt werden:

Als Nils anfängt, Sprüche zu machen wie: „Ey Alter, seid ihr voll dumm? Ich mach doch gar nix!“, schickt Frau Müller ihn in den Nebenraum. Als er sich weigert, zu gehen, gehen Frau Müller und Herr Gerdes einer von vorne, einer von hinten – auf Nils zu und sagen, dass sie ihn dann rübertragen werden. Als sie kurz davor sind, Nils einzuhaken, steht er auf und sagt, dass er gehen wird. (Protokoll 13)

Eine Separierung der Schüler*innen voneinander und somit eine Vereinzelung dieser wird des Weiteren in Bezug auf die Organisation des Schulwegs deutlich. Gilt letzterer als eine Möglichkeit, „eigene Kinder- und Jugendkulturen zu entwickeln und auszuleben“ (Carqueville 2015, 47), wird den Jungen der Schulstation das gemeinsame Verlassen der Wohngruppe und die gemeinsame Bewältigung des Schulwegs durch die Fachkräfte untersagt. Stattdessen „verlassen sie zu unterschiedlichen Zeiten morgens die Wohngruppe, um mit dem Rad zur Schule zu fahren [, denn andernfalls] wäre eine Beschulung nicht möglich, da der Weg zur Schule sie emotional zu sehr aufwühlen würde“ (Protokoll 1).

Dem Besuch der Schulstation bzw. Schulen der Heimerziehung geht eine Exklusion aus dem öffentlichen Schulsystem voraus, die den Sonderstatus „Heimschüler“ (Hansen 1994, 119) begründet. In der Schulstation wird dieser Sonderstatus (re-)produziert, indem ein „normabweichender“ Unterricht einschließlich Separierungen qua Sitzordnung, Raumverweis oder Suspendierung die Beschulung bestimmt. Eine Kultur des Belohnens und Strafens prägt den Unterricht, die auch auf körperliche Nähe und Übergriffigkeiten der Lehrkräfte aufgebaut ist. Selbst innerhalb der hoch selektiven Gruppe, die die Schulstation besucht, werden die jungen Menschen von Peerbeziehungen, die der Schulweg wie auch der Schulbesuch insgesamt in einer „normalen“ schulischen Sozialisation bereitstellen, ferngehalten bzw. ausgeschlossen.

Die Reproduktion des Sonderstatus drückt sich neben den ausschließenden und „normabweichenden“ Mustern des Schulalltags heimerziehungsinterner Beschulung auch durch eine engmaschige Verflechtung zwischen Schule und Wohngruppe aus. Diese reflektieren die Wohngruppenfachkräfte wie folgt:

Die Schule würde die ErzieherInnen der Wohngruppe schnell kontaktieren. Gerade die Schulstation „übertreibt das“, sagt Jakob [Fachkraft]. Er schildert mir Situationen, in denen Nils Schimpfwörter in der Schule verwendet hat und die Lehrerin anschließend angerufen und gesagt hat, dass die ErzieherInnen ihm sagen sollen, dass er dies nicht darf. „Wie soll man damit umgehen?“ fragt Jakob mich. Die Schule, so erzählt er weiter, würde Probleme des Schulalltags auf das Gruppenleben übertragen wollen, indem sie vorschlägt, dass den Jungs aufgrund von Fehlverhalten in der Schule das Abendprogramm oder ähnliches gestrichen werden solle. Das stehe in keiner Relation zueinander. (Protokoll 27)

Der nahezu tägliche Kontakt zwischen Fachkräften der Wohngruppe und Lehrkräften der Schulstation basiert maßgeblich auf unerwünschtem Verhalten der Schüler*innen. Durch die Verortung von Wohngruppe und Schule in einer Einrichtung sehen die Fachkräfte den Kontakt zwischen Lehrkräften und Fachkräften besonders ausgeprägt und beschreiben gegenüber der Ethnografin das Leben der jungen Menschen als „ähnlich [überwacht] wie das […] in einem Gefängnis“ (Protokoll 27). Die Wohngruppenfachkräfte adressieren dieses Problem und sprechen sich zugleich jegliche Einflussmöglichkeit auf diese Kooperation mit der Schulstation ab.

Der Sonderstatus der Kinder und Jugendlichen, die in Heimerziehung beschult werden, fußt somit nicht nur auf einer Etikettierung von Verhaltensauffälligkeit, „normabweichendem“ Unterricht und einer Exklusion aus Peerbeziehungen und öffentlicher Schule, sondern auch auf einer geringeren Entfaltungsfreiheit in Folge der engmaschigeren Verschränkung von Kinder- und Jugendhilfe und Schule. Darauf reagieren andere Schulen der Heimerziehung mit einer vermehrten Aufnahme von externen Schüler*innen: „Also wir haben jetzt 80 Schüler und ich glaube, es sind nur maximal 10 Gruppenkinder und 70 sind tatsächlich Externe, die da natürlich auch zum Teil noch in anderen Wohngruppen leben, in anderen Einrichtungen und unsere Schule besuchen“ (Expert*inneninterview 5, Z. 32–35). Dies wird auch als eine Orientierung an Internatsschulen (Expert*inneninterview 2) verstanden.

3.2 Die (Un-)Möglichkeit der Reintegration in öffentliche Schulen

Gleichwohl Schulen der Heimerziehung oftmals nicht auf Dauer angelegt sind und ein Wechsel in das öffentliche Schulsystem Ziel ist (Kliche/Täubig 2023b), erschwert die aufgezeigte normabweichende Beschulung die Reintegration:

Also wir versuchen schon, die Kinder, die bei uns in der Grundschule sind, fit zu machen und denen Kompetenzen an die Hand zu geben, dass die das schaffen können, nach der vierten Klasse an eine Regelschule zu wechseln. Bei manchen Kindern gelingt das sehr gut. Es gibt aber auch Kinder, wo wir das Gefühl haben, die brauchen jetzt erst nochmal was anderes. Die schaffen diesen Sprung [nicht] von diesem kleinen, behüteten Rahmen hier in einer Klasse mit zehn Kindern, wo die Lehrerin die Kinder wirklich sehr, sehr gut kennt und an Hilfeplangesprächen teilnimmt, jedes Problemchen besprochen wird. Die werden diesen großen Sprung in eine 30er-Klasse mit viel Lehrerwechsel, mit Zeitdruck, mit Lerndruck werden die nicht schaffen. (Expert*inneninterview 2, Z. 224–232)

[Patrick (Fachkraft)] erzählt, dass er häufig erlebt hat, dass diese Schüler in der Regelschule dann starke Probleme haben, da sie in der internen Schule „abnormal“ unterrichtet werden. (Protokoll 3)

Sowohl in den Einschätzungen der Lehrkräfte als auch der Wohngruppenfachkräfte offenbart sich ein geringes Zutrauen in das Zurechtkommen der Kinder und Jugendlichen im öffentlichen Schulsystem. Dies wird vor allem auf eine Kollision der individuellen Bedürfnisse der Heranwachsenden und ihren Erfahrungen mit der („normabweichenden“) Beschulung innerhalb der Schulen der Heimerziehung mit den sich stark unterscheidenden Rahmenbedingen des öffentlichen Schulsystems zurückgeführt. Schulen der Heimerziehung und öffentliche Schulen werden etwa anhand von Zeit- und Lerndruck einander als völlig konträr gegenübergestellt. Die Überwindung dieser Diskrepanz wird nicht zum Gegenstand einer Übergangsgestaltung der Schule der Heimerziehung oder der Wohngruppe, sondern wird abhängig gemacht von den Anpassungsleistungen und -schwierigkeiten sowie der ggf. fehlenden Belastbarkeit der jungen Menschen. Ähnlich stellte Hansen (1994, 117) heraus, dass insbesondere die Etikettierung einer besonderen Verhaltensauffälligkeit der jungen Menschen aufseiten der Lehrkräfte an „Heimschulen“ zu einer geringen Förderung, einem geringen Zutrauen in deren Entwicklungsfortschritte und somit zu einer Verminderung der Übergangsmöglichkeit an öffentliche Schulen führe.

Disparitäten zwischen Fach- und Lehrkräften offenbaren sich dabei hinsichtlich ihrer Sicht auf Erschwernisse eines Übergangs in das öffentliche Schulsystem. Denn während die Fachkräfte kritisieren, dass „gerade starke Schüler […] über viel zu lange Zeit in der [internen] Schule [gehalten werden], da diese den Leistungsstand der Schüler voranbringen“ (Protokoll 3) und somit die „Verwahrung“ leistungsstarker Schüler*innen an Schulen der Heimerziehung beklagen (vgl. Kliche/Täubig 2019b, 57), verweisen die Lehrkräfte an Schulen der Heimerziehung wiederum auf zunehmende Verhaltensauffälligkeiten ihrer Schüler*innen. So werde es „zunehmend schwieriger, in irgendeiner Art und Weise diese Kinder noch auch nur halbwegs zu beschulen“ (Expert*inneninterview 1, Z. 27–28). Die „Entsorgungsmentalität“ (Fend 2004, S. 23) als „Einbahnstraße“ und Verwehrung des Schulsystems gegenüber „schwierigen“ Schüler*innen wird demnach nicht nur bei Schüler*innen, die im Regelschulsystem beschult und in Heimschulen umgeschult werden, sondern auch bei denjenigen, die zurück in das Regelschulsystem wechseln könnten, erkennbar. Werden Schüler*innen durch die Lehrkräfte der Schulen der Heimerziehung „als mittlerweile ausgestattet genug und befähigt genug, im öffentlichen Schulsystem […] agieren zu können“ (Expert*inneninterview 2, Z. 210–211), eingeschätzt, wird ein Übergang an öffentliche Schulen initiiert. Dabei werden die Lehrkräfte der Schulen der Heimerziehung vor die Herausforderung gestellt, überhaupt erst einmal aufnehmende Schulen zu finden. Die Aussage einer Lehrkraft, dass eine „vernünftige Schule hier im Umkreis [fehlt], die in der Lage ist, diese Kinder mit diesen Schwierigkeiten in irgendeiner Art und Weise zu beschulen“ (Expert*inneninterview 1, Z. 255–257), impliziert zugleich, dass Schulen der Heimerziehung auf Dauer keine adäquate Beschulungsform darstellen. Um die „Bereitschaft“ (Expert*inneninterview 3, Z. 258) zur Aufnahme an öffentlichen Schulen zu erhöhen, wird der Übergang der Schüler*innen mit „Rückkehroption“ (Expert*inneninterview 3, Z. 258) als tageweises „Praktikum“ (Protokoll 3) gestaltet. Durch diese Übergangsgestaltung erfolgt in der aufnehmenden Schule eine „Statusfixierung als ,Heimschüler‘“ (Hansen 1994, 117). Für die Heranwachsenden geht dieser entstandardisierte Übergang, den sie allein und auf Probe absolvieren, mit zusätzlichen Unsicherheiten einher, denn er impliziert erst einmal keine Zugehörigkeit zur neuen Klasse. Dies zeigt sich etwa bei außerunterrichtlichen Veranstaltungen, bei denen die Schüler*innen im Praktikum mit ihrer Nichtzugehörigkeit konfrontiert werden: „[Jonas] erzählt Monika [Fachkraft], dass er sich bei jeder Aufgabe extra bei den LehrerInnen anmelden musste, weil er nicht für das Sportfest angemeldet war. Das fand er blöd, sagt er“ (Protokoll 26).

Der Übergang von der Schule der Heimerziehung ist an die Prognosen einer durchführbaren Beschulung vor allem in Abhängigkeit von zugeschriebenen Verhaltensauffälligkeiten der Schüler*innen geknüpft. Den Wohngruppenfachkräften kommt bei der Begleitung des Übergangs eine tragende Rolle zu, wie anhand der schulischen Peerbeziehungen deutlich wird:

Patrick [Fachkraft] fragt Jonas, wie der Schultag war. Jonas beginnt zu erzählen, dass es in der Hauptschule sehr witzig sei. Auf dem Schulhof haben sich die Altholderbach-Kinder getroffen und eine riesige Gruppe gebildet. Patrick schaut überrascht und fragt, ob Jonas dort nur Kontakt mit Altholderbach-Kindern habe und Nico erwidert schnell, dass auch andere dabei waren, die nicht aus Altholderbach waren. Jonas lacht und sagt dabei, dass aber hauptsächlich Kinder aus Altholderbach in der Gruppe gewesen seien. Fast hätte es auch eine Schlägerei gegeben, zwischen einem Altholderbach-Kind und einem anderen Schüler. „Aber nur fast“, ergänzt Nico und Patrick schüttelt den Kopf […] während Felix [Fachkraft] den Kopf schüttelt und Jonas daran erinnert, dass er sich nichts zu Schulden kommen lassen darf, da er nur den Status als Praktikant an der Schule hat. (Protokoll 14)

Jonas, der den Wechsel auf die Hauptschule vollzieht, orientiert sich an der neuen Schule an Mitschüler*innen aus der Heimeinrichtung und identifiziert sich mit diesen. Seine begeisterte Erzählung der Verbündung der Altholderbach-Kinder erfährt eine sehr kritische Nachfrage durch die Fachkraft, die der diesbezüglich erfahrenere Mitschüler und Mitbewohner Nico beschwichtigend parieren kann. Die Erwartungshaltung der Fachkraft ist einerseits, dass schulische Peerkontakte außerhalb der Heimbewohner*innen gepflegt werden sollen, was der gerade auf die Schule übergehende Jonas freilich (noch) nicht erfüllen kann. Andererseits erfahren Auseinandersetzungen zwischen Peers in der Schule Aufmerksamkeit, da sie beim Bestehen des Praktikums als Verhalten, das für oder gegen eine Beschulbarkeit spricht, mitbewertet werden (Kliche/Täubig 2023b). Zugleich offenbart sich, dass eine (Re‑)Integration in öffentliche Schulen aus Sicht der Fachkraft auch eine Einfindung in die sozialen Strukturen der Schule und Klasse verlangt. Diesen Schritt der Inklusion, der eine Öffnung gegenüber Mitschüler*innen außerhalb der Einrichtung impliziert, wird dabei der Handlungsmacht der Heranwachsenden zugesprochen, steht zugleich aber den von den Fach- und Lehrkräften bestimmten exkludierenden Vorerfahrungen in der Schulstation entgegen.

4. Fazit

Bei den Schulen der Heimerziehung geht es um Formen der Beschulung, die für Kinder und Jugendliche eingerichtet werden, die in Heimerziehung leben und im öffentlichen Schulsystem als nichtbeschulbar etikettiert werden. Die Biografien dieser jungen Menschen sind von häufigen Übergängen im Hilfe- und Schulsystem gekennzeichnet und können somit mit der Debatte um „Systemsprenger“ im Sinne eines „‚Durchreichens‘ von Kindern und Jugendlichen“ (Baumann 2020, 48; H. i. O.) assoziiert werden. Diese Debatte verweist auf das Scheitern von Systemen an den Problemen, die junge Menschen haben (Freigang 2020), und zeigt Reformbedürftigkeiten der Systeme auf (Esser 2021).

Ausgehend von der dargelegten (Re-)Produktion eines Sonderstatus der Schüler*innen an Schulen der Heimerziehung und den Hürden, die sich bei dem Ziel der Reintegration in das Regelschulsystem ergeben, lassen sich zwei Ebenen des Scheiterns und der Reformbedürftigkeit resümieren. Mit Blick auf die Existenz der Schulen ist von einer Schulform „unter“ allen anderen auszugehen, die strukturell den Ausschluss aus dem öffentlichen Schulsystem ermöglicht. Der „Entsorgungsmentalität“ (Fend 2004, 23) des Schulsystems wird damit eine weitere Option eröffnet. Dies steht völlig konträr zur zunehmend inklusiven Ausrichtung des Schulsystems nach UN-Behindertenrechtskonvention. Dennoch ist die Zukunft der Schulen der Heimerziehung offen: Ob sie durch die Reduzierung von Förderschulen verschwinden oder gerade diese ersetzen, bleibt zu beobachten.

Neben der strukturellen Ebene zeigen die empirischen Einblicke in die Praxis von Schulen der Heimerziehung deren Scheitern. Exkludierende Mechanismen des öffentlichen Schulsystems, wie Suspendierung und Separierung, finden ebenso in Schulen der Heimerziehung Anwendung. Dabei erweist sich das Konzept der Segregation der Schüler*innen als Sackgasse: Wesentliche Probleme bei der Reintegration in das öffentliche Schulsystem sind durch die Besonderheiten der Beschulung in den Schulen der Heimerziehung bedingt. Der „Sonderstatus Heimschüler*in“ wird mit sozialem Verhalten verknüpft, das mit der (Nicht‑)Beschulbarkeit korrespondiert. Die vorgefundene Unterrichtspraxis weist durch die harsche Vereinzelung der Schüler*innen, ein behavioristisch anmutendes Belohnungs- und Strafsystem aber auch eine körperliche Durchsetzung von Suspendierungen Elemente auf, die an den Problemen, die junge Menschen haben, vorbeigehen und diese eher verstärken. Schließlich ist zu fragen, wie die Schutzrechte von Kindern und Jugendlichen in diesen besonderen Formen der Beschulung in der Heimerziehung gewährleistet und durchgesetzt werden können, sodass Schutzkonzepte und Ombudsstellen der Heimeinrichtungen oder der Schulen hier zum Tragen kommen.

Aufgrund der räumlichen und organisatorischen Kooperation der Schule und der Heimeinrichtung sind die Kinder und Jugendlichen zugleich einer erhöhten pädagogischen Aufmerksamkeit bzw. Überwachung ausgesetzt. Dadurch werden die exkludierenden Mechanismen der Schulen der Heimerziehung manifestiert und innerhalb der Wohngruppen wird der Sonderstatus der Schüler*innen von Schulen der Heimerziehung gegenüber denjenigen an Regelschulen verstärkt. In der alltäglichen Praxis der Wohngruppe wird die Schulstation durch die Fachkräfte massiv kritisiert, letztlich hingenommen und damit zur Projektionsfläche für die Etikettierung als Heimschüler*in. Steht die fachliche Reflexion der Zusammenhänge einer (Re-)Produktion von Bildungsungleichheit in Formen der Kooperationen von Hilfen zur Erziehung und Schule weitgehend aus (Täubig 2023), zeigt sich diese an Schulen der Heimerziehung als besonders drängende Leerstelle – gerade im Zuge der Bemühungen um Inklusion in den (scheiternden) Systemen.

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[1] Zur Begriffsverwendung: Hilfen zur Erziehung sind ein Leistungsbereich der Kinder- und Jugendhilfe (SGB VIII) in der BRD. Als stationäre Hilfen zur Erziehung stehen die Vollzeitpflege (SGB VIII § 33) und die Heimerziehung (SGB VIII § 34) zur Verfügung. Die Bezeichnung „Heimerziehung“ steht seit langem in der Kritik. Insbesondere junge Menschen, die in stationären Einrichtungen leben, weisen den Begriff zurück (BUNDI 2022). Hier wird dieser genutzt, um die beiden verschiedenen Formen der stationären Hilfen zur Erziehung (Heimerziehung und Vollzeitpflege) unterscheiden zu können und deutlich zu machen, dass es um eine Beschulung in Einrichtungen und teilweise durch Träger der Heimerziehung geht.
[2] Zur Begriffsverwendung: Wenn von Schule oder Beschulung gesprochen wird, ist zunächst allgemein der Besuch einer Schule gemeint. Für den Kontext der BRD bedeutet dies in der Regel den Besuch einer öffentlichen Schule; Privatschulen werden in der BRD von einem kleinen Teil der Schüler*innen – im Schuljahr 2018/19 von 9,2 % (Statistisches Bundesamt 2020, 5) – besucht. Das Schulsystem in der BRD beginnt mit der Grundschule (je nach Bundesland bis zur vierten oder sechsten Klasse). Der Sekundarbereich I bis zur neunten oder zehnten Klassenstufe (je nach Schulabgang/-form) ist ausdifferenziert in die Schulformen des Gymnasiums, der Realschule, der Hauptschule und der Gesamtschule; die Bezeichnungen variieren je nach Bundesland). Im Sekundarbereich II bis zur 13. Klasse treten berufsbildende Angebote neben das allgemeinbildende Gymnasium. Parallel zur Grundschule und zu den Sekundarbereichen bestehen Förderschulen. (Autor:innengruppe Bildungsberichterstattung 2022, XII–XIV)
[3] Weitaus häufiger werden andere Hilfegewährungsgründe, wie die eingeschränkte Erziehungskompetenz der Eltern (31.690) oder eine Kindeswohlgefährdung (23.015), genannt. Dies erklärt sich aus der Schwere der Intervention stationärer Hilfen zur Erziehung, die nicht bei alleinig oder vordergründig schulischen Problemen, die auch in der Herkunftsfamilie bearbeitet werden können, installiert werden. Die Zahlen beziehen sich auf Heimerziehungsmaßnahmen in einer Einrichtung.
[4] When a young person is looked after, there are various types of care setting where they can be placed. Placements can be at home (where a child is subject to a Supervision Requirement and continues to live in their usual place of residence), foster care, kinship care (where they are living with friends or relatives) or residential care.“ (ebd., 10)
[5]Die Ausführungen in diesem Abschnitt sind nur für die BRD geprüft, auch wenn es Parallelen zu anderen nationalen Entwicklungen geben könnte.
[6] Es ist hier eine Abgrenzung zu Internaten vorzunehmen (Kliche/Täubig 2023a).
[7] Das Projekt wurde an der Universität Siegen in der Zeit von 2016 bis 2019 durchgeführt und durch das Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen gefördert (Kliche/Täubig 2019a).
[8] Die Sozialpädagogische Familienhilfe ist eine ambulante, aufsuchende Form der Hilfen zur Erziehung nach SGB VIII § 31.
[9]Vor Beginn der Erhebung wurden die Fachkräfte, Kinder, Jugendlichen und Eltern bzw. Personensorgeberechtigten über das Projekt umfassend aufgeklärt und unter Zusicherung der Anonymität um ihr schriftliches Einverständnis gebeten. Das Projekt verpflichtet sich insgesamt den Regeln guter wissenschaftlicher Praxis und der Einhaltung der Datenschutzbestimmungen.
[10] Das Projekt wurde in der Zeit von April 2018 bis Februar 2020 an der Universität Siegen durchgeführt (Kliche/Täubig 2023b).
[11] Eine Massagepraxis, die beobachtet werden konnte, war die Massage der Schultern mittels „Igelball“. Die Massage fand während des Unterrichts und somit im Klassenverband statt und wurde durch die Lehrkraft durchgeführt.