EINE STIMME FÜR STIMMLOSE? ZUM VERHÄLTNIS VON WISSENSCHAFT UND POLITISCHER TEILHABE IN DER FRIDAYS FOR FUTURE-BEWEGUNG DEUTSCHLAND

Jana Posmek und Pascal Bastian

1. Einleitung

Die Fridays for Future (FFF)-Bewegung rückt Kinder und Jugendliche als politische Akteur*innen in den Blick. Eine solche Bewegung, die gesellschaftliche und politische Transformationsprozesse anmahnt, wirkt auch nach innen transformierend: Die wenigen Forschungen verweisen auf das Potential einer politischen Sozialisation oder gar politischen Selbstermächtigung (Holz et al. 2021, 126) durch die Teilnahme an der Bewegung oder betonen das sich dort vollziehende (wissenschaftsbasierte) Lernen (Francesconi et al. 2021). Hurrelmann und Albrecht (2020a, 231 f.; 2020b, 120 f.) sprechen gar von einer besonderen, faktenbasierten Argumentations-, Denk- und Sprechweise dieser „Generation Greta“. So betont und priorisiert FFF von Anbeginn ihres Entstehens die Notwendigkeit, (natur-)wissenschaftliche Kenntnisse und Warnungen in Bezug auf den Klimawandel nicht nur zur Kenntnis zu nehmen, sondern als ernstzunehmende Entscheidungsgrundlage für gesellschaftliche Transformation zu nutzen (Fridays for Future Deutschland 2021).

Daran anknüpfend ist unsere qualitative Datenanalyse von der Fragestellung geleitet, welche Rolle der Wissenschaft für die jungen Aktivist*innen im Protest gegen den Klimawandel zukommt bzw. wie sich diese Rolle innerhalb der Bewegung ausgestaltet. Besondere Relevanz gewinnt diese Frage, wie wir zunächst in Kapitel 2 zeigen werden, da die selbst gewählte Verknüpfung zwischen einem naturwissenschaftlichen Faktenbegriff und den politischen Forderungen für die Bewegung ein zweischneidiges Schwert darstellt: Einerseits wirkt sie nach innen identitätsstiftend und nach außen legitimierend, andererseits wird dies gleichzeitig auch als naives und szientifizierendes Handeln kritisiert.

Aufgrund unserer von Bruno Latours Arbeiten inspirierten Haltung war es uns ein Anliegen, das Zusammenspiel von Naturwissenschaft und Bewegung offen und mit einem stärker relationalen Faktenbegriff zu untersuchen. Daher erfolgt – nach der Erläuterung des Erhebungs- und Auswertungsverfahrens (Kapitel 3) – die dargelegte Analyse durch eine Entfaltung von zwei, induktiv aus dem empirischen Material rekonstruierten Kontroversen, in welche die jungen Aktivist*innen verstrickt sind. Die erste Kontroverse betrifft den Fakten- und Wissenschaftsbezug im Sprechen und Argumentieren dieser (Kapitel 4.1). Dabei nehmen wir das Bemühen um Gewissheit vermittels Wissenschaftsbezüge in den Blick, das sich in den Interviews mit jungen Protestakteur*innen offenbart. Diese Kontroverse über die Unsicherheit gesicherter Fakten nehmen wir zum Ausgangspunkt, um mithilfe von Latour die Prekarität zu verdeutlichen, welcher sich die Aktivist*innen im Ringen um Wahrheitsansprüche ausgesetzt sehen. In der zweiten von uns ausgearbeiteten Kontroverse (Kapitel 4.2) wird dies dann mit dem Kandidieren um Mitsprache junger Menschen in Bezug gesetzt. Hier zeigt sich, dass das Ringen um Wahrheit ein Vehikel darstellt, um nicht nur die Jugendlichen selbst, sondern auch nicht-menschliche Akteur*innen, die durch die Wissenschaft produziert werden, wie Klimawandel oder CO2, politisch zu ermächtigen und ihnen eine Stimme zu geben. Im abschließenden Fazit werden diese beiden Kontroversen noch einmal pointiert zusammengefasst und der Mehrwert einer von Latour inspirierten Perspektive für die Analyse wird diskutiert.

2. Zum Verhältnis von FFF und Wissenschaft im Spiegel von Theorie und Forschung

Die Berufung der FFF auf (natur-)wissenschaftliche Erkenntnisse konstituiert von Beginn an ein zentrales Element der offiziellen Rhetorik bzw. des Framings der Bewegung. Es überrascht daher wenig, dass Protestbefragungen zu dem Ergebnis kommen, dass die Demonstrierenden großes Vertrauen in die Lösungskompetenz der Wissenschaft haben, was Umweltprobleme betrifft (Wahlström et al. 2019, 17; de Moor et al. 2020, 26–31). In Deutschland liegt dieses Vertrauen bei über 50 Prozent der Protestteilnehmenden (Haunss et al. 2019, 79; Sommer et al. 2019, 17; Sommer et al. 2020, 37). Im Zeitverlauf von März bis September 2019 zeichnet sich außerdem eine Zunahme der Anzahl jugendlicher Teilnehmenden ab, welche angaben, die Regierung müsse den Aussagen der Klimawissenschaftler*innen Folge leisten (Neuber/Gardner 2020, 136). Die Wissenschaftsorientierung, das faktenbasierte, sachliche Argumentieren und der evidenzbasierte Aktivismus der Bewegung werden außerdem als zentrale, besondere – und im Vergleich zu anderen (Umwelt-)Bewegungen seltenes – Merkmale herausgestellt (de Moor et al. 2020, 26; Hurrelmann/Albrecht 2020a, 231 f.; Sommer et al. 2020, 37), welche die FFF in die Lage versetzen, kollektive Identität und Handlungsfähigkeit zu gewinnen (Francesconi et al. 2021; Rödder/Pavenstädt 2022). Auch werden sie als Kern des Mobilisierungserfolgs von FFF bewertet – u. a. da die Bewegung somit das Argument der vermeintlich mangelnden Expertise junger Menschen entkräftet (von Wehrden et al. 2019, 308; Rucht/Rink 2020, 104; Sommer/Haunss 2020, 244; Sommer et al. 2020, 61; Francesconi et al. 2021, 6).

Zu diesem Erfolg hat auch die im März 2019 veröffentlichte Stellungnahme beigetragen, in welcher 26.800 deutschsprachige Wissenschaftler*innen den jungen Protestierenden ihre „Achtung und […] volle Unterstützung“ (Hagedorn et al. 2019, 83) zusicherten. Mit Scientists for Future (SFF) entstand ein starker, autarker Bündnispartner, der bis heute Aktivist*innen „für eine nachhaltige Zukunft“ (SFF 2019, o. S.) berät. Die wissenschaftliche Community wird als wichtige Ressource und „solides Fundament“ (von Wehrden et al. 2019, 309) der Bewegung betrachtet, die diese nicht nur mit dem nötigen Fachwissen ausstatte und sie in der Multiplikation unterstütze, sondern auch Glaubwürdigkeit, Plausibilität und Sichtbarkeit gewähre (Daniel et al. 2020, 374; Francesconi et al. 2021, 4; Kern/Opitz 2021, 254 f.; Rödder/Pavenstädt 2022, 8 f.; Rucht/Rink 2020, 104).

Neben der Relevanz der Zusammenarbeit betonen Vertreter*innen von SFF die Notwendigkeit, FFF nicht durch das von Erwachsenen etablierte Bündnis in den Hintergrund zu drängen oder zu vereinnahmen (Hagedorn et al. 2019, 83), sondern vielmehr zu empowern (Fopp et al. 2021, 18 f.). Die Aktivist*innen agieren nämlich eigenständig als Sprachrohr für die Wissenschaft, indem sie sich wissenschaftliches Wissen aneignen, in gelebtes Wissen übersetzen und, etwa mittels didaktischer Instrumente, aktiv in die Gesellschaft überführen bzw. publik machen (Francesconi et al. 2021, 8; Steinmann 2021, 4).

Die Faktenbasierung der Bewegung wird allerdings auch kritisch betrachtet. So weisen Hurrelmann und Albrecht etwa auf die grundlegende Notwendigkeit der Relativierung von Faktenwissen hin: „So wertvoll diese Orientierung ist, es wird dabei oft übersehen, dass auch in der Wissenschaft unterschiedliche Denkschulen und Ansätze herrschen. Eine eindeutige und klare fachliche Position von einer überwältigenden Mehrheit der Wissenschaftler ist selten“ (2020b, 121).

Einem blinden, naiven Vertrauen in harte Tatsachen und allgemeine Wahrheiten sollte demnach mit Skepsis begegnet werden. Das betonen auch Rödder und Pavenstädt (2022, 6 ff.), indem sie die „(Selbst-)Beschränkung“ von FFF auf naturwissenschaftliche Evidenz dahingehend kritisieren, dass „die Wissenschaft“ als einheitliche, konsensuale Community dargestellt wird; wissenschaftliche Kontroversen würden dabei ebenso wenig adressiert wie sozialwissenschaftliche Bezüge. Evensen (2019, 428 f.) äußert mit Verweis auf konstruktivistische Ansichten noch deutlichere Kritik an der Verwissenschaftlichung („scientization“) der Bewegung:

Scholars in the field of science and technology studies have argued for decades that instead of science providing a single objective answer, the scientific process generates numerous socially-constructed truths that are products of the questions asked, the people doing the science, values of funding organisations and epistemological commitments about methodological appropriateness.

Er macht der Bewegung nicht nur zum Vorwurf, dass wissenschaftliche Zusammenhänge als objektive, unbestreitbare Tatsachen dargestellt werden; vielmehr vertritt er den Standpunkt, dass die (Natur-)Wissenschaft nicht als Ausgangspunkt für normative, ethische Entscheidungen und politisches Handeln dienen könne (Evensen 2019, 428 f.).

Damit einhergehende erwachsenenzentrierte Adressierungen der Aktivist*innen als unkritische oder naive junge Menschen (Bowman 2019, 296; Francesconi et al. 2021, 6) sind selbst wiederum Thema wissenschaftlicher Beiträge. So arbeiten von Lucke (2019) und Meade (2020) die Delegitimierungen heraus, die Greta Thunberg und den jungen Aktivist*innen im öffentlichen Diskurs 2018/19 entgegengebracht wurden. Ersterer umschreibt dies als „Protest gegen den Protest“ (von Lucke 2019, 92), der von Anfang an die laute Befürwortung der Bewegung flankierte (Greenwell 2020, 14). Die identifizierte degradierende, disqualifizierende und „adultistische Wahrnehmung, Darstellung und Behandlung der Protestakteur*innen“ (Meade 2020, 86) reicht den Autoren gemäß von paternalistischen Aussagen über Infantilisierung und Pathologisierung bis hin zur stigmatisierenden Zuschreibung jugendlicher Naivität und Inkompetenz. Hierzu zählt auch die Disqualifizierung der Jugendlichen als legitime Streiksubjekte aufgrund vermeintlich fehlenden Fachwissens und Expertise (Meade 2020, 97).

Der Überblick über bestehende wissenschaftliche Beiträge und Studien zeigt auf, dass der (Natur-)Wissenschaftsbezug bzw. das gelebte Bündnis mit Wissenschaftler*innen FFF auszeichnet. Dieses Verhältnis zwischen FFF und den (Natur-)Wissenschaften wird zwar kritisch diskutiert; bis heute jedoch nur vereinzelt oder punktuell empirisch beforscht (Francesconi et al. 2021, 9; Rödder/Pavenstädt 2022, 1). Dabei wird einerseits die Beziehung zwischen FFF und SFF unter dem Aspekt beleuchtet, dass die Wissenschaft FFF als Ressource und Verbündete dient und umgekehrt die Aktivist*innen als Übersetzende und Sprachrohre der Wissenschaft fungieren. Andererseits gerät die empirisch sich verdeutlichende Evidenz- und Faktenbasierung der jungen Aktivist*innen in den Blick. Hierbei offenbart und spiegelt die Literatureinsicht ein deutliches Spannungsverhältnis zwischen der als erfolgreich und strategisch sinnhaft bewerteten Wissenschaftsorientierung einerseits und der Warnung vor einer blinden Wissenschaftsgläubigkeit der Aktivist*innen andererseits. An eben diesem spannungsgeladenen Verhältnis setzt der vorliegende Artikel an, indem er dieses aus einer empirischen Binnenperspektive analysiert. Dabei fokussiert die Untersuchung bewegungsinterne Interaktionssituationen, in welchen das Spannungsverhältnis von Wissenschaftsorientierung und -gläubigkeit ebenso ausgedrückt, thematisiert und verhandelt wird wie das Bündnis FFF-Bewegung mit Akteur*innen aus den (Natur-)Wissenschaften.

3. Erhebungs- und Auswertungsverfahren

Der vorliegende Beitrag ist in einem ethnographischen Promotionsprojekt verortet, dessen Gegenstand FFF Deutschland bildet. Die Datenmaterialien, erhoben in den Jahren 2019 bis 2021, umfassen primär problemzentrierte Interviews mit jungen Aktivist*innen und zahlreiche deutschlandweit geführte teilnehmende Beobachtungen auf Streiks sowie in Plena diverser FFF-Ortsgruppen. Daneben wurde zusammengetragen, was das Feld darbot: Etwa wurden punktuell Telegram-Verläufe beobachtet, Artefakte wie bspw. Flyer oder Mobi-Material gesammelt und informelle Gespräche geführt. Um Offenheit gegenüber der Eigenlogik des Felds zu wahren, ist der ethnographische Erhebungsprozess bewusst explorativ und „überraschungsoffen“ (Breidenstein et al. 2015, 39) gestaltet und konkretisiert sich erst allmählich im Laufe des zirkulären Prozesses von Datenerhebung, -auswertung und Theoretisierung. Die Auswertung des so entstandenen breiten Datenkorpus erfolgt gegenstandsorientiert mittels des Codier- und Memoprozesses der Grounded Theory (Corbin/Strauss 2015) sowie der Mapping-Verfahren der Situationsanalyse (Clarke 2012; Clarke et al. 2018).

Im Zuge des zirkulären Analyseprozesses, der v. a. von offenen Codes, Messy Maps und Memos inspiriert wurde, kristallisierte sich u. a. ein zentrales Thema heraus, welches uns im Datenmaterial immer wieder begegnete: Die Relevanz, die vonseiten der feldteilnehmenden diversen Akteur*innen aus dem Feld der Wissenschaft und Forschung zugesprochen wird. Derlei Akteur*innen und Elemente wie etwa Fakten, Studien, Fachwissen, Forscher*innen, Institutionen, Expert*innen sind in den Daten omnipräsent. Dies scheint zunächst wenig überraschend für eine Bewegung, die sich explizit als wissenschaftsbasiert präsentiert. Ebendiese Erwartungskonformität bzw. Offensichtlichkeit nahmen wir zum Anlass einer befremdenden Analyse (Breidenstein et al. 2015, 121), was uns zu zahlreichen ungelösten Fragen führte: Wie kommt es eigentlich, dass die Wissenschaft eine derart große Rolle für die Bewegung und ihre Teilnehmenden spielt? Was kennzeichnet die FFF im Vergleich zu anderen Interessensgruppen, die nicht auf die Wissenschaft zurückgreifen (müssen), um ihr Anliegen glaubhaft zu machen? Mit diesem Verstehensproblem war ein sich immer wieder im Feld und der Analyse aufdrängendes Überraschungsmoment verbunden: Nämlich die Beobachtung, dass außerhalb der Bewegung situierte Akteur*innen den Aktivist*innen oft mit einem kritisch nachfragenden, skeptischen, anklagenden Gestus begegnen, sobald diese auf die Wichtigkeit von Wissenschaft, Fakten oder Studien verweisen. Derlei Momente zeigten sich zum einen im Feld und wurden auch von den Aktivist*innen als krisenhafte, prekäre Situationen konstruiert; zum anderen drängte sich diese Reaktionsweise auch in diversen Fallwerkstätten und ethnographischen Supervisionen auf, etwa, wenn Begriffe wie geliehenes Wissen, Leichtgläubigkeit oder Ahnungslosigkeit fielen. Es sind eben diese Irritationen und Überraschungsmomente, die wir als analytische Ressource diesem Beitrag zugrunde legen (Breidenstein et al. 2015, 121 f., 141).

4. Entfaltung der Kontroversen, in die junge Aktivist*innen verstrickt sind

Die FFF-Bewegung präsentiert sich als ein Schauplatz von Kontroversen – als eine „Arena (Strauss 1978), in der verschiedene soziale Welten, Akteur*innen und damit Perspektiven, Verpflichtungen und Erwartungen aufeinandertreffen (Clarke 2012, 77 f.). Im Forschungsstand wurde eine feldspezifische Kontroverse, nämlich das Spannungsverhältnis in Hinblick auf die Beziehung zwischen FFF und der Wissenschaft, bereits angedeutet. Allerdings ist es wichtig, nicht im Vorfeld eine Ordnung zu schaffen oder die Widersprüchlichkeiten durch einen Blick von außen aufzulösen. Dazu verhilft uns als sensibilisierendes Konzept (Blumer 2001 [1969], 148) der in Latours Arbeiten erhobene Anspruch, „das volle Spektrum der Kontroversen, in die [die Akteure] verstrickt sind, zu entfalten“ (Latour 2017, 44). Statt von einer bestimmten Struktur auszugehen, lässt sich das Soziale aus seiner Sicht angemessener als Netzwerke begreifen, sodass ein Feld nur durch die genaue Analyse von Relationen und Verknüpfungen empirisch erschlossen werden könne. Entsprechend haben wir zwei miteinander verknüpfte Kontroversen identifiziert, die sich im empirischen Material entlang der Frage von Wissenschaft und Glaubwürdigkeit offenbaren; diese werden wir im Folgenden schreibend entfalten. Die empirischen Analysen werden dabei von uns immer wieder mit der relationalen Perspektive Latours, welche den Blick weniger auf die Akteur*innen selbst, sondern vielmehr auf deren Verbindungen im Netzwerk richtet, angereichert. Zudem verhilft dessen Begriffsrepertoire dazu, uns selbst immer wieder dem Feld gegenüber zu befremden und das empirische Material in seiner Ambivalenz zu beleuchten.

4.1 Erste Kontroverse: Die Unsicherheit gesicherter Fakten

Die erste Kontroverse, die sich aus dem Material rekonstruieren lässt, bezieht sich auf die Prekarität, die das Berufen auf wissenschaftliche Tatsachen in diesem Kontext mit sich bringt. Dies verdeutlicht bereits folgende Szene, die sich in einem Interview mit zwei 15-jährigen Aktivistinnen ereignet:

B13-1: [E]s ist halt TOTAL blöd dieses KACKklimapaket. Was soll denn das? Das […] ist so wenig Geld […] also die CO2-Steuer das ist ja NICHTS. Und die Wissenschaftler sagen ja, dass es VIEL höher sein müsste, damit hier irgendwann noch was geändert werden kann und so. Also das ist echt total bescheuert. Echt.
I: Welche Wissenschaftler? Also worauf beziehst du dich jetzt da?
B13-1: Ja also es gibt ja diese, (.) ja. Das ist jetzt ein bisschen schwierig weil ähm. (I13, Z. 415–424)[1]

Die Aktivistin vermittelt hier auf sehr emotionale Weise ihre Entrüstung über das 2019 beschlossene Klimapaket, wovon rhetorische Fragen („Was soll das denn?“) ebenso zeugen wie abwertende Formulierungen („es ist halt TOTAL blöd“) und Vergleichen („das ist ja NICHTS“), die ihre Entrüstung transportieren. Diese Position untermauert sie mit dem unspezifischen Verweis auf „die Wissenschaftler“ und deren Einschätzungen. Diese fungieren als argumentative Stütze – jedoch als prekäre Stütze, wie die Nachfrage der Interviewerin nach den Entstehungs- und Produktionsbedingungen der angeführten Aussagen ebenso offenbart wie die darauffolgende Unsicherheit der Aktivistin. Die Forscherin zeigt sich nämlich skeptisch gegenüber dem Verweis auf für sich selbst sprechende wissenschaftliche Aussagen. Es scheint ihr darum gelegen zu sein, zu erfahren, welche weiteren Akteur*innen im Spiel sind: „Wo liegen die Quellen?“, „Wer sagt das?“, „Wo genau steht das?“ (Latour 2017, 315).

Diese Irritation im Kommunikationsverlauf lässt mit Latour die Lesart zu, dass sich hier verschiedene Wertelogiken kreuzen (Latour 2018a, 74; Laux 2016, 18 f., 24): Die eine, politische, die daran interessiert ist, durch das Hinzuziehen von „indiskutierbaren Fakten“ (Latour 2006, 197) Werte zu transportieren und damit den eigenen Standpunkt zu stärken. Und die andere, wissenschaftliche, die sich skeptisch gegenüber nackten Tatsachen zeigt und eine große Notwendigkeit in der Offenlegung der dahinterliegenden wissenschaftlichen Arbeit sieht (Latour 2018a, 139 ff.; Latour 2018b, 180 ff.). Häufig, so kritisiert Latour, würden solche unterschiedlichen Wertelogiken, die in der Moderne nebeneinander existieren, aus der Perspektive einer anderen beurteilt. Wissenschaft und Politik etwa lassen sich nicht in ihrer Form des Wahrsprechens vergleichen (Latour 2018b, 92 ff.). Durch die skeptische Haltung gegenüber der Faktenbasierung der Aktivist*innen aus wissenschaftlicher Sicht wird den Jugendlichen nicht zugestanden, wissenschaftliche Evidenzen zu nutzen, um ihre politischen Forderungen zu verteidigen.

Neben ideologiekritischen Wissenschaftler*innen zweifeln aber aus Sicht der Jugendlichen vor allem auch Klimaskeptiker*innen derartiges Berufen an. So führt sie im Interview weiter aus:

B13-1: [W]enn man die Diskussionen führt und […] so sagt DIE Wissenschaftler, dann sagen die Leute immer so welche Wissenschaftler und ich dann so ja (.) google halt […] Ich weiß halt jetzt die Namen nicht auswendig oder so aber ähm das ist a/ auch ein bisschen schwierig dann so. Weil dann ist man an so einem Punkt in der Diskussion sagt so okay jetzt (.) bin ich irgendwie ein bisschen lost […] man hat halt STÄNDIG dann Diskussionen da drüber […] ah das ist einfach so ANstrengend. (I13, Z. 429–526)

Die Jugendliche spezifiziert die „Leute“, die ihr regelmäßig mit skeptischem Gestus begegnen, im späteren Verlauf als solche, „die irgendwie Klimawandel leugnen oder irgendwie voll anderer Meinung sind“ (I13, Z. 504 f.). Das konfrontative Nachforschen ist in diesem Fall, den Interpretationen der Jugendlichen folgend, als eine Art Glaubwürdigkeits- bzw. Resistenztest zu verstehen, der diese mit der Anklage von Irrationalität und Unwissen sprachlos zu machen sucht. Sie dagegen möchte einfach gerne Fakten schaffen:

B13-1: [A]lso es ist ja irgendwie wissenschaftlich bewiesen […] ist ja einfach ein Fakt so. (I13, Z. 437–441)

B13-2: Aber es sind ja eigentlich Fakten, also die kann keiner bestreiten. Egal ob du jetzt den Wissenschaftler beim Namen nennen kannst oder nicht. (I13, Z. 471–473)

Die beiden Interviewten konstruieren wissenschaftliche Aussagen als unhintergehbare Evidenzen, die keine Begründungsnotwendigkeit mit sich bringen. Dies entspricht nicht, so Latour, der Praxis der Wissenschaften, wonach Fakten „diskutierbar“ (Latour 2006, 197; Hervorh. i. O.) seien – und steht auch dem Wissenschaftsverständnis der Interviewerin entgegen. Aus dieser Perspektive liegt es nahe, die Aussagen der Jugendlichen kritisch zu betrachten: Die Gefahr besteht nämlich darin, dass damit jeglichen wissenschaftlichen Erkenntnissen Gültigkeit zugesprochen wird, was mit ideologischen Wahrheitsbehauptungen einhergehen kann (Hurrelmann/Albrecht 2020b, 121). Weitere Interviewaussagen deuten jedoch darauf hin, dass die Jugendlichen durchaus wissenschaftlich fundierte Fakten identifizieren können und wissenschaftliche Maßstäbe anlegen, wie folgender Interviewauszug zeigt:

I: [W]ürdest du wirklich sagen das sind alles absolute Fakten (luftholen) ähm
B3: Achso. Ja also was ich damit meinte dass man nicht an diesen Dingen zweifeln kann ist (.) dass man nicht daran zweifeln kann dass es den menschengemachten Klimawandel GIBT. Man KANN >also man kann natürlich schon< aber man DARF das nicht leugnen. […] Ähm (.) und ansonsten ich denke SCHON dass man manche Dinge kann man mal anzweifeln? also man muss jetzt nicht jeden Bericht der veröffentlicht wird glauben. ABER wenn der (.) gut gemacht ist wenn er gut äh fundiert ist genügen Quellen (.) ähm von renommierten Institu/ Instu/ Institutionen und alles (.) dann (.) sollten wir als Menschen einfach den Wissenschaftlern GLAUBEN. […] Aber solche Sachen wie das dass wir das 1,5 Grad Ziel erreichen müssen darüber sind sich einfach (.) ist die GROSSE Mehrheit der Wissenschaftler sich einig und deswegen zweifle ich das nicht an. (I3, Z. 524–544)

Die Jugendliche erachtet das Zweifeln an wissenschaftlichen Ergebnissen prinzipiell als notwendig. Dabei macht sie allerdings einen moralischen Unterschied: Die Existenz des Klimawandels und die Notwendigkeit des 1,5 Grad Ziels dürfen nicht geleugnet werden. In diesem Fall sei es gerade wichtig, weiterführende Diskussionen zu unterbinden und sich auf die Meinung der „großen Mehrheit“ der Expert*innen zu einigen. Sie zieht die den Forschungsresultaten zugrundeliegende Arbeit der Wissenschaften zur Legitimation heran: Fakten und Erkenntnisse sind durch Forscher*innen und Forschungsinstrumente konstruiert.

Doch gerade wenn sie gut konstruiert sind – wie im Fall des Klimawandels, der einen großen wissenschaftlichen Konsens und viele Studien hinter sich vereint –, so argumentiert auch Latour (2017, 155 f.; 2018a, 36 f., 232), sind sie real. Im Vergleich zu den vorangegangenen Zitaten wird durch die Jugendliche Wissenschaft nicht als unbestreitbare Gewissheit, sondern als ein konstruiertes Endprodukt einer langen Kette (Latour 2018a, 129 f.) von Forschungsakteur*innen betrachtet.[2] Zudem macht sie wissenschaftliche Gütekriterien wie Transparenz, Fundiertheit und Bekanntheitsgrad, d. h. „das komplexe System der Überprüfung der Daten, Artikel und Berichte [...], das Prinzip der Beurteilung durch die peers“ (Latour 2018a, 33; Hervorh. i. O.) geltend. Aus Latours Perspektive signalisiert dies kein „naives“ Glauben, sondern ein Vertrauen in die wissenschaftliche Community (Latour 2018a, 33 ff.). Gerade weil Forschungsergebnisse fragil und anzweifelbar sind, sei es wichtig, so Latour, dass diese „valide, robust und geteilt“ (Latour 2018a, 34) sind.

Es scheint eine allgemein zu beobachtende Strategie der Jugendlichen zu sein, auf die Unhintergehbarkeit wissenschaftlicher Fakten zu rekurrieren – ob dies nun jedoch als Leichtgläubigkeit zu werten ist, stellt zumindest dieses Zitat in Frage. Vielmehr scheinen sie diese – durchaus riskante – Strategie der Berufung auf Gewissheit heranzuziehen, um Geltungsansprüche auf die Relevanz des Klimawandels zu erheben und wenig zielführende Diskussionen über dessen Existenz zu unterbinden.

Das Dilemma stellt sich mit Latour (2012, 170) folgendermaßen dar:

Sollen wir diesen [Klimaleugner*innen] die gleiche Gelegenheit wie den Klimaforschern geben, um ihre Gegenposition zu vertreten? […] Oder sollen wir Partei ergreifen und uns weigern, den Leugnern eine Plattform zu überlassen, um das zu beschmutzen, was wahrscheinlich die größte Gewißheit [sic!], über die wir je verfügen werden […] ist […]? In diesem Fall riskieren wir, uns für einen ideologischen Kreuzzug rekrutieren zu lassen […].[3]

Insgesamt hilft Latour insofern der Entfaltung dieser Kontroverse, weil er einen alternativen Blick anbietet und nicht Differenzen a priori als gegeben setzt, sondern postuliert, dass diese erst empirisch herauszuarbeiten sind. Und dies wirkt in doppelter Weise, denn weder ist ein einseitiger Bezug auf unhintergehbare wissenschaftliche Fakten noch eine Kritik an der Wissenschaftsgläubigkeit der Aktivist*innen mit Verweis auf die Konstruiertheit objektiven Wissens aus dieser Pespektive angemessen. Unterschiedliche Existenzweisen benötigen jeweils eine eigene Form des Wahrsprechens. Die in der FFF-Bewegung fundierte Kreuzung zwischen dem politischen und dem wissenschaftlichen Wahrsprechen erzeugt eine Gleichzeitigkeit der Legitimität und Prekärität wissenschaftlichen Wissens.

Interessant ist, wie sich durch diese Brille ein Zwischenraum auftut, in dem sich sowohl Platz für ein parolenhaftes Verweisen auf „die“ wissenschaftenlichen Fakten als auch für das Nachspüren ihrer Produziertheit, ihrer Entstehensbedingungen findet. Hier gibt es kein Entweder-oder, wie es in der bisherigen theoretisch-empirischen Auseinandersetzung eine Rolle spielt. Statt den Jugendlichen Leichtgläubigkeit vorzuwerfen, sollte die politische Form des Wahrsprechens der Jugendlichen ernstgenommen werden. Demnach sei es nämlich gerade inmitten von Kontroversen und Dringlichkeiten notwendig, so Latour, „krumm“, d. h. rhetorisch und repetitiv zu sprechen, um eine heterogene, aufgewühlte Menge zu erreichen und Politiker*innen und Bürger*innen zum Handeln zu bewegen (Latour 2018a, 201 ff.). Den Jugendlichen wird dieser politische Modus des Wahrsprechens allerdings nicht (immer) zugestanden; sie erhalten kein Mandat zum krummen Sprechen.

Den genannten Zitaten der Jugendlichen folgend, ist es ihnen gar nicht so sehr um das wissenschaftliche Wissen selbst gelegen; vielmehr, so scheint es, sollen Politiker*innen bzw. Bürger*innen durch rhetorisches Sprechen, wiederkehrende Argumente und das Anführen objektiver Erkenntnisse der Aktivist*innen überzeugt und zum Handeln bewegt werden.

4.2 Zweite Kontroverse: Die Kandidatur um politische Mitsprache von Jugendlichen und nicht-menschlichen Akteur*innen

Mit der Entstehung der FFF-Bewegung, der politischen Selbstermächtigung junger Menschen wurden öffentliche Verhandlungen um deren Legitimität zur politischen Teilhabe in Gang gesetzt. Gemäß Latour sollte die allgemeine demokratische Arbeit darin bestehen, immer wieder neue Stimmen zu einer Diskussion hinzuzufügen, die bisher unhörbar waren (Latour 2018b, 101, 125; Laux 2011, 293). Die Schüler*innen werden durch ihren Protest als – bislang ungehörte – politische Akteur*innen wahrgenommen und (wieder-)entdeckt. Reaktionen auf FFF zeigen, dass jungen Menschen, so Philip Meade (2020, 108), „noch immer nicht das Recht auf eine gleichberechtigte politische Partizipation zugestanden“ wird. Dabei werde den Protestteilnehmenden unter anderem mangelndes Fachwissen und Naivität unterstellt. Auf derlei disqualifizierende Abwertungen nehmen die interviewten Jugendlichen häufig Bezug (siehe auch Greenwell 2020, 43, 52 f.; Steinmann 2021, 4), wie auch im folgenden Zitat thematisch wird:

B7: [W]enn jetzt so auch noch Wissenschaftler uns unterstützen und sagen, DEREN Forderungen sind (.) real zu betrachten und die gehen nicht für irgendwas Banales auf die Straßen, oder schwänzen nur. Dann [...] unterstützt uns das ja wieder und (..) stärkt uns so ein bisschen den Rücken. >Also ich denke< ohne Scientist for Future wären wir glaube ich nicht so ähm (4) <ja> (..) nicht so stabil. Ich denke dann würden die Politiker auch immer wieder drauf rumhacken, ja aber ihr seid ja eh noch Kinder, und lass das mal die Profis machen? (.) aber die Profis sagen ja jetzt ja. Aber die Kinder haben recht? und das find ich (.) erstaunlich. (I7, Z. 238–246)

Der 17-Jährige spielt hier auf das vielzitierte Twitter-Zitat von Christian Lindner (2019) an, wonach von jungen Menschen nicht erwartet werden könne, „dass sie bereits alle globalen Zusammenhänge […] sehen“. Der Aktivist versteht SFF als einen starken Bündnispartner, der sie dabei unterstützt, das Argument der fehlenden Expertise zu entkräften. Das Verbünden wirke einer Infantilisierung der Jugendlichen und einer Banalisierung ihrer Forderungen entgegen. Die jungen Aktivist*innen in ihrer marginalisierten politischen Position haben in SFF qualifizierte Sprecher*innen (Laux 2011, 291) und Alliierte gefunden, die ihnen zu Gehör verhelfen – denen aber auch sie als aktives Sprachrohr dienen, wie Studien zeigen (Francesconi et al. 2021; Rucht/Rink 2020; Sommer et al. 2020; Steinmann 2021). Im Folgejahr geht die Bewegung noch einen Schritt weiter und verschiebt die Allianz mit Wissenschaftler*innen hin zu einer direkten Zusammenarbeit, wie dieser Feldprotokollauszug einer Plenumssitzung verdeutlicht:

M. berichtet, dass nach dem letzten Streik ein sehr „weirdes Video“ der Jungen Union auf Instagram hochgeladen wurde. Sie würden darin sagen, dass FFF zwar schöne Ziele habe, aber nichts Richtiges anstoße. Die Frage sei nun: „Wollen wir darauf antworten?“ Sie selbst findet, [...] wir müssten uns nicht „auf ihr Niveau runterlassen“. Sie finde es ohnehin dreist, dass sie sich das trauen, wo FFF gerade „eine Studie veröffentlicht“ hat, die ihre Forderungen „beweist“. John [...] sagt, er findet das Video „komplett lächerlich“. […] Wir könnten das Video vielleicht einfach nur kommentieren mit etwas wie: „Ihr solltet auch erstmal eine Studie veröffentlichen, dann können wir darüber sprechen.“ (Ortsgruppe Ann., Z. 278–293)

Hier gibt ein Video der Jungen Union, das der Ortsgruppe die Wirksamkeit ihrer Forderungen abspricht, Anlass zur Diskussion darüber, ob und wie sie als Gruppe darauf reagieren. Dabei kommt nun ein neuer Akteur ins Spiel: Die Machbarkeitsstudie wird hier als Legitimations- und Argumentationsstütze herangezogen,[2] welche die Seriosität der Bewegung und ihrer Forderungen beweise. Damit findet eine Verschiebung statt: Wissenschaftliche Fakten und Studien werden nicht mehr nur angeführt und verwendet, sondern unter der Beteiligung von FFF hergestellt: Die Aktivist*innen werden zu mittelbaren Koproduzierenden. Sie haben als Gruppe eine Forschung initiiert und sind damit Teil der wissenschaftlichen Referenzketten (Latour 2018a). Ihre Assoziation mit der wissenschaftlichen Community und den wissenschaftlichen Fakten versetzt die Aktivist*innen nun in die Lage, sich als seriös und faktenorientiert auszuweisen. Die Übersetzung von zitierten Fakten und der Stellungnahme der Wissenschaftler*innen hin zur Machbarkeitsstudie – von geliehenem Wissen zu beauftragtem und mitproduziertem Wissen – bildet einen weiteren Schritt für die, der ersten Kontroverse folgende, durchaus umstrittene Legitimation, im Namen der Wissenschaft für das Klima sprechen zu dürfen.

Eine Stimme für das Klima zu finden ist dabei das eigentlich zentrale Repräsentationsproblem, dem die Bewegung mit ihrer Allianz mit Wissenschaftsakteur*innen begegnet. Laut Böttger und Reitschuster (2020) haben die Jugendlichen und Klimaprozesse miteinander gemein, dass ihnen in der politischen Sphäre weiterhin vorwiegend nur eine passive Rolle zugesprochen wird. FFF macht ihre unmittelbare Assoziation mit den globalen Klimageschehnissen, dem Gletscherschmelzen in der Arktis ebenso wie den Dürreperioden im globalen Süden, sichtbar und fordert für diese das Recht ein, gehört zu werden:

Durch die Forderung „als [sic!] sprechende Wesen“ anerkannt zu werden, repräsentieren und symbolisieren sie [die Jugendlichen] das Unrecht, das ihnen selbst von Seiten der Politik wiederfährt [sic!], und fordern gleichzeitig einen radikalen Einbezug des bislang Ungehörten in die politische Entscheidungsfindung. (Böttger/Reitschuster 2020, o. S.)

Die Jugendlichen kämpfen für eine politische Ordnung, in der auch nicht-menschliche Wesen repräsentiert sind, für ein, in Latours Worten, Parlament der Dinge(Latour 2018b). Latour gemäß mache es die ökologische Krise, welche uns die „riskante[n] Verwicklungen“ (Latour 2018b, 37, Hervorh. i. O.) von Menschen und nicht-menschlichen Wesen vor Augen führe, geradezu notwendig, eine parlamentarische Verfassung zu instituieren, bei der keinerlei Entitäten im Vorhinein ausgeschlossen werden (Latour 2018b, 101, 116–121, 233). Stattdessen sollten alle und alles die Chance erhalten, sich in der Versammlung zu artikulieren, die offen bleibt für die Aufnahme neuer, kandidierender Entitäten (Latour 2018b, 101, 116 ff., 233). Gerade nicht-menschliche Wesen, die nicht für sich selbst sprechen können (Laux 2011, 291), brauchen, um wahrgenommen zu werden, geeignete Vermittler*innen. Dies versinnbildlicht eine 20-jährige Aktivistin folgendermaßen:

B10: [I]ch will Demokratie und so AUCH aufrecht erhalten aber ich finde wir brauchen trotzdem Mechanismus der halt irgendwie vorsieht (schmunzeln) dass ähm (.) ja Politiker sich auch ein bisschen darauf einstellen können, wenn es jetzt zum Beispiel NEUE Studien gibt und man jetzt weiß, das Eis schmi/ schmilzt doch schneller als geplant (.) dass dann/ weil das Ganze ist ja repräsentativ, damit wir nicht alles einzeln ausklamüsern müssen sondern im Zweifelsfall trotzdem jemanden haben der Entscheidungen treffen kann, (.) die meisten Gesetze kommen ja hier halt doch indem der Bundestag darüber abstimmt und dafür muss das Ganze halt präsent sein. (I10, Z. 148–156)

Die Interviewte spricht sich für die Integration von Prozessen des Klimawandels in die politische Verhandlung, Entscheidungsfindung und Gesetzgebung aus. Hierbei spricht sie „neuen Studien“, die Naturereignisse in dringliche und präsente politische Akteur*innen transformieren, eine wichtige Funktion zu: In ihren Augen repräsentieren diese den Vorgang der Eisschmelze. Die aktuellen Studien bringen, den Jugendlichen zufolge, das Eis in den Bundestag. Solange die Studien nicht als Sprecherinnen gewählt sind, bleibt die Natur unfähig, ihr Leid zu artikulieren. Es ist den Jugendlichen sehr ernst damit, eine Lösung zu finden, wie die stummen Wesen hörbar gemacht werden können – und zwar rechtzeitig. Das demokratiefeindlich anmutende vehemente Berufen auf Studien lässt sich damit als Ruf nach einer politischen Versammlung lesen, die durch wissenschaftliche „Stimmapparate“ (Latour 2018b, 98, 180) sensibilisiert wird für die Kandidatur nicht-menschlicher Akteur*innen, die zu oft und zu lange aus politischen Entscheidungsprozessen ausgeschlossen werden (Latour 2018b).

5. Fazit

Im Fokus des vorliegenden Beitrags stand die empirische Rekonstruktion zweier feldspezifischer Kontroversen um die Unsicherheit gesicherter Fakten einerseits und die Kandidatur um politische Mitsprache Jugendlicher und nicht-menschlicher Akteur*innen andererseits. In der ersten Kontroverse zeigte sich, wie sehr die Jugendlichen selbst um Anerkennung ihrer Forderungen ringen müssen, auch wenn sie auf wissenschaftliche Fakten rekurieren. Das scheinbar gesicherte Wissen wird prekär, wenn direkte Nachfragen zu dessen Entstehung gestellt werden. Diese Prekarität zeigt sich in doppelter Weise, da die Kritik an wissenschaftlichen Fakten sowohl wissenschaftsimmanent, als auch – aus anderen Gründen – von Klimaskeptiker*innen formuliert wird. Damit ist die zweite Kontroverse verknüpft: Gerade der Versuch, die Jugendlichen wegen ihrer vermeintlich naiven Wissenschaftgläubigkeit zu diskreditieren, zeigt, wie herausfordernd deren Kampf um (politische) Anerkennung ist, zumal es nicht nur um ein Ringen um ihre eigene Mitsprache geht, sondern auch darum, nicht-menschlichen Akteur*innen eine politische Stimme zu geben.

Das Entfalten dieser Kontroversen unter explizitem Einbezug von Paradoxien mithilfe von Latours Theorie ermöglicht es, die spezifische Rolle der Wissenschaft für FFF offenzulegen. Diese besteht insbesondere darin, jungen Menschen ebenso wie Klima-Akteur*innen eine Stimme zu geben. Damit konnte zugleich die besondere, doppelte Prekarität herausgearbeitet werden, der die jungen Klima-Aktivist*innen ausgesetzt sind. Sie drückt sich in der Anforderung aus, beständig darum ringen zu müssen, als politische Akteur*innen ernstgenommen zu werden und gleichzeitig den Klimawandel durch wissenschaftliche Fakten und Studien auf die politische Tagesordnung zu bringen.

Das Politik- und Akteur*innenverständnis von Latour öffnet den Blick für Assoziationen von Menschen und Nicht-Menschlichem und damit einhergehenden demokratischen Prozessen der Mitsprache, über die immer wieder (neu) kontrovers diskutiert werden sollte, statt Debatten darüber frühzeitig zu beenden. Zum einen bietet diese Perspektive ein empirisches Vorgehen an, das den Aktivist*innen nicht verfrüht eine naive Wissenschaftsgläubigkeit unterstellt, sondern zunächst einmal die Verwicklungen und Vernetzungen zwischen wissenschaftlichen Fakten, Akteur*innen aus Wissenschaft und Politik und den jungen Menschen herausarbeitet. Eine solche genaue Analyse offenbart sogar, wie sehr auch innerhalb FFF ein Verständnis von Wissenschaft als ein von Aushandlung bevölkertes Feld vorhanden ist und wie professionell das wissenschaftliche Wissen in ein politisches Argumentieren überführt werden kann. Zum anderen lässt sich aus Latours Vorschlag eines neuen parlamentarischen Kollektivs heraus das Handeln der FFF-Akteur*innen als Anstoß für die Verhandlung um eine neue politische Ordnung lesen, die sich sensibel zeigt für die Kandidatur aller Entitäten, ob menschlich, nicht-menschlich oder assoziiert. Durch die politische Selbstermächtigung der Schüler*innen wurden die Jugendlichen gemeinsam mit Gletschern, CO2 oder Recyclingprodukten als Streitsachen (wieder-)entdeckt und zu öffentlichen Kontroversen erhoben, die um ihre Mitsprache kandidieren. Die Jugendlichen machen durch ihren Protest auf ein doppeltes Repräsentationsproblem aufmerksam, indem sie ihre eigene Kandidatur ebenso zur Kontroverse machen wie die der riskanten Objekte wie Mikroplastik oder Feinstaub, welche die Vorstellung einer passiven, kultivierbaren Natur dort draußen irritieren, da sie immer sichtbarer und spürbarer unsere Lebenswelten bevölkern. Sie verstehen dabei die Wissenschaften mit ihren Instrumenten als gewichtige, qualifizierte Sprecher*innen. Sie gehen eine aktive Allianz mit Akteur*innen aus der Wissenschaft – Studien, Wissenschaftler*innen, Fabrikationen, Instituten und Beweisen etc. – ein und bringen diesen ein paradox anmutendes Vertrauen entgegen (Latour 2018a, 37). Sie verbünden sich aktiv mit ihnen, um das doppelte Recht auf Mitsprache, das sie fordern, geltend zu machen und das Kollektiv über die Legitimität der neuen, nun als solche öffentlich wahrgenommenen, assoziierten Entitäten entscheiden zu lassen. Dies führt aber gerade auch die harte Arbeit vor Augen, die es (weiterhin) braucht, um „glaubwürdige Sprecher“ (Latour 2018b, 149) zu finden.

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Wuppertal Institut (2020): CO2-neutral bis 2035: Eckpunkte eines deutschen Beitrags zur Einhaltung der 1,5-°C-Grenze. Wuppertal: Wuppertal Institut.

[1] Die Interviews wurden mithilfe von Transkriptionsregeln verschriftlicht, weshalb die Zeichensetzung nicht dudenkonfrom ist.
[2] Nichtsdestotrotz benennt sie diese Kette erst auf Nachfrage; im ersten Moment formuliert sie ebenso wie die anderen zitierten Jugendlichen einen sehr emotionalen, normativen Appell (man „sollte“ glauben und „darf“ nicht leugnen) für das unhinterfragte Glauben an wissenschaftliche Beweise.
[3] Latour sieht sich oft darin missverstanden, angeblich solide Fakten als „ideologische Argumente“ entlarven zu wollen. Im Gegenteil plädiere er lediglich dafür, sich von vorschnell objektivierten Tatsachen zu lösen. Es sei wichtig, zunächst die Aushandlungen sowie Verbindungen und Versammlung von an wissenschaftlichen Erkenntnissen beteiligten Akteur*innen zu beschreiben. Durch den Blick auf dieses Versammeln werden aus scheinbar objektiven „matters of fact“ „matters of concern“ – Dinge von Belang. Dieser Belang ergibt sich erst und gerade durch ihre Vernetzungen, die wiederum von ihrer Solidität zeugen. Nicht das Enttarnen von Fakten – und damit das Beteiligen am ideologischen Kreuzzug – sei das Ziel, sondern im Gegenteil: empirisch näher an sie heranzukommen (Latour 2004, 227, 231 f.).
[4] Dabei handelt es sich um eine Studie, welche die FfFB in Deutschland 2020 beim Wuppertal Institut in Auftrag gegeben hat, um zu untersuchen, ob bzw. wie die Einhaltung der 1,5-Grad-Grenze bis 2035 noch möglich ist (Wuppertal Institut 2020).