LOGIKEN VON GESPRENGTEN UND SPRENGENDEN SYSTEMEN – ZUR NOTWENDIGKEIT DER DIFFERENZIERUNG IN AKTIVE UND PASSIVE „SYSTEMSPRENGER:INNEN“

Robert Langnickel, Noëlle Behringer, Pierre-Carl Link

„Man muss das Spiel ändern, nicht die Figuren.“
André Breton

1. „Systemsprenger:innen“ im Diskurs

„Systemsprenger:in“ zu sein, ist keine Persönlichkeitseigenschaft von Jugendlichen (Baumann 2020, 14).[1] Adoleszente werden zu „Systemsprenger:innen“ „innerhalb eines Systems, welches bestimmten Gesetzmässigkeiten und Regeln unterliegt“ (Baumann 2020, 14). Ihre psychische Welt und die intersubjektive Wechselwirkung sowie das machtvolle institutionelle Gefüge sind in einem bio-psycho-sozialen Modell gemeinsam zu betrachten. „Systemsprenger:innen“ und sprengende Systeme stehen in einem interagierenden und oftmals kumulierenden Zusammenhang. Das Scheitern ist dann den Grenzen der Systeme und deren Belastbarkeit zuzuschreiben. Neben der Frage nach der Tragfähigkeit des Systems und seiner Akteur:innen „[…] wird dem Verhalten des Kindes oder Jugendlichen ein aktiver Charakter zugesprochen. Aus der subjektiven Sicht des ‚Systemsprengers‘ macht es einen Sinn, hat es eine (entwicklungs- und überlebenswichtige) Funktion, das System zu sprengen und seinen Rauswurf zu provozieren“ (Baumann 2020, 14).

Auf dieser Folie eines sinnverstehenden Ansatzes nähert sich dieser Beitrag dem Phänomen der „Systemsprenger:innen“. Der vorliegende Beitrag hat das Ziel, durch die Unterscheidung von aktiven und passiven „Systemsprenger:innen“ aus einer psychoanalytisch-pädagogischen Perspektive ein differenziertes Verständnis des Phänomens „Systemsprenger:innen“ zu gewinnen. Dieses ist aus mehreren Gründen relevant: 1.) Eine disziplinäre und professionsbezogene Fachsprache ist notwendig, um die Bedarfe und inneren Notwendigkeiten von Subjekten in Schwierigkeiten resp. passive „Systemsprenger:innen“, ihre Subjektlogik und Bedarfe professionell adressieren zu können. 2.) Für die Gegenstandsbestimmung einer Disziplin sind klare Begrifflichkeiten notwendig, die einen intra- und interdisziplinären Austausch unter Fachpersonen ermöglichen, nicht aber zur direkten Ansprache von Jugendlichen als „Systemsprenger:innen“ genutzt werden sollten. Eine solche Begriffsklarheit fehlt jedoch im Hinblick auf eine Ausdifferenzierung des Begriffs in aktive und passive „Systemsprenger:innen“.

Dieser Beitrag wird deshalb 1.) aufzeigen, dass im bisherigen pädagogischen Diskurs (Baumann 2019; Ahrbeck 2022; Hiller 2022; Zimmermann/Weiß 2022) v. a. aktive „Systemsprenger:innen“ adressiert werden; 2.) wird der Begriff und das Phänomen der passiven oder „rückzüglichen“ „Systemsprenger:innen“ hergeleitet; und 3.) geht dieser Beitrag dann der Frage nach, welche Folgerungen sich für die pädagogische Praxis aus dieser Differenzierung ergeben.

2. „Systemsprenger:innen“ – Konzeptuelle Annäherungen

Nun gilt es in einem ersten Schritt in 2.1 kurz zu explizieren, ob und falls ja warum der Begriff „Systemsprenger:in“ in pädagogischen Kontexten einen Mehrwert bietet, um Verhaltensphänomene bei Jugendlichen in Schwierigkeiten zu bezeichnen. Oder werden möglicherweise Jugendliche durch diesen Begriff primär als aggressive, unverbesserliche Täter:innen gelesen und so stigmatisierend markiert? In einem nächsten Schritt wird in 2.2 aufgezeigt, inwiefern sich der wissenschaftliche Diskurs um den Begriff „Systemsprenger:in“ wesentlich auf externalisierende Phänomene fokussiert. Als letztes wird in 2.3 die These expliziert, dass die Extension des Begriffs „Systemsprenger:in“ auch auf internalisierende Phänomene ausgedehnt werden sollte und die Differenzierung zwischen einer aktiven und einer passiven Form für die pädagogische Arbeit einen Mehrwert bietet.

2.1 „Systemsprenger:innen“ als pädagogisches Konzept

Gegenüber Begriffen wie „Un- oder Schwererziehbare“, „Erziehungsresistenz“ oder die „Schwierigsten“ entscheidet sich Baumann für den Begriff „Systemsprenger:in“ (Baumann 2020, 13). Der Begriff „Systemsprenger:in“ meint dabei mehr als das Übertreten von Grenzen resp. das „Sprengen“ von Grenzen pädagogischer Institution und deren Fantasmen bezüglich Erziehung. Bei dem Konzept „Systemsprenger:in“ geht es darum, dass die Grenzverletzungen des Kindes oder der oder des Jugendlichen das System, innerhalb dessen sie realisiert werden, selbst an seine Grenzen bringen (Baumann 2020, 13). Der vorliegende Beitrag folgt der mittlerweile etablierten Definition von Baumann: „Der Terminus ‚Systemsprenger‘ soll hier auf Jugendliche angewandt werden, bei denen die Erziehungshilfemassnahme von Seiten der betreuenden Einrichtungen abgebrochen wurde, da der Jugendliche auf Grund schwerwiegender Verhaltensstörungen nicht zu betreuen erschien und somit den Rahmen der Erziehungshilfe gesprengt hat“ (Baumann 2020, 13; Herv. i. O.).

Dieses Konzept ist als Grundlage für die pädagogische Arbeit mit diesen Kindern und Jugendlichen deshalb zielführend, da es einer zu starken Personenzentrierung vorzubeugen im Stande ist, die sowohl in der Psychoanalytischen Pädagogik als auch in der Sonderpädagogik immer wieder Anlass für Kritik gibt (Ahrbeck/Willmann 2010; Stein 2010; Burghardt et al. 2017; Myschker/Stein 2018; Dederich 2019). Die trotzdem mögliche Kategorisierung der oder des Adoleszenten als „Systemsprenger:in“ lässt sich in der Argumentation Baumanns insofern für den Forschungsprozess durchaus kritisch in Kauf nehmen, „da durch die scheinbare ‚Schuldzuweisung‘ an den Jugendlichen Reflexionsprozesse auf Seiten der Mitarbeiter ermöglicht werden, die bei einer systemkritischen Formulierung aus Gründen des Eigenschutzes vermutlich verwehrt geblieben wären“ (Baumann 2020, 14). Baumann setzt den Terminus „Systemsprenger:in“ in Anführungszeichen, womit er versucht, das „Systemsprengersein“ als Eigenschaft eines Kindes oder einer oder eines Jugendlichen zu relativieren (Baumann 2020, 15).

Der Beitrag dieses Artikels ist eine Tiefenbohrung und damit eine Schärfung der Begrifflichkeiten in Bezug auf ein Phänomen, das internalisierenden Verhaltensauffälligkeiten zuzurechnen ist. Der Unterschied zu Baumanns Konzept ist, dass diesem Beitrag kein systemischer Begründungshorizont zugrunde liegt, sondern ein struktural-psychoanalytischer, dem gruppen-, sozio- und psychodynamische Verstehenszugänge inhärent sind. Der vorliegende Ansatz widerspricht Baumanns Konzept nicht, sondern versteht sich auf dessen Basis als mit Blick auf das Phänomen internalisierender Verhaltens- und Erlebensweisen und der damit zusammenhängenden passiven „Systemsprenger:innen“ als notwendige Vertiefung, welche die psychoanalytisch-pädagogische Sichtweise stärkt.

2.2 Aktive „Systemsprenger:innen“

Im pädagogischen wie auch im medialen Diskurs (Heuer 2022, 351) werden primär aktive „Systemsprenger:innen“ adressiert (vgl. Baumann 2018, 2019, 2020; Ahrbeck 2022; Zimmermann/Weiß 2022); es erfolgt eine Engführung von „Systemsprenger:innen“ mit „externalisierenden“ Verhaltensweisen wie fremd- und eigenaggressivem Verhalten, Suchtmittelgebrauch, Promiskuität oder stunden-, mitunter aber auch tage- oder wochenlanger Abgängigkeit aus der Einrichtung (Bolz et al. 2019). Diagnostisch geht aggressives und antisoziales Verhalten oftmals mit einer Kombination aus emotionaler Unbeteiligtheit und Angstsymptomen einher (Euler et al. 2015). So sind die nach aussen gerichteten, aktiven Phänotypen des Systemsprengens immer als sinnhafter Ausdruck eines inneren Leidens zu verstehen, das sich durch Agieren entlädt, in seiner eigentlichen Genese aber nicht strikt von internalisierenden, also nach innen gerichteten, Leidensformen zu trennen ist. Bei der aktiven Form des Systemsprengens wird das traumatisch passiv Erlittene in der Beziehung zu pädagogischen Fachpersonen stellvertretend für die ursprünglich Leid zufügenden Menschen aktiv angreifend und zerstörerisch inszeniert (Sutterlütty 2003; Verein für Psychoanalytische Sozialarbeit 2017; Feuling 2018).

Bei aktiven „Systemsprenger:innen“ kommt es jedoch, differierend zu den passiven, oftmals zu einem eskalierenden Scheitern, einer Verkettung unterschiedlichster Hilfsangebote und einem Oszillieren zwischen Hilfesystemen wie Jugendhilfe, Regel- und Sonderschule sowie Kinder- und Jugendpsychiatrie, mitunter auch Jugendhaft. All dies resultiert aus externalisierenden Verhaltensweisen seitens der jungen Menschen und aus erreichten Grenzen der Belastbarkeit seitens der Fachpersonen und der Systeme. Es ist also immer eine Interaktionsdynamik zwischen Jugendlichen, Systemen und Fachpersonen, die zum Scheitern von Interaktionsprozessen und letztlich zum Sprengen eines Systems führt, und weniger eine isolierte Art des Verhaltens oder der Beziehungsgestaltung einzelner Personen (Baumann 2018). Wohlwissend, dass die Unterscheidung in externalisierende und internalisierende Verhaltensweisen, wie sie häufig in der Sonderpädagogik vorgenommen wird, komplexer ist, und dies nur einer ersten Einschätzung von Auffälligkeiten der psychischen Entwicklung von Kindern und Jugendlichen dient, welche in einer Interaktion als Signal verstanden werden können, möchte dieser Beitrag, um diese Limitation wissend, die Begrifflichkeiten beibehalten, um die Differenz zwischen aktiven und passiven „Systemsprenger:innen“ argumentativ zu verdeutlichen. In diesem Sinne entsprächen „internalisierend“ und „externalisierend“ eher einer phänomenologischen Beschreibung und sollten als rudimentäre Einordnung zweier Bewegungen im Subjekt verstanden werden.

2.3 Passive „Systemsprenger:innen“

Feuling (2021), welcher in Deutschland sowohl in Rothenburg als auch in Calw mit dem Verein für psychoanalytische Sozialarbeit wesentlich zum Aufbau einer psychoanalytisch orientierten Jugendhilfe beigetragen hat, arbeitet oft mit „Systemsprenger:innen“ und hat das Ziel, Inkompatibilitäten der Systeme abzubauen, indem Systemgrenzen flexibilisiert werden. Darüber wird es möglich, jungen Menschen Angebote zu machen, die sie partizipativ in unterschiedlicher Intensität und Frequenz nutzen können. Sie werden damit nicht bevormundet und auf ihr Dasein als „Systemsprenger:innen“ reduziert, sondern ihre unbewussten Konflikte und Symptome dürfen ihren Raum finden, sie werden anerkannt als Repräsentationen eines inneren Leidensdrucks und dürfen sich ereignen (Langnickel 2021, 167). Verhaltensweisen werden dabei auf eine mangelnde intrapsychische Differenzierung zwischen Innerem und Äusserem zurückgeführt, die sich in ein Nichtverstandenwerden umsetzt und als phänomenologische Grundlage für viele Spielarten von erlebtem Stress und den Verhaltensweisen gilt (Gingelmaier et al. 2021). Es war Feuling, der in einer Fussnote zu einer kasuistischen Darstellung knapp die Differenz von aktiven und passiven „Systemsprenger:innen“ in den pädagogischen Diskurs eingeführt hat und die passiven wie folgt definiert: Jugendliche „die sich allen Anforderungen der Gesellschaft und der Pädagogen passiv verweigern, deren Sinn-, Planungs- und Zielsysteme angreifen und zerstören, ohne manifest aggressiv zu werden“ (Feuling 2018, 90).

Feuling (2018) argumentiert angelehnt an Freuds Konzept des Wiederholungszwangs, dass viele „Systemsprenger:innen“ mit ihrem Agieren eigene Erfahrungen des „Gesprengtwerdens“ in eine aktive Form umkehren. Das passiv Erlittene fügen sie sich zunächst selbst zu, um das passive Erleiden zu beenden. Die ängstlich, depressive und/oder suizidale Form des Agierens führt in Einrichtungen, die mit chronischem Personalmangel, Belegungs- und Kostendruck sowie sozialpolitischen Unwägbarkeiten konfrontiert sind, und in Bildungseinrichtungen, die mit der Erfüllung von Lehrplänen und als Herausforderung erlebten kontinuierlich steigenden Anforderungen belastet sind, zu einer Überforderungs- und Ohnmachtsdynamik (passives Systemsprengen). Das Überforderungs- und Ohnmachtserleben bei den Fachpersonen geht oftmals einher mit einem Nichtverstehen – einem Nichtverstehen, das sich auf die Symptomatik, auf die Beziehungsgestaltung und auch auf die Passung zwischen Klient:in und System bezieht und welches im psychoanalytisch orientierten Arbeiten als dem Menschsein inhärent verstanden wird und zugleich ebenso verunsichernd und anstrengend sein kann.

Die sogenannten aktiven „Systemsprenger:innen“ lassen sich durch eine externalisierende Symptomatik wie manifestes aggressives Verhalten charakterisieren (Feuling 2018, 90). Bei beiden Formen werden die innerlich und äusserlich schmerzhaften Erfahrungen nicht in die Psyche der jungen Menschen integriert (Feuling 2018), sodass Lernen und Entwicklung blockiert werden. Intrapsychisch kommt dem Wiederholungszwang dennoch eine entscheidende Funktion zu: „Alles ist besser, als das bloß passive Erleiden“ (Feuling 2018, 80). Im kumulativen Wechselspiel zwischen dieser intrapsychischen, der interindividuellen und der institutionellen Dynamik kommt es, gerahmt von systemischen Grenzen, zu Sprengungsdynamiken. Woran wird dabei nun aber die Differenz zwischen aktiven und passiven „Systemsprenger:innen“ im Handeln und in der Beziehung erkennbar?

Die Symptomatik passiver „Systemsprenger:innen“ liegt in internalisierenden Verhaltensweisen wie bspw. Rückzug, Passivität, Isolation und Verweigerung von Beziehung, Anforderungen und sozialer Organisation. Neben Schulabsentismus kann auch eine starke Somatisierung als Symptomatik auftreten. Häufig wirken diese jungen Menschen erst einmal angenehm, gut angepasst und bemüht, teilweise sehr selbstunsicher. In Interaktionen jedoch erscheinen die jungen Menschen unerreichbar und sind schwer bzw. kaum zu motivieren, eine Beziehung einzugehen (Vliegen et al. 2021). Aus einer psychodynamischen und empirisch fundierten Perspektive können sog. internalisierende Auffälligkeiten ggf. häufiger als externalisierende Auffälligkeiten intrapsychischen Konfliktdynamiken zugrunde liegen, die im Bereich Versorgung, Kontrolle und Nähe–Distanz oder Selbstwert bestehen können und bspw. mit einem depressiven, ängstlichen, schizoiden oder süchtigen Verarbeitungsmodus einhergehen können (Mentzos 1973, 2017). Insgesamt ist der Verarbeitungsmodus ein zentrales Konzept in der psychoanalytischen Theorie von Mentzos (2017). Mentzos beschreibt den Prozess, in dem psychische Konflikte vom Unbewussten ins Bewusstsein gelangen und bearbeitet werden.

Einem unbewusst als übermächtig oder unzuverlässigen fantasierten Umfeld entsprechend, werden Wut und Aggression abgewehrt und gegen das Selbst gerichtet, um Beziehung und Versorgung zu sichern. Als entwicklungsförderliches Moment gilt daher die Annäherung an abgewehrte Wut und Aggression, um diese nicht verleugnen, projizieren oder gegen sich selbst richten zu müssen, sondern die Erfahrung machen zu können, dass Beziehung und Versorgung auch oder gerade durch eine Begegnung mit einem hinreichend guten Gegenüber und Selbst möglich sind. In pädagogischen Kontexten ist diese passive Form der Verarbeitung von intrapsychischen Konflikten jedoch selten Anlass zur Anstrengung (Stein 2012). Dies kann darin begründet sein, dass die empfundene Belastung geringer ist als bei agierendem Stören, Provozieren, Ängstigen und Beschämen. Es kann aber auch dem Umstand geschuldet sein, dass die Fachpersonen eigene Ängste und Unsicherheiten aus dem beruflichen und privaten Leben verbannen wollen und Strategien zur Angstvermeidung entwickeln und die Angst dann auf Kinder projiziert wird (Langnickel 2020, 179; Hover-Reisner 2022).

Das pädagogische Erleben und Handeln ist notwendigerweise „mit den inneren psychischen Konflikten der Beteiligten verknüpft, damit aber auch mit den Ängsten und den Verdrängungen beziehungsweise der Abwehr seitens der Pädagogen“ (Figdor 2006, 167).

Während bei externalisierender Symptomatik häufig rasche Reaktionen in Krisen von „Systemsprenger:innen“ notwendig sind, entfalten sich die Symptomatiken der passiven „Systemsprenger:innen“ – wie auch bei internalisierenden Störungsbildern häufig anzutreffen – oftmals nach und nach oder sogar verborgen. Die Dramatik wird erst im Laufe der Zeit erkennbar und könnte – eigentlich – mehr Zeit für Fallreflexionen ermöglichen. Studien weisen darauf hin, dass die internalisierenden Störungsbilder wie Ängste und Depressionen, welche, gemäss der BELLA-Studie, die häufigsten psychischen Erkrankungen im Kindes- und Jugendalter darstellen (Ravens-Sieberer et al. 2007; Fuchs et al. 2013), ohne entsprechende Fachkenntnis nicht erkannt und/oder falsch gedeutet (Conley et al. 2014) werden.

Warum wurde konzeptuell bisher nicht mit einem Phänomenbeschrieb der passiven „Systemsprenger:innen“ gearbeitet? Könnte es möglicherweise nicht in diesem Bereich ausgebildeten Fachpersonen mitunter schwerfallen, die passiven „Systemsprenger:innen“ überhaupt wahrzunehmen? Und erfolgt deshalb möglicherweise die Fokussierung auf die aktiven, die aufgrund aggressiven oder hyperaktiven Verhaltens als auffällig markiert werden und in Teamsitzungen und Supervisionen präsent(er) sind?

Die Tendenz, zunächst über aktive „Systemsprenger:innen“ zu reflektieren, kann als Reinszenierung von Isolationsdynamiken der passiven „Systemsprenger:innen“ und der oben erwähnten unbewussten Angstvermeidung der Fachpersonen verstanden werden. Szenisch betrachtet, machen sie sich durch ihren Rückzug, ihre Nichtansprechbarkeit und zugleich ihre auf den ersten Blick wenig herausfordernde Art und Weise des Kontakts selbst nicht zum Thema und diese Dynamik setzt sich fort in Team- und Supervisionssitzungen. Eine Fallreflexion erfolgt erst dann, wenn beispielsweise ungeklärte berufliche Perspektiven mit Druck von „aussen“ durch Behörden aktuell und dringlich werden. Vorher stören passive „Systemsprenger:innen“ nicht, sie fordern nicht heraus, sie verletzen und zerstören nicht und sie verstören damit auch nicht. So kann dann auch das Übertragungsgeschehen ein anderes sein.

Ein Übertragungsprozess ist „die unbewusste Wiederholung oder Wiederbelebung von erworbenen, verinnerlichten und innerlich modifizierten Beziehungsmustern in der aktuellen Interaktion und Situation“ (Stemmer-Lück 2004, 90). Prozesse dieser Art finden in allen zwischenmenschlichen Beziehungen statt. An Übertragungen in der pädagogischen Beziehung sind nicht nur die Kinder, Jugendlichen und Eltern beteiligt, sondern auch die Fachpersonen und die Institutionen, sodass sich ein Übertragungsraum zwischen allen Beteiligten entfaltet. Bittner versteht Übertragungsprozesse als ein „Ping-Pong-Spiel der beiderseitigen Unbewussten“ (2010, 51). Der junge Mensch interpretiert bei der Übertragung neue Erfahrungen auf einer Folie vorangegangener Erlebnisse und Lernvorgänge. Gegenübertragungen hingegen sind die unbewussten Reaktionen aufseiten der Fachpersonen. Sie manifestieren sich als Impulse, Emotionen, Einstellungen und Fantasien, wie etwa Besorgnis, Erschöpfung, Hilflosigkeit, Wut, Ekel, Schuld, Verwirrung, die sich als „unbewusste Reaktion auf die den [sic!] Übertragungen einstellen und so Rückschlüsse auf den Inhalt der Übertragungen zu[lassen]“ (Gerspach 2018, 25).

Ebenjene Gegenübertragungen können bei passiven und aktiven „Systemsprenger:innen“ sehr unterschiedlich ausfallen.[2] Ohnmacht und Hilflosigkeit mögen jeweils auftreten, doch Besorgnis oder aber Desinteresse sowie Ungeduld prägen eher die Übertragungsprozesse der passiven „Systemsprenger:innen“, während bei aktiven „Systemsprenger:innen“ Wut und der Wunsch nach Distanz oder Beendigung der Massnahme auftreten. Die unterschiedlichen Formen der Gegenübertragung liegen im Spannungsfeld von Nähe und Distanz, das der Pädagogik immanent ist und eine fachliche Anforderung an Professionalität stellt. Die „zyklische Bewegung von Zerfall und Wiederherstellung einer pädagogischen Nähe-Distanz-Regulation“ (Dörr 2019, 10) kann als besonders Stress auslösend erlebt werden (Poulsen 2016). Beide Formen der Gestaltung von Nähe und Distanz können als Reinszenierung von „Reproduktion unbewältigter Lebensgeschichte“ (Gerspach 2009, 118), und zwar von unausgewogenen Verhältnissen zwischen Nähe und Distanz in den ersten Beziehungserfahrungen, verstanden werden.

Der Wunsch nach Distanzierung in der Arbeit mit aktiven „Systemsprenger:innen“ resultiert oftmals aus Grenzüberschreitungen und Kränkungen. Aus einer psychodynamischen Perspektive kann dieses Erleben Hinweise auf eine konkordante Gegenübertragungsdynamik geben. Bei der konkordanten Gegenübertragung identifiziert sich die Fachperson mit den inneren Selbstanteilen des jungen Menschen, sie fühlt sich also gewissermassen so, wie sich der junge Mensch selbst in frühen Beziehungserfahrungen, aber auch in anderen Beziehungen erlebt(e): Gekränkt, ohnmächtig, Übergriffigkeiten ausgeliefert, während der junge Mensch selbst sich in einer aktiv-kontrollierenden Situation erlebt (Racker 1982). Es kommt also „zu einem Rollentausch. Wir [die Fachpersonen; Anmerkungen d. Verf.] erleben uns wie das Kind, das Kind erlebt sich wie seine frühere Beziehungsperson“ (Gerspach 2018, 114).

Passive „Systemsprenger:innen“ zeigen in ihrem Verhalten eher Autonomiebestrebungen, gehen auf Distanz, um die konflikthaften Wünsche nach Versorgung abgewehrt zu halten und die Beziehung nicht durch eigene, als übermächtig und zerstörerisch fantasierte Aggressionen zu gefährden. Ängstliche Jugendliche zeigen in ihrem Verhalten gerade keine Autonomiebestrebungen bzw. eine Abwehr der Autonomieentwicklung, sie zeigen sich als „rückzüglich“ im Sinne von Vermeidung und sozialem Rückzug. Angststörungen gehören zu den häufigsten psychischen Störungen im Kindes- und Jugendalter (Ford et al. 2003; Canino et al. 2004; Merkiangas et al. 2010).

Das Herstellen von Nähe wird zur Herausforderung der pädagogischen Arbeit. Besorgnis oder Desinteresse können als zwei sich mitunter rasch abwechselnde Pole in der Gegenübertragung auftreten. Hier gibt es eher Hinweise auf eine komplementäre Gegenübertragung, bei der sich die Fachperson so erlebt, wie der junge Mensch seine primären Bezugspersonen erlebt(e), also ambivalent zugewandt oder distanziert-desinteressiert (Racker 1982). Die physische und psychische Isolation der jungen Menschen wirkt einer unbewusst als verletzend, misshandelnd, missachtenden fantasierten Auseinandersetzung mit dem Gegenüber entgegen, sie verhindert Trennungsängste und Bindungswünsche (Gerspach 2018, 131). Was Gerspach für Kinder und Jugendliche mit autistischen Störungen schreibt, kann teilweise auch zum Verstehen der intensiven Isolation und Verweigerung gegenüber dem System, das bei passiven „Systemsprenger:innen“ zu beobachten ist, beitragen. Unter Bezugnahme auf Tustin (2005) beschreibt er, dass „Schneckenhauskinder“ sich von der objektiven, bedrohlich erscheinenden Welt (damit können Fachpersonen, aber auch Institutionen, ja gar ganze Systeme gemeint sein) zurückziehen, um in einer vermeintlich in ihrer Kontrolle stehenden inneren Welt der Empfindungen Orientierung zu finden.

Rückzug und Verweigerung können weiterhin auch als unbewusste Trauerreaktion auf ein versagendes Gegenüber erklärt werden. Der unbewusste Wunsch oder die „phantastische Illusion“ (Feuling 2021, 931) einer grenzenlos versorgenden Institution mit unendlich guten Fachpersonen gleicht der „goldenen Fantasie“ (Cohen 2017). Der Umgang mit der goldenen Fantasie, die sowohl die jungen Menschen als auch die Fachkräfte in die Beziehung einbringen, gestaltet sich laut Cohen (2017) in unterschiedlichen Stadien. Dem Wunsch nach vollkommener Befriedigung wird zu Beginn einer Massnahme als Versuch, eine Arbeitsbeziehung zu etablieren, nachgekommen. Der hoffnungsvolle Beginn ist von Idealisierung geprägt, wodurch den Jugendlichen die Versagung der eigenen Eltern bewusster wird, bei den Fachpersonen zugleich durch das Versorgen eine Bedürfnisbefriedigung eintritt. Es können Fantasien auftreten, den jungen Menschen retten zu wollen und zu können, ihr oder ihm erstmals eine „echte, heilsame, hilfreiche und professionelle pädagogische Beziehung“ (Cohen 2017) anbieten zu können, was anderen bisher misslang. Die Eltern der Jugendlichen werden unbewusst als schlecht und falsch bewertet. Enttäuschungen werden in diesem Stadium geleugnet, bis sie zu Ent-Täuschungen und damit zu Frustrationen auf beiden Seiten werden. Die Jugendlichen wenden sich innerlich wieder ihren Eltern zu, während die Fachkräfte als versagend und damit böse wahrgenommen werden. Dies wiederum löst bei den Fachkräften ebenfalls Enttäuschung und Verzweiflung aus, auch sie wenden sich ab und die Erwartungen der jungen Menschen werden erneut erfüllt.

Das systemsprengende Momentum in der Dynamik zwischen System, Fachkräften und passiven „Systemsprenger:innen“ liegt also darin, dass Bildungs-, Beziehungs- und Erziehungsanstrengungen aufgrund von massivem Rückzug, Isolation und Passivität, Depressivität oder Somatisierung enorm beeinträchtigt oder gar verunmöglicht werden. Der Anlass der Zusammenarbeit konterkariert damit das Ziel der Zusammenarbeit. Die Symptomatiken führen zu Förderangeboten, behindern jedoch zugleich die Wirkung des Förderangebots, das ein zumindest minimales In-Beziehung-Treten verlangt. Mit welchen Konzepten kann Pädagogik diesen Dynamiken begegnen?

3. Passive „Systemsprenger:innen“ im Feld erzieherischer Hilfen

Praxisorte der Psychoanalytischen Pädagogik, an denen passive „Systemsprenger:innen“ inkludiert werden, gibt es, wie schon erwähnt, beispielsweise in Rottenburg und in Calw. Statt einem isolierten „perfekten Allround-Paket“ in einer einzelnen Einrichtung wird dort in enger Kooperation mit unterschiedlichsten Orten das „Fort und Da, das Hin und Her zwischen den Orten und Menschen“ (Feuling 2021, 919) für die jungen Menschen möglich. Hier können passive „Systemsprenger:innen“ aus ihrer Beziehungsgestaltung der physischen Isolation heraus und durch den Mangel, den die einzelnen Systeme repräsentieren, ihr eigenes Begehren entdecken. Die sich in der Entwicklung befindlichen inneren Orte werden in einer nach aussen gerichteten Jugendhilfe repräsentiert: Die Orte und dortigen Begegnungsformen sollten vier Formen erfüllen: wenig strukturierte Orte des Alltags, Orte des strukturierten Arbeitens und Lernens, psychotherapeutische und einzelpädagogische Orte sowie „Orte der Geheimnisse“, womit Begegnungen mit Orten und Menschen gemeint sind, die nicht in der Planbarkeit und Kontrolle der einzelnen Institution liegen (Feuling 2019, 59). Die pädagogisch-therapeutische Arbeit wird nach diesem Konzept aufgeteilt auf diese unterschiedlichen Orte, die von sehr unterschiedlich gearteten Institutionen repräsentiert werden. Die jungen Menschen erhalten demnach bspw. stundenweise Angebote einer Erziehungsbeistandschaft, die Alltagsbetreuung erfolgt durch betreutes Wohnen, eine andere Institution bietet wöchentlich erlebnispädagogische Einzelstunden an, es werden Angebote von Jugend-Streetwork unterbreitet und in der Kinder- und Jugendpsychiatrie können die jungen Menschen nach Bedarf eine gewisse Anzahl an Tagen eines Monats den dortigen sicheren Rahmen in Anspruch nehmen. Ausserdem können sie Kontakt zu Fachpersonen aus Einrichtungen, in denen sie bereits zu einem anderen Zeitpunkt untergebracht waren, halten. Der gemeinsame Nenner bleibt eine wöchentlich stattfindende Fallbesprechung, bei der die „Fallfäden“ gleichsam zusammengeführt werden (Feuling 2021). Es gibt also keine festen institutionellen Grenzen, keine sich gegenseitig zu delegierende Verantwortung, sondern die Systemgrenzen werden gesprengt. Angebote werden flexibel, partizipativ, zwanglos und ohne feste Gruppenzugehörigkeit gestaltet, da unflexible Angebote mit festen Institutionsgrenzen eben innerpsychisch häufig nicht erträglich sind und daher in Form von Verweigerung von den passiven „Systemsprenger:innen“ gesprengt werden. Es gilt, dass die pädagogische Institution sich in einer verarbeitungsfördernden Form aktiv selbst „sprengt“, um nicht von einer oder einem „Systemsprenger:in“ gesprengt zu werden (Feuling 2021, 929).

Diese Gestaltungsform der erzieherischen Hilfe entspricht dem inneren Konflikthaften passiver „Systemsprenger:innen“, denn starre System- und Hilfsstrukturen rufen die durch physische sowie psychische Isolation und Verweigerung inszenierten unbewussten Trennungsängste und abgewehrten Bindungswünsche auf den Plan. Gesprengte Systemgrenzen sind weniger ängstigend und symbolisieren ein Mentalisieren der hinter den Symptomatiken liegenden Ängste, denn über die Aufteilung von Präsenz und Absenz sowie der Übertragungen auf unterschiedliche Institutionen und Personen wird ein Zuviel an Nähe verhindert, das für „Systemsprenger:innen“ zu ängstigend sein und deshalb zu Spaltung und Verweigerung führen kann. Diese Dynamik der Spaltung und Verweigerung durch ein Zuviel an Nähe kann sich auch im Team als Abbild der inneren Konflikte der jungen Menschen zeigen und zu Kündigungen, Burnout-Symptomatiken (Steinlin et al. 2016) oder heftigen Konflikten im Team führen. Die gezielte und von Anbeginn bestehende Sprengung der institutionellen Grenzen mildert die Virulenz der „goldenen Fantasie“ (Cohen 2017) ab, denn die Hilfsstruktur ist durch fluide Gestaltung von „innen“ und „außen“ von „nah“ und „fern“ von „Versorgung“ und „Versagung“ auf Triangulierung ausgelegt – die Gesetzmässigkeiten der Aussenwelt sind hier eben nicht bedeutungslos (Ahrbeck 2013, 62), sondern innerlich und äusserlich Struktur konstituierend. Für Feuling ist die Versagung im Mehrinstitutionensetting geboten, „weil erfahrungsgemäß die Anerkennung der Beschränkung der eigenen Macht nur über den Umweg der Wahrnehmung und Anerkennung der Nicht-Omnipotenz und Nicht-Willkürlichkeit des Anderen, also von uns Betreuern und der Institution führen kann“ (2021, 932).

Es klingt zunächst wie ein Paradoxon: Die jungen Menschen reinszenieren ihre frühen Erfahrungen der Entbehrung in der pädagogischen Beziehung und die pädagogische Antwort darauf soll eine Entbehrung sein. Die internalisierende, rückzüglich-isolierende und verweigernde Symptomatik passiver „Systemsprenger:innen“ wird als „Selbstheilungsversuch“ von dem Fantasma eines unendlich guten und grenzenlos versorgenden Gegenübers verstanden. Die partielle Versagung kann den Wiederholungszwang von grenzenlosen Ansprüchen und Beziehungsabbruch bei Versagung auflösen, indem Beziehungserfahrungen mit hinreichend gut versorgenden Fachpersonen internalisiert werden. Konkret bedeutet dies, dass nicht die möglichst umfassende Erfüllung der Wünsche und Ansprüche der Jugendlichen im Zentrum der pädagogischen Arbeit steht, sondern auch das Versagen zuzumuten und dabei die pädagogische Beziehung aufrechtzuerhalten. Es gilt für passive „Systemsprenger:innen“, neben dem Sprechen durch ganz verschiedene Formen und Settings eine pädagogische Beziehung aufzubauen. Das reflektierte Beziehungsangebot kann zu einer Entwicklung beitragen, „die das heftige Agieren und das immerwährende Wiederholen der erlebten Kindheitstraumata in andere Formen des Umgangs, zu anderen Abwehrformen führen“ (Künstler 2021, 938).

Über das gemeinsame Tun (z. B. beim gemeinsamen Einkauf, bei Handwerksarbeiten, dem Kochen oder Outdoor-Aktivitäten) wird ein Miteinander-Sprechen ohne Sprache möglich, es dockt an das vorsprachliche Agieren des Jugendlichen an, ohne zu überfordern (Künstler 2021). Dem gemeinsamen Tun ist zudem etwas Triangulierendes inhärent, das die Förderung der seelischen Strukturen bewirkt. Das gemeinsame Tun kann als etwas „Drittes“ den „klassischen Dualismus auf[sprengen] und zwar nicht bloß den von Leib und Seelen, sondern von Selbst (oder Subjekt) und Objekt“ (Altmeyer 2005, 43), der für die jungen Menschen derart bedrohlich ist, dass sie sich aus der Beziehung zurückziehen respektive sich nicht darauf einlassen. Dieses Dritte, das gemeinsame Tun, aber auch die unterschiedlichen Institutionen, Personen und Orte, die im Konzept der gesprengten Institution Kontaktmöglichkeiten für die jungen Menschen bieten, hat eine Sprengkraft, die, so Altmeyer weiter, bewirkt, „dass nicht nur die vertrauten Alltagsvorstellungen von der Seele ‚da drinnen‘ und der Welt ‚dort draussen‘, sondern auch unsere psychoanalytischen Intuitionen durcheinander geraten“ (2005, 43).

4. Resümee und Ausblick

Der Beitrag konnte zeigen, dass es neben aktiven „Systemsprenger:innen“, die durch lautes, störendes, irritierendes, und die persönlichen und systemischen Grenzen verletzendes Verhalten auffallen, auch passive „Systemsprenger:innen“ gibt. Das System wird hier dadurch gesprengt, dass eine progressive Passung in der Trias (1.) von institutionell-fachlichen Strukturen, (2.) Beziehungs- und Bildungsanlässen aufgrund (3.) der symptomatischen Auffälligkeiten des jungen Menschen wie Rückzug, Isolation, Passivität und gegen das Selbst gerichtete Aggression gar nicht erst zustande kommen kann. Der Umstand, dass passive „Systemsprenger:innen“ weniger stören und verstören, dass die Übertragungsdynamik aus der Perspektive der Fachpersonen als weniger belastend und die Reichweite der Nichterreichbarkeit erst peu à peu sichtbar wird, trägt zur Sprengungsdynamik bei. Jedoch haben z. B. Rückzug oder Passivität durch das Infragestellen der Spielregeln pädagogischer Institutionen, welche das Anreizsystem der Gesellschaft determinieren, sowohl auf Ebene der Organisation als auch auf Ebene der Fachpersonen durchaus ein sprengendes Potenzial für das Erziehungssystem.

Nun könnte man einwenden, dass unser Votum für räumliche Triangulierung unzulässigerweise ein Modell intrapsychischer Dezentrierung auf ein institutionelles Gefüge überträgt. Jedoch sei darauf hingewiesen, dass die Beeinflussung der Psyche durch Gestaltung von physischen Orten wesentlich in der Geschichte der Psychoanalytischen Pädagogik berücksichtigt wurde. Es war Bernfeld, der mit dem Kinderheim Baumgarten bei Wien einen sozialen Ort schuf, der sich positiv auf die psychische Strukturierung von Kindern und Jugendlichen auswirkte (Barth 2010). Auch das Maison Verte in Paris, einem u. a. von Dolto 1979 gegründeten Begegnungstreff für kleine Kinder und ihre Begleitpersonen in Paris, versucht durch architektonische Mittel, triangulierende Räume zu eröffnen. Die 1969 gegründete inklusive École Expérimentale de Bonneuil-sur-Marne und die seit 1990 in Rottenburg bestehende Wohngruppe Hagenwört des Vereins für Psychoanalytische Sozialarbeit, welcher sich explizit auf das Konzept von Mannoni bezieht (Fuchs et al. 1993), stehen in eben dieser Tradition.

Passive „Systemsprenger:innen“ verweigern sich den Anforderungen der Gesellschaft und der Pädagog:innen, wodurch die Sinnsysteme der Gesellschaft hinterfragt, ja gesprengt werden (Feuling 2018, 90). In diesem Sinne können passive „Systemsprenger:innen“ verstanden werden als rückzügliche Symptomträger:innen von gesellschaftlichen Antinomien, die durch die pädagogische Arbeit nicht zu überwinden sind. Man könnte auch kritisch fragen, ob die fürsorgepädagogische Legitimation der Jugendhilfe, welche die individuelle Abweichung von Kindern und Jugendlichen als Problemdiskurs produziert, nicht auf die Sorge vor einer Destabilisierung gesellschaftlicher Institutionen zurückgeführt werden kann (Peters 2020, 115).

Die Symptome der Kinder und Jugendlichen sind somit „eingebettet in einen kollektiven Diskurs“ (Mannoni 1987, 19) – diesen Diskurs gilt es als pädagogische Fachperson zu analysieren, um einen Zugang zum Leid des Kindes zu erhalten. Genauer kann das Gewahrwerden des Zusammenhangs von gesellschaftlichen Antinomien mit den eigenen Symptomen der oder dem Jugendlichen einen neuen Zugang zu seinen innerseelischen Themen ermöglichen. Psychoanalytisch arbeitende Fachpersonen unterstützen die jungen Menschen dabei, ihre Wahrheit zu finden (Feuling 1994). Für die pädagogische Praxis gilt nach Staigle, dass man „alltäglich mit einem scheinbaren Widerspruch [arbeitet]: In unserer Sozialarbeit orientieren wir uns an Zielen, geben diese auch an. In unserer Reflexionshaltung versuchen wir, unseren Klienten keine Ziele aufzudrängen, wollen uns an ihrer ‚subjektiven Wahrheit‘ orientieren“ (2005, 10).

Feuling (2018, 90) postuliert, dass pädagogische Institutionen sich selbst aktiv sprengen müssen, um nicht gesprengt zu werden. Diese Hypothese wird erst aus der Perspektive des Konzepts der gesprengten Institution von Mannoni plausibel. Eine gesprengte Institution impliziert die „Öffnung eines Lebensortes gegenüber der Außenwelt“ (Mannoni 1978, 237), es soll Breschen aller Art für das Subjekt geben (Mannoni 1976, 77). Die Institution ist primär ein Ort des Rückzugs, der wesentliche Teil des Lebens soll sich aber woanders abspielen (Mannoni 1976, 77). Im Rahmen dieses Beitrags kann nicht geklärt werden, ob das Dispositiv der gesprengten Institution davor bewahren kann, dass passive „Systemsprenger:innen“ die sozialen Hilfesysteme sprengen, dieses verbleibt ein Desiderat der Forschung.

Folgende mögliche Problembereiche beim Konzept der gesprengten Institution sind jedoch zu skizzieren. Besteht erstens nicht die Gefahr, diese Konzeption „kostenreduzierend“ umzusetzen? Man könnte hiermit für eine Abschaffung der pädagogischen Vollinstitution und Rundumbetreuung plädieren und zu mehr Eigeninitiative auffordern. Damit näherte sich die Konzeption der gesprengten Institution dem neoliberalen Konzept der „Aktivierung“ (Bröckling 2007) an, welches in letzter Konsequenz nicht die Subjektwerdung unterstützt, sondern eine „neoliberale Domestizierung des Subjekts“ (Michalitsch 2006) anstrebt. Diese Lesart von einer gesprengten Institution verkennt aber das subversive Potenzial des Konzepts der gesprengten Institution. Das Ziel der Erziehung nach Mannoni ist nämlich, dass Kinder und Jugendliche, ohne pathologisiert zu werden, sagen können: „Ihr habt euch geirrt, wir wollen eure Welt nicht“ (1987, 240). Die Kinder und Jugendlichen sollen ihr eigenes Begehren entdecken und in produktiver Weise umsetzen. Zweitens ist zu konstatieren, dass bei vielen sogenannten Multiproblemfällen als weiteres Problem die ausufernde Zahl der Helfer:innen dazu kommt. Auch das Konzept der gesprengten Institution fördert in gewisser Hinsicht ein solches Helfer:innensystem, in dem neben Fachpersonen auch Gastfamilien und Lehrbetriebe von ausserhalb einbezogen werden. Aus bindungstheoretischer Perspektive ist eben dieses zu kritisieren, da durch die Durchlässigkeit des Ortes bzw. den häufigen Wechsel von Betreuungspersonen sichere Bindungen zu den Bezugspersonen erschwert werden (Hédervári-Heller 2012, 62). Jedoch fusst das Konzept der gesprengten Institution nicht auf der Bindungstheorie, sondern auf der strukturalen Psychoanalyse und dem Konzept der Triangulierung. Hier steht vermehrt der Austritt aus dyadischen Beziehungen im Vordergrund. Aus dieser Perspektive ermöglichen die verschiedenen Erwachsenen dem Kind immer wieder, sein eigenes Begehren zu entwickeln, indem es sich an dem Begehren der verschiedenen Erwachsenen orientieren kann. Für Mannoni ist nicht der Mangel an mütterlicher Liebe für die Ätiologie von vielen psychischen Auffälligkeiten bei Kindern zentral, sondern sie sieht den Verbleib in der Mutter-Kind-Dyade (oder in anderen Dyaden) als das wesentliche Problem, weswegen die gesprengte Institution auch durch die Öffnung nach aussen eine triangulierende Wirkung für die Kinder evozieren soll.

Begreift man „Systemsprenger:innen“ in der Jugendhilfe als junge Menschen, auf die die pädagogischen Institutionen keine Antwort wissen, dann kann man von einem „Ausgerastet-Werden“ sprechen, „welches erst durch Spezialisierungstendenzen innerhalb der Kinder- und Jugendhilfe möglich wird“ (Engelbracht 2021, 144). Könnte die gesprengte Institution hingegen dieser Spezialisierungstendenz entgegenwirken, indem sie subjektorientierte Angebote macht, die nicht zur Folge haben, dass es eine „geeignetere“ Einrichtung geben möge? Wäre die gesprengte Institution möglicherweise eine pädagogische Antwort auf passive „Systemsprenger:innen“, weil sie eine „individuelle Settingkonstruktion“ (Günter/Bruns 2010, 115) erlaubt, die nach einem ausführlichen Verstehensprozess flexibel an die innere Dynamik der jungen Menschen angepasst werden kann? Und ist es so, dass, indem die Grenzen des Systems aufgeweicht werden, diese weniger sprengungsanfällig sind? Diese Fragen möchte unsere Forschungsgruppe in einem künftigen Beitrag klären.

Die Schwierigkeit im Umgang mit passiven „Systemsprenger:innen“ besteht darin, einen ethisch verantwortlichen Weg zu finden, ihnen professionelle Räume für ihre Ängste und inneren Nöte zu geben (Hoanzl 2017). Ein solcher Weg geht einher mit einem „institutionell abgesicherten und getragenen Akzeptieren von Grenzen pädagogischer Belastbarkeit und Machbarkeit, d. h. der auch institutionell abgesicherte Verzicht auf pädagogische Illusionen“ (Trescher 1993, 187). Die Grenzen der pädagogischen Arbeit scheinen u. a. konstituiert durch den weiterhin zunehmenden Kostendruck im Zuge der Ökonomisierung sozialer Hilfen. Die prekäre Ausstattung bestehender Institutionen sowie die zunehmende Orientierung an verhaltensmodifizierenden Ansätzen in der Jugendhilfe, der Kinder- und Jugendpsychiatrie und im Bildungswesen erschweren Kooperationen, die nach psychoanalytischen Konzepten arbeiten, weil sie dem Verstehen von unbewusst inszenierten Ängsten und inneren Nöten kaum eine Bedeutung beimessen und so auch die Logiken gesprengter Institutionen kaum Zuspruch finden. Es braucht Leitungspersonen in Jugendämtern, Schulen und ausserschulischen Einrichtungen, die für ein solches Arbeiten offen sind und die das hohe Mass an Flexibilität mitzutragen bereit sind, und auf individueller Ebene Fachpersonen, die aushalten können, dass sie nicht immer priorisiert „gebraucht“ werden, sondern zeitweise für den jungen Menschen keine Anlaufstelle sind. Ein Umstand, der vor dem Hintergrund, dass sich die Fachpersonen für helfende Berufe, also solche, in denen man gebraucht wird und gebraucht werden möchte, anspruchsvoll ist, weil mindestens unbewusst immer auch Rettungsfantasien bestehen können. Es bleibt daher zu untersuchen, welche Professionalisierungsbedürftigkeit in Situationen der Nichterreichbarkeit im Allgemeinen und für eine Arbeit in gesprengten Institutionen im Speziellen besteht.

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[1] Der vorliegende Beitrag lehnt sich an die von Baumann vorgeschlagene Schreibweise an, verwendet jedoch anstelle von einfachen Anführungszeichen doppelte Anführungszeichen: „Systemsprenger:innen“. Dies aus dem Grund, da einfache Anführungszeichen gewöhnlich nur innerhalb von Zitaten in wissenschaftlichen Texten verwendet werden.
[2] Übertragungsprozesse sind abhängig von der psychischen Ontogenese der jungen Menschen (Racker 1982; Gerspach 2018) und dennoch manifestieren sich immer wieder ähnliche Tendenzen, die hier aufgezeigt, aber nicht als Zuschreibungen mit Anspruch auf Absolutheit missverstanden werden sollen. Die Dynamiken, die sich bei aktiven und passiven „Systemsprenger:innen“ partiell unterscheiden mögen, werden über die intrapsychischen Verarbeitungsprozesse verstehbar, die sich interpsychisch, also interaktionell, sehr unterschiedlich ausdrücken, wenngleich sie womöglich ähnliche biographische Ursprünge haben mögen.