FALLSTRICKE STATIONÄRER ERZIEHUNGSHILFEN ALS INSTANZ SOZIALISIERENDER DELINQUENZBEARBEITUNG

Nina Oelkers und Annika Gaßmöller

1. Zur Einleitung: Stationäre Erziehungshilfen als Sozialisationsinstanz

Der Beitrag richtet seinen Blick auf Devianz und Delinquenz junger Menschen sowie deren Sozialisation, die einerseits dem Verinnerlichen von Verhaltenserwartungen dient, in deren Prozess aber andererseits Entwicklungsaufgaben bewältigt werden müssen. Jene Bewältigungsversuche können sich auch in deviantem oder delinquentem Handeln zeigen. Über Böhnischs Theorie der Lebensbewältigung lassen sich Devianz und Delinquenz junger Menschen als Versuch der Gewinnung und Aufrechterhaltung von Handlungsfähigkeit betrachten. Delinquente junge Menschen geraten so in ein Spannungsfeld zwischen empirisch nachweisbarer Normalität von jugendtypischer Abweichung, (sozial‑)pädagogischer Bearbeitungsbedürftigkeit im Sinne von (kompensatorischer) Erziehung und Sozialisation sowie damit einhergehender Stigmatisierung.

Stationäre Erziehungshilfen sind in dieser Perspektive sowohl als Instanzen der Delinquenzbearbeitung im Sinne einer Sozialisationsinstanz als auch als jene Instanzen in den Blick zu nehmen, die durch ihre Bearbeitungsweise Delinquenz mit hervorbringen bzw. verfestigen können. Die mit einer Unterbringung verbundene Zuschreibung kennzeichnet die jungen Menschen als abweichend und weist der Kinder- und Jugendhilfe den Auftrag der Delinquenzbearbeitung zu. Mit dieser Aufgabenzuweisung erfolgt allerdings bereits eine Stigmatisierung junger Menschen, als diejenigen, deren Abweichung das vermeintlich normale Maß überschreitet und einer besonderen Bearbeitung bedarf. Erfolgt die Unterbringung als Freiheitsentziehende Maßnahme, die ja als ultima ratio gilt, potenziert sich diese Stigmatisierung. Neben diesen Stigmatisierungsprozessen ist der Blick auf den Modus der Bearbeitung zu lenken. Zwar können stationäre Erziehungshilfen im Anschluss an Böhnischs Theorie des Lebensbewältigung jene Strukturen bereitstellen, die als „funktionale Äquivalente“ (Böhnisch/Schröer 2013, 64) alternative Verhaltensweisen junger Menschen begünstigen, jedoch beinhalten sie zugleich eine Vielzahl von Regeln und Verhaltensvorgaben, deren Missachtung erneut zur Zuschreibung devianten Verhaltens führt. Dieser Aspekt ist insbesondere bedeutsam, da in stationären Hilfen häufig rigide auf die Einhaltung von Regeln bestanden und damit wenig Raum für jugendtypische Regelbrüche und Grenzüberschreitungen bereitgestellt wird. Im vorliegenden Beitrag werden wir zunächst die Begriffe Devianz, Delinquenz und Sozialisation definieren, um dann auf die Bewältigung von Sozialisationsaufgaben junger Menschen einzugehen. In einem nächsten Schritt erfolgt eine sozialpädagogische Rahmung, in der Entwicklungsaufgaben, Handlungsfähigkeit und Delinquenz zu erörtern sind und Delinquenz von jungen Menschen einer kritischen Diskussion unterzogen wird. Daran anschließend werden stationäre Erziehungshilfen als kompensatorische Sozialisationsinstanz vorgestellt und entlang ihrer Fallstricke einer kritischen Analyse unterzogen. Der Beitrag schließt mit einem Ausblick auf die Herausforderungen stationärer Erziehungshilfen.

2. Devianz, Delinquenz und Sozialisation

Der Begriff der Delinquenz bezieht sich (wie auch Kriminalität) auf die Verletzung von kodifizierten Normen des Strafrechts. Der Begriff Delinquenz markiert in Abgrenzung zum Begriff Kriminalität eine differenziertere Betrachtung, mit der z. B. die Normverstöße Jugendlicher als Spezialfälle von Devianz, aber nicht sofort als Kriminalität bezeichnet werden (Bettmer 2005, 1; Peuckert 2001, 416; Plewig 2005). Der Delinquenzbegriff umfasst also kriminalisierbare bzw. strafbare Verhaltensweisen (Hermann 2015, 31), bezieht sich aber auch auf nicht strafbare Regelverstöße, die vor allem in der Kindheit und Jugend als typisch gelten, wie z. B. aggressives Verhalten unter Gleichaltrigen (auch Jugendkonflikte) oder Fehlverhalten in der Schule (Böhnisch 2020, 53 f.; Oberwittler 2012, 773). Delinquenz scheint als Begriff breiter und moderater gefasst als Kriminalität (vgl. Markowetz 2021, 329). Mit Blick auf Kinder und Jugendliche werden deviante Verhaltensweisen problematisiert, die sowohl informelle als auch formal kodifizierte Normen verletzen. Es ist von entscheidender Bedeutung, welches abweichende Verhalten geduldet wird und welches Handlungsbedarf kennzeichnet. Erfüllen die Verhaltensweisen der jungen Menschen einen Straftatbestand nach dem allgemeinen Strafgesetzbuch (StGB) und sind diese strafmündig, kommt das Jugendstrafrecht bzw. das Jugendgerichtsgesetz (JGG) zur Anwendung, um erneuten Straftaten des jungen Menschen entgegenzuwirken. Sind allerdings die devianten jungen Menschen noch nicht strafmündig oder befindet sich das abweichende Verhalten unterhalb der strafrechtlichen Eingriffsschwelle, sind die Interventionsanlässe weniger eindeutig. Der Verstoß gegen die Leitbilder eines geordneten Lebens oder die Störung der Stabilität gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Ordnung verweisen auf einen eher unscharfen Interventionsbedarf (Boogaart/Plewig 2007). Unter dem Begriff der Jugenddelinquenz werden folglich nicht nur Verstöße gegen das Strafrecht subsumiert, sondern auch andere Verhaltensweisen, die z. B. in Bezug auf junge Menschen auch als „dissozial“ gelten: z. B. Alkoholmissbrauch, Bandenzugehörigkeit oder auch Schulschwänzen (Freiheit et al. 2018, 5).

Devianz bezeichnet (im Gegensatz zu Delinquenz) abweichendes Verhalten im weitesten Sinne, d. h. es meint jenes Verhalten, welches gegen geltende Normen und Regeln einer Gesellschaft oder Gruppe verstößt (ausführlich Oelkers et al. 2022). Nach Groenemeyer (2015, 22 f.) geht es bei Devianz um die „Abweichung von sozialen Regeln, Erwartungen und Normen“, die einen „Bruch gesellschaftlicher Normen“ bzw. eine „Enttäuschung normativer Erwartungen“ beinhalten. Durch Normen kommen gesellschaftliche Verhaltensregeln und Erwartungen zum Ausdruck. Devianz und ebenso die Sonderform Delinquenz setzen das Bestehen einer Norm voraus, die aus Unkenntnis, Absicht oder mit anderen spezifischen Begründungen verletzt wird. Devianz ist somit nur im Verhältnis zu jenen bestehenden sozialen Normen zu bestimmen, die durch das Handeln verletzt werden (Plewig 2008, 222). Im Falle von Delinquenz sind dies auch formal im Strafrecht kodifizierte Normen.

Für das Funktionieren von Gesellschaften sind das Verhindern von Abweichung und die Erzeugung von erwünschtem Verhalten zentral (Flösser/Wohlgemuth 2018, 1467; in Anlehnung an Reinhold 1991). Zugleich bedarf es jedoch eines gewissen Maßes abweichenden Verhaltens um Normalität wahrnehmbar zu machen, zu bestätigen und zu stärken (vgl. z. B. Oelkers 2018, 882). Die Verhinderung von Abweichung zielt auf die weitestgehende Herstellung von Konformität, d. h. einer Verringerung von Verschiedenheit, die durch soziale Beeinflussung erreicht werden soll. Diese Anpassung an gesellschaftliche Erwartungen ist jedoch nicht einseitig auf den gesellschaftlichen Nutzen zu reduzieren, sondern es ist auch im Interesse des Individuums sich gegenüber den gesellschaftlichen Erwartungen konform zu verhalten, da ein gewisses Maß an Konformität zur Erreichung individueller und kollektiver Ziele unerlässlich ist (Lamnek 2013, 305). Abweichendes Verhalten hingegen weist dem*der Abweichler*in hingegen eine besondere Position zu, die mit Stigmatisierungsprozessen einhergeht und bis zum gesellschaftlichen Ausschluss führen kann.

Zur Verhinderung von Abweichung erweist sich soziale Kontrolle als zentrales Konzept. Reinke und Schierz (2006, 300) folgend, beschreibt soziale Kontrolle im weitesten Sinne jene sozialen Prozesse in einer Gesellschaft, die ein als abweichend definiertes Verhalten überprüfen und ggf. sanktionieren. Soziale Kontrolle dient folglich dazu, Normen durchzusetzen und konformes Verhalten herbeizuführen. Sie ist als übergeordneter Begriff zu betrachten, unter dem sich gesellschaftliche Strukturen und Prozesse analysieren lassen, die sich als alltägliche Interaktionen (z. B. Sozialisierung, Erziehung etc.) oder als Sondermaßnahmen (z. B. strafrechtliche Eingriffe, stationäre Erziehungshilfen etc.) zeigen.

Da rein äußerliche Kontrollen menschlichen Verhaltens als nicht nachhaltig effektiv gelten, bedarf es vielfältiger Sozialisations- und Enkulturationsprozesse zur Verinnerlichung von Normen und Verhaltenserwartungen. Der Aufbau von sog. „inneren Kontrollinstanzen“ oder einer „verinnerlichten Kontrolle“ (Gewissensbildung) (Lamnek 2013, 317) und damit die Durchsetzung von Konformität gegenüber Normen von „innen“ können als zentrale Aufgaben von Sozialisation und Erziehung und als Entwicklungsaufgabe junger Menschen im Sinne der Persönlichkeitsentwicklung herausgestellt werden. So erfolgt im Sozialisationsprozess die Übernahme äußerer Werte und Normen nach innen, wodurch diese zu einem Teil der Persönlichkeitsstruktur werden (Abels 2007, 91).

3. Bewältigung von Entwicklungsaufgaben im Sozialisationsprozess

Für junge Menschen gilt das Ziel der Verinnerlichung von Normen und Verhaltenserwartungen auf besondere Weise, da sie altersgruppenspezifischen Erwartungen hinsichtlich ihrer Persönlichkeitsentwicklung ausgesetzt sind. Der Begriff der Sozialisation umfasst dabei alle inneren und äußeren Impulse auf die Persönlichkeitsentwicklung, unabhängig davon, ob sie geplant und beabsichtigt sind (Hurrelmann 2002, 17).[1] Hurrelmann und Bauer (2015, 15) verstehen unter Sozialisation die Persönlichkeitsentwicklung eines Menschen, die sich in ständiger Interaktion zwischen der individuellen Entwicklung und den sozialen Strukturen abspielt.[2] Sie sehen das Individuum in einer entscheidenden, konstruktiven Rolle seiner eigenen Sozialisation (Oelkers et al. 2022, 57). Es wird davon ausgegangen, dass sich junge Menschen im Sozialisationsprozess soziomoralisch entwickeln (Pöge/Schepers 2019, 236). Sozialisationsinstanzen (z. B. Familie, Gleichaltrige, Schule und andere Bildungs- und Erziehungseinrichtungen, Freizeitangebote und Medien) vermitteln (gesellschaftliche) Erwartungen, indem sie Ansprüche an junge Menschen stellen (Hurrelmann/Quenzel 2016, 29). Demnach sind Sozialisationsinstanzen – neben ihrer Sozialisationsfunktion – auch als Akteurinnen der sozialen Kontrolle zu betrachten (vgl. Hurrelmann 2002, 28). Aufgabe und Funktion dieser Instanzen ist, neben der indirekten Übermittlung gesellschaftlicher Erwartungen durch das Stellen verschiedener Ansprüche, aber auch die Unterstützung junger Menschen bei der Bewältigung von Entwicklungsaufgaben (Hurrelmann/Quenzel 2016, 29 f.). Hier sei schon einmal die inhaltliche Brücke zu den stationären Erziehungshilfen geschlagen, deren Auftrag im Bereich der Sozialisation, Erziehung und Bildung liegt.

Entwicklungsaufgaben haben eine gesellschaftliche und eine individuelle Dimension, die sich gegenseitig ergänzen. Die Bewältigung der Aufgaben auf der gesellschaftlichen Ebene ermöglicht eine soziale Eingliederung der*des Jugendlichen in gesellschaftliche Netzwerke und Gruppen und die damit verbundene Übernahme von Mitgliedsrollen. Die Bewältigung auf der individuellen Ebene dient der persönlichen Entwicklung. Darunter fällt der Aufbau einer individuellen Persönlichkeitsstruktur mit bestimmten körperlichen, sozialen und psychischen Eigenschaften und Fähigkeiten (ebd., 25 ff.).

Junge Menschen sind folglich – insbesondere in der sog. Jugendphase – mit verschiedenen Entwicklungsaufgaben konfrontiert (ebd.): das Absolvieren einer schulischen und beruflichen Ausbildung, die Entwicklung der Geschlechtsidentität und das Aufbauen von sozialen Kontakten zu Gleichaltrigen, die (angemessene) Nutzung von Konsum-, Medien-, und Freizeitangeboten und der Aufbau des eigenen Wertesystems bzw. die Übernahme von gesellschaftlich anerkannten Normen und Werten (Eschenbeck/Knauf 2018, 24 ff.). Zu den Entwicklungsaufgaben zählen nach Goldberg und Trenczek (2016, 27) auch „die Verinnerlichung von Normen und die Verankerung moralischen Bewusstseins“. Kindheit und Jugend gelten als besondere Lebens- und Entwicklungsphasen, welche durch das Erlernen und Bilden von Fähigkeiten, wie sprachlicher Ausdrucksfähigkeit, Beziehungen mit Altersgleichen und/oder dem Aufbau von Gewissen, Moral und Wertpriorität, eine Vorbereitung auf das Erwachsenenalter darstellen, dessen Eintritt als Mündigkeit bezeichnet wird (Burfeindt 2013, 22; Hurrelmann/Bründel 2003, 73).

Die im Sozialisationsprozess an junge Menschen gestellten Anforderungen müssen von diesen angemessen bewältigt und produktiv verarbeitet werden, wodurch dann positive Impulse für die Persönlichkeitsentwicklung entstehen können. Wie erfolgreich eine stressproduzierende Situation bewältigt wird, hängt von den individuellen, personellen und sozialen Ressourcen einer Person ab (Richter/Moor 2015, 100).

4. Entwicklungsaufgaben, Handlungsfähigkeit und Delinquenz

Eine Person gilt als handlungsfähig, wenn es ihr gelingt, sich gesellschaftlich zu integrieren, sich persönlich zu stabilisieren und sich gleichzeitig in soziale Netzwerke einzubringen (Böhnisch 2019, 112). Subjektive Handlungsfähigkeit soll (wieder-)erlangt und eigene Ressourcen aktiviert werden, um das Leben eigenständig bewältigen zu können (Stecklina/Wienforth 2020, 28). Quer zu den Entwicklungsaufgaben liegt also der Erwerb von „sozialer Handlungskompetenz“ (Goldberg/Trenczek 2016, 27 f.) bzw. die Entwicklung von Handlungsfähigkeit (Böhnisch/Schröer 2013, 19 ff.). Devianz und Delinquenz von jungen Menschen wird durchaus als (problematischer) Versuch der Bewältigung von Anforderungen und Herstellung von Handlungsfähigkeit betrachtet (Böhnisch 2019; Böhnisch/Schröer 2013). Gleichzeitig gilt die Jugend „schon immer als problematisches Alter, in dem Grenzen nicht eingehalten werden und gegen gesellschaftliche Regeln verstoßen wird“ (Goldberg/Trenczek 2022, 259). Regelverstöße junger Menschen werden in den Kontext der vielen Entwicklungsaufgaben gestellt, die diese zu bewältigen haben und dabei Unsicherheiten und Überforderungen zeigen können. So „stellt abweichendes Verhalten eine Reaktion auf Entwicklungsherausforderungen dar, die von dem jungen Menschen nicht adäquat bewältigt werden können“ (ebd., 261). Böhnisch und Schröer (2015, 120) sehen in abweichendem Verhalten einen Indikator für gesellschaftliche Hintergrundprobleme und betonen den Symptomcharakter von Devianz bei kritischen und prekären Lebenskonstellationen. Gerade sei es wichtig, den jungen Menschen bei ihren Entwicklungsaufgaben zu helfen und sie bei der Bewältigung ihrer Lebenslagen zu unterstützen, „da sich nur schwer erkennen lässt, ob die Verhaltensweisen nur von kurzer Dauer sind und sich von selbst wieder einstellen oder langfristige negative Folgen nach sich ziehen“ (Goldberg/Trenczek 2016, 62).

Mit Böhnisch (2019; Böhnisch/Schröer 2013) lässt sich Devianz im Sinne eines Bewältigungsverhaltens verstehen. Abweichendes Verhalten wird aus dieser Perspektive als Ergebnis eines unbedingten Strebens nach Handlungsfähigkeit auch in kritischen Lebenssituationen gefasst. Lebenssituationen sind dann kritisch, wenn die bisherigen personalen und sozialen Ressourcen der Problemlösung versagen oder nicht mehr ausreichen und damit die psychosoziale Handlungsfähigkeit beeinträchtigt ist (Böhnisch 2019, S. 20), wenn also „das psychosoziale Gleichgewicht – in den aufeinander bezogenen Komponenten von Selbstwert, sozialer Anerkennung und Selbstwirksamkeit – gestört ist“ (Böhnisch/Schröer 2015, 120; Herv. i. O.). Dieser Zustand aktiviert einen Selbstbehauptungstrieb der Menschen, der sie machtvoll dazu drängt, ihre Handlungsfähigkeit um jeden Preis wiederherzustellen, notfalls auch mit abweichendem Verhalten (Böhnisch 2019, 20 f., 103 f.). Dieses unbedingte Streben nach Handlungsfähigkeit in kritischen Lebenskonstellationen lässt sich mit Böhnisch (2019, 20) als (Lebens-)Bewältigung bezeichnen und bildet das zentrale Moment einer Perspektive, die Devianz als Bewältigungsverhalten versteht.

Menschen sind dann psychosozial handlungsfähig, wenn sie sich sozial anerkannt und wirksam fühlen und darüber in ihrem Selbstwert gestärkt sind. Mangelnde Anerkennung verbunden mit geringer bis fehlender Selbstwirksamkeit führt demgegenüber zu einer Hilflosigkeit des Selbst (ebd., 21). Um psychosoziale Handlungsfähigkeit zu erhalten bzw. wiederherzustellen, stellt sich die Fähigkeit, über die eigene Befindlichkeit zu sprechen und die innere Hilflosigkeit zum Ausdruck zu bringen, als zentrales Moment dar (ebd., 22). „Dazu muss ich aber in der Lage sein, die Fähigkeit haben, meine innere Hilflosigkeit zum Sprechen zu bringen. Es gibt aber genug Menschen, die dies nicht können, in ihrer bisherigen Biografie nicht die Chance hatten, nie gelernt haben, das, was in ihrem Inneren ist, aussprechbar, thematisierbar zu machen“ (ebd.). Diese Unfähigkeit zur Thematisierung der eigenen inneren Befindlichkeit sieht Böhnisch als Schlüsselproblem gestörter Handlungsfähigkeit (ebd., 115). Wenn die „innere Bedrängnis“ nicht thematisiert werden könne, werden andere Formen der Bewältigung und Kompensation notwendig. Soziale Arbeit hätte es in erster Linie mit jenen Formen der Bewältigung und Kompensation zu tun, die als problematisch betrachtet werden (ebd., 22). Hier ist eine große Bandbreite angesprochen „von der Verweigerungshaltung bis zur Gewalttätigkeit“ (ebd.).

Deviantes Verhalten sollte folglich nicht als negativer Akt gesehen werden, sondern als eine Botschaft, die die innere Hilflosigkeit zum Ausdruck bringt (ebd., 29) bzw. auf kritische Lebenskonstellationen verweist (Böhnisch/Schröer 2015, 120). „Auffälligkeit wird zum gleichsam letzten Mittel der Suche nach Anerkennung und Anschluss“ (Böhnisch 2019, 104). Antisoziales Verhalten besitzt folglich für die Personen, die dieses Verhalten zeigen, eine hohe subjektive Sinnhaftigkeit, denn das „antisoziale Verhalten, das wir als negativ bewerten, wird von den Betroffenen als positiv, als entspannend empfunden, als (oft letztes) Mittel eben, Anerkennung, Selbstwirksamkeit und Selbstwert zu erlangen“ (ebd., 24).

In der Jugendforschung gilt die Adoleszenz als ein bedeutungsvoller Entwicklungsabschnitt moralischer, emotionaler und geistiger Entfaltung eines Individuums, welcher potenziell als risikobehaftet erscheint (Gerstner 2022, 7). Das Austesten von Grenzen und das Überschreiten der bisher bekannten Regeln gelten als typisch (ebd., 18), ebenso wie spontane, intuitiv und emotional geleitete Entscheidungen (Hurrelmann/Quenzel 2016, 233). „Kennzeichnend für die gesellschaftliche Rahmung der Jugendphase ist die Annahme eines Bedürfnisses nach sozialer und psychischer Ablösung von der Herkunftsfamilie, in Verbindung mit der Erwartung, dass Heranwachsende eigenständige Vorstellungen über ihre biografische Zukunft entwickeln können und zugleich sollen“ (Scherr 2018, 21). Demnach ist die Lebensphase Jugend durch eine Mischung aus Autonomie und Abhängigkeit, Eigenverantwortlichkeit und Regulierung gekennzeichnet, gleichzeitig gelten Jugendliche als kontroll- und erziehungsbedürftig (ebd., 18 ff.). Eine Form der Devianz, die insbesondere im Zusammenhang mit der Identitätsentwicklung im Jugendalter thematisiert wird, ist das sogenannte Risikoverhalten). „Unter Risikoverhalten Jugendlicher versteht man ein Verhalten, das sich an den Grenzen sozial konformen Verhaltens bewegt und sie so überziehen kann, dass es als antisozial und/oder selbstschädigend wirkt“ (Böhnisch/Schröer 2013, 105). Das Risikoverhalten bezieht sich auf Verhaltensweisen, die für das Selbst oder andere Personen in dem sozialen Umfeld der*des Jugendlichen gefährlich oder schädigend sein können. Goldberg und Trenczek (2016, 59) führen an, dass das Risikoverhalten Jugendlicher ein Zeichen für „Schwierigkeiten bei der Bewältigung der genannten Entwicklungsaufgaben“ sei. Dennoch ist das Risikoverhalten normal und gehört mit in die Entwicklung der Jugendlichen, denn so können sie für sich selbst erkennen „welche Risiken, Gefahren, Chancen und Konsequenzen sich dahinter verbergen, […] wie die persönlichen Interessen und Bedürfnisse sind, und den Mut zu haben, danach zu handeln“ (ebd., 60 f.). Am Beispiel des jugendtypischen Risikoverhaltens lässt sich die Frage aufwerfen, welche Formen der Devianz junger Menschen als „normal“ und welche als „bearbeitungsbedürftig“ einzuschätzen sind.

5. Delinquenz junger Menschen zwischen Normalität, Bearbeitungsbedürftigkeit und Stigmatisierung

Der Verlauf von delinquenten Verhalten (oder Handeln) bei Jugendlichen unterscheidet sich deutlich von der Kriminalität älterer Menschen (Kohl 2021, 84). Walkenhorst und Meuter (2020, 52) ordnen die Delinquenz von jungen Menschen als eine „vorrübergehende Erscheinungsform und Ausdruck von Entwicklungsschritten und -krisen des Jugend- und Heranwachsendenalters ein“. Bei der genaueren Betrachtung der Delinquenz junger Menschen ist festzustellen, dass diese eher spontan und gruppenbezogen in Erscheinung tritt und der verursachte wirtschaftliche Schaden meistens nicht allzu groß ist (Dollinger/Schmidt-Semisch 2018, 4; Oelkers et al. 2022, 137 ff.). Selbst mehrfach delinquentes Verhalten gilt als typisch, ebenso wie die gemeinsame Tatbegehung mit mehreren jungen Menschen (Landeskriminalamt Niedersachsen 2021, 7). Ein weiteres Merkmal ist, dass junge Menschen eher impulsiv handeln und nicht die negativen Folgen antizipieren, die daraus entstehen können (Lösel/Bliesener 2003, 20).

Delinquenz in der späten Kindheit und in der Jugend gilt als ubiquitär und transitorisch (Gerstner 2022, 282). Auch Kohl (2021, 84) geht von der „Ubiquität“ der Delinquenz junger Menschen aus und meint damit, „dass Delinquenz im Kindes- und Jugendalter keine Ausnahme darstellt, sondern im Gegenteil durchaus zum normalen Heranwachsen gehört“. Basierend auf den Ergebnissen kriminologischer Dunkelfeldforschung (z. B. Boers et al. 2010, zusammenfassend Oberwittler 2021), ist davon auszugehen, dass die überwiegende Mehrheit in der Phase der Kindheit oder Jugend mindestens einmal im strafrechtlichen Sinne abweicht, allerdings nur ein kleiner Teil als tatverdächtig in die Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS) gelangt. In der überwiegenden Anzahl der Fälle wird also die Abweichung von offiziellen Institutionen weder entdeckt noch sanktioniert. Trotzdem (oder gerade deswegen) wird das abweichende Verhalten spätestens mit dem Übergang in das Erwachsenenalter wieder aufgegeben (Maschke 2003, 20).

Delinquentes Verhalten Minderjähriger ist folglich im Wesentlichen als ubiquitäres (allgemein verbreitetes), passageres und damit vorübergehendes Phänomen zu charakterisieren (Dollinger/Schmidt-Semisch 2010, 11), es ist also in aller Regel eine (mehr oder weniger lang andauernde) Episode im Leben. Angesichts der empirischen Erkenntnisse über die massenhafte Verbreitung und damit die Normalität von Normbrüchen sowie die Episodenhaftigkeit selbst schwerer Normbrüche verlieren Maßnahmen zur „Normalisierung“ an Plausibilität. Gelegentliche Polizeiauffälligkeit junger Männer ist im statistischen Sinne kein hervorstechendes, sondern vielmehr ein gewöhnliches Phänomen, so liegen junge Männer zwischen 15 und 25 Jahren regelmäßig an der Spitze der PKS (zusammenfassend Oberwittler 2021; Spiess 2012, 17). Die Ubiquität zeigt sich darüber hinaus in einer Fülle von Befragungsstudien über delinquentes Verhalten (z. B. Boers et al. 2010; zusammenfassend Oberwittler 2021): Die große Mehrheit der jungen Menschen berichtete dabei von eigenen Rechtsbrüchen (Boers et al. 2010; Oberwittler 2021; Schumann 2003, 2010). Fast alle männlichen Jugendlichen begehen Straftaten, nach eigenen Angaben sogar mehrfach. Abweichung, ja sogar Kriminalität, ist im Jugendalter aus statistischer wie entwicklungspsychologischer Sicht durchaus normal und gehört als Grenztestung zum Prozess des Aufwachsens dazu (Heinz 2003, 2014; Holthusen 2011, 7; Sevecke/Krischer 2017, 63; Wallner/Weiss 2019, 39). „In den meisten Fällen entwickeln sich im weiteren Verlauf aus diesen strafrechtlichen Auffälligkeiten heraus keine ‚kriminellen Karrieren‘“ (Scheffler 2010, 9). Der episodische Charakter von Delinquenz wird in diversen Längsschnittstudien deutlich (z. B. Boers et al. 2010; zusammenfassend Oberwittler 2021), die teils kriminelle Karrieren, teils delinquente Lebensläufe untersuchten. Ziel dieser Studien war es, die chronischen Kriminellen zu identifizieren. Allerdings fanden sich stattdessen überwiegend „Täter, die bald wieder konform geworden waren“ (Schumann 2010, 243). Es ist allerdings darauf hinzuweisen, dass die Episodenhaftigkeit delinquenten Verhaltens Jugendlicher nicht unbedingt eine Folge erfolgreicher Sanktionen ist, sondern sich selbst kriminelle Verhaltensweisen Jugendlicher im Dunkelfeld mit der Zeit verlieren (häufig sogar schneller als im Hellfeld), ohne dass die betreffenden Jugendlichen Kontakt zu Polizei oder Justiz hatten. Jugendkriminalität endet demnach mehrheitlich ohne Kontakt zu formellen Kontrollinstanzen im Sinne einer Spontanbewährung (Heinz 2006, 19 f.). Diese spontane Einstellung des delinquenten Verhaltens wird auch als „Spontanremission“ bezeichnet (Goldberg/Trenczek 2022, 264). Dies gilt auch für Interventionen im Kontext Sozialer Arbeit, die mit Blick auf Delinquenz junger Menschen als formelle Kontrolle betrachtet werden können. Aufgrund der Ubiquität und Episodenhaftigkeit von Devianz oder sogar Delinquenz im Lebensverlauf müssen auch die „Nebenwirkungen“ wohlgemeinter Interventionen z. B. im Kontext der Kinder- und Jugendhilfe kritisch in den Blick genommen werden hinsichtlich ihres Anteils an Prozessen der Stigmatisierung und Verfestigung von devianten Karrieren. Besonders die politisch häufige Forderung nach „harter“ Sanktionierung von delinquentem Verhalten junger Menschen fördert eher den Einstieg in eine kriminelle Karriere, als einen solchen zu verhindern (Dollinger/Schmidt-Semisch 2010, 11). Lutz (2022, 162 f.) sieht die Delinquenz bei Jugendlichen „als Bestandteil der Entwicklung junger Menschen [und] legt helfende und keine strafenden Reaktionen nahe“.

Hinsichtlich der Frage, ob sich deviantes Verhalten im Kindesalter im späteren Lebensverlauf festsetzt, besteht also einerseits die gut begründete Annahme, dass verschiedenste Formen von Devianz und Delinquenz „normale“ (da weit verbreitete) Phänomene im Rahmen des Sozialisationsprozesses darstellen. Andererseits wird angenommen, dass ein delinquentes Verhalten im Kindesalter die Weichen für eine Karriere aus Abweichungen stellt (Remschmidt 2009, 110). Soziale Arbeit nimmt delinquente Jugendliche oder Täter*innen eher als Gefährdete und Schutz- und Hilfsbedürftige wahr (Pütter 2022, 231). Sie setzt auf die Stärkung der individuellen Ressourcen und Fähigkeiten und auf die Förderung von positiven Lebensperspektiven der Jugendlichen. Soziale Arbeit hat demzufolge auch den Auftrag, Jugendlichen Freiräume außerhalb des gesellschaftlichen Drucks zu eröffnen, in denen sie sich ausprobieren und selbstwirksam erleben sowie Anerkennung erfahren können (Böhnisch/Schröer 2013, 103). An dieser Stelle geraten auch stationäre Erziehungshilfen in den Blick, deren Auftrag zwar im Bereich der Sozialisation, Erziehung und Bildung liegt – und so die jungen Menschen bei ihrer Persönlichkeitsentwicklung unterstützen sollen –, aber eben auch (über Stigmatisierung) Devianz und Delinquenz verfestigen können (Gaßmöller/Oelkers 2019, 122).

6. Stationäre Erziehungshilfen als kompensatorische Sozialisationsinstanz

Stationäre Erziehungshilfen, in denen Kinder und Jugendliche über Tag und Nacht außerhalb ihrer Herkunftsfamilie untergebracht werden, sind Teil eines differenzierten Leistungskatalogs der Kinder- und Jugendhilfe zur Unterstützung des Aufwachsens junger Menschen. Sie werden zum einen initiiert, wenn die leiblichen Eltern die Erziehung und das Wohl junger Menschen nicht sicherstellen können. Zum anderen erfolgt eine stationäre Unterbringung als Reaktion auf das delinquente Verhalten junger Menschen, dessen Ausmaß jene Grenze überschreitet, welche als jugendtypisch betrachtet wird (Oelkers 2018). Zu den Verhaltensweisen, die eine stationäre Unterbringung begründen, gehören unter anderem wiederholte Gesetzesübertretungen, Aggression, Suchtmittelmissbrauch, Trebegang, Prostitution sowie Schulabsentismus (Oelkers 2018; Oelkers et al. 2013, 162). Häufig bedingen mehrere dieser als problematisch angesehenen Verhaltensweisen eine Unterbringung (ebd.). Das Verhalten der jungen Menschen wird als in einem Maße gesellschaftsschädigend bzw. als gesellschaftlich nicht tolerierbar definiert, woraus ein professioneller erzieherischer Bedarf abzuleiten sei.[3] Denn die delinquenten Handlungen werden aus der Perspektive der Sozialen Arbeit als Hinweis einer inneren Hilflosigkeit und Überforderung interpretiert, welche ein ungeschicktes Bewältigungshandeln hervorrufen (Böhnisch 2019; Böhnisch/Schröer 2013) und individuelle Sozialisations- und Erziehungsdefizite spiegeln. Stationäre Erziehungshilfen stellen in diesem Fall den Versuch dar, in einer Weise zu sozialisieren, die eine Einhaltung gesellschaftlich anerkannter Normen befördert. Stationäre Erziehungshilfen sind aus dieser Perspektive eine kompensatorische Sozialisationsinstanz, die die Herkunftsfamilie als primäre Sozialisationsinstanz mindestens ergänzen, wenn nicht zum Teil ersetzen sollen. Die Idee der kompensatorischen Sozialisationsinstanz wird getragen von der Annahme, dass Normen, Werte, Lebensregeln und alltägliche Zeitstrukturen sich am ehesten in persönlichen Näheverhältnissen und gemeinsamen alltäglichen Lebensvollzügen vermitteln lassen (Negt 2002, 89). Die modernen stationären Erziehungshilfen knüpfen unter dem Label der Lebensweltorientierung an diese Annahme an. So werden Familienorientierung und eine Dezentralisierung der Einrichtungen zu wichtigen konzeptionellen Bausteinen stationärer Hilfen (Günder 2007). Die familienanalogen Strukturen in kleinen Einrichtungen bilden die Grundlage für den Aufbau tragfähiger, wertschätzender und enger persönlicher Beziehungen zwischen Fachkräften und jungen Menschen. Stationäre Erziehungshilfen sollen so zu einem „lohnenden Lebensort“ (Wolf 2022, 728) werden, der primär auf die Normalisierung von Lebensverhältnissen zielt (ebd.). Der Versuch der Normalisierung der Lebensverhältnisse stellt ein zentrales Merkmal einer kompensatorischen Sozialisationsinstanz dar. Die Annahme, dass es günstiger Lebensbedingungen zur Anregung von Entwicklungsprozessen bedarf, bildet dabei den Ausgangspunkt. Zugleich bleibt der aus dem doppelten Mandat von Hilfe und Kontrolle resultierende Normalisierungsanspruch an die jungen Menschen erhalten. In ihrer Zugangsweise als kompensatorische Sozialisationsinstanz distanzieren sich stationäre Erziehungshilfen zugleich von den Institutionen der Bestrafung und Repression (ebd.), auch wenn sie als Reaktion auf delinquente Verhaltensweisen initiiert werden.

7. Fallstricke stationärer Erziehungshilfen

Trotz aller Bemühungen, günstige Lebens- und Entwicklungsbedingungen für junge Menschen bereitzustellen, ist das Aufwachsen in stationären Erziehungshilfen ein besonderes Sozialisationsgeschehen, welches Parchow und Middendorf (2021, 4) als komplex und herausfordernd kennzeichnen. Neben den oft defizitären Sozialisationserfahrungen in der Herkunftsfamilie und der Erfahrungsbiographie der jungen Menschen zählen die Autoren insbesondere die spezifischen Strukturen der stationären Erziehungshilfen zu den Herausforderungen der Sozialisation. Diese unterscheiden sich oft fundamental von den Herkunftsfamilien und erfordern von den jungen Menschen vielfältige Anpassungs- und Eingliederungsbemühungen (ebd.).

Die Anpassungs- und Eingliederungserfordernisse resultieren aus den spezifischen Logiken des Systems stationärer Hilfen. Denn als formale Organisation beinhalten sie eine Vielzahl von Regeln und Strukturen, die mit hoher Verbindlichkeit an die jungen Menschen herangetragen werden und zugleich wenig Verhandlungsspielraum eröffnen. In den qualitativen Forschungsarbeiten von Equit (2020) und Mangold (2020) wird deutlich, dass diese Regeln und Strukturen hohe Anforderungen an junge Menschen stellen. So stellt Mangold (2020, 241 f.) heraus, dass stationäre Wohngruppen in ihren Strukturen und Praktiken entweder die Herstellung von Kindheit ermöglichen oder aber das Erwachsensein fokussieren. So seien stationäre Wohngruppen zunächst darauf ausgerichtet ein Kindsein zu ermöglichen, d. h. den jungen Menschen wird mit Fürsorge begegnet, was zugleich auch Praktiken des Kontrollierens und Regelsetzens beinhaltet. Diese Praktiken bieten zwar einen Schutzraum und dienen der Verantwortungsabgabe, beschränken jedoch zugleich jenen Freiraum, den Jugendliche zum selbstständigen Experimentieren benötigen (ebd., 250).

Auch Equit (2020) verweist in ihrer Studie auf die Herausforderungen von Jugendlichsein in stationären Erziehungshilfen. So konstruieren junge Menschen ihr Jugendleben in Abgrenzung zu den Erfahrungen in der Einrichtung und beziehen sich dazu auf ihre Peergroup. Mit Gleichaltrigen Zeit zu verbringen, chillen oder auch gemeinsam etwas erleben, kennzeichnen sie als ihr Jugendleben. Dieses Bestreben von Jugendlichsein beinhaltet jedoch ein hohes Konfliktpotential mit den Regeln und Erwartungen seitens der Fachkräfte. Wenn es jungen Menschen nicht gelingt, ihre Jugendlichkeit innerhalb der engen Grenzen der stationären Einrichtung zu gestalten, sehen sie sich den Regeln und der hegemonialen Ordnungsmacht der Fachkräfte ausgesetzt.

Ausgehend von den Forschungsarbeiten von Equit (2020) und Mangold (2020) lassen sich Fallstricke stationärer Erziehungshilfen als kompensatorische Sozialisationsinstanz identifizieren: Als formale Organisation setzen sie enge Regeln und Strukturen und eröffnen so wenig Raum für jugendliches Autonomiestreben und Grenztesten. Vielmehr sind sie bestrebt, abweichendes Verhalten weitestgehend zu unterbinden. Mit diesem Vorgehen stehen die Praktiken stationärer Hilfen in einem Widerspruch zu den Entwicklungsaufgaben Jugendlicher. Diese Widersprüchlichkeit kann von den jungen Menschen mit unterschiedlichen Strategien bearbeitet werden. Eine mögliche Strategie junger Menschen stellen dauerhafte Konflikte mit Fachkräften und dem Hilfesystem dar. Entlang dieser konflikthaften Hilfeprozesse lassen sich die Fallstricke stationärer Erziehungshilfen (Verlegen und Ausschließen, Fortschreiben von Stigmatisierungen, Verstärkung der Strukturierung und Autonomiebegrenzung) als kompensatorische Sozialisationsinstanz aufzeigen.

Bei anhaltend konflikthafter Hilfegestaltung wird zunächst seitens der Einrichtungen eine Praxis des „Verlegen[s] und Abschieben[s]“ (Freigang 1986) sichtbar. So erklären sich Einrichtungen aufgrund der (devianten) Verhaltensweisen junger Menschen für nicht länger zuständig, da sie – aus ihrer Perspektive heraus – den besonderen Bedarfen dieser jungen Menschen augenscheinlich nicht gerecht werden können (Baumann 2010; Freigang 1986; Gaßmöller 2022). Mit dem Ausschluss aus einer Hilfemaßnahme gehen jedoch zugleich Etikettierungsprozesse einher, die diese jungen Menschen als „besonders herausfordernd“ kennzeichnen. Wiederholen sich diese konflikthaften Betreuungsverläufe, werden die jungen Menschen mit weiteren negativen Attributen wie z. B. „erziehungsresistent“ (Witte/Sander 2011) oder „unerziehbar“ (Oelkers et al. 2008) gekennzeichnet. Einige dieser attribuierten jungen Menschen werden gegenwärtig unter dem Begriff „Systemsprenger*innen“ (Baumann 2010) subsumiert und sehen sich mit vielfältigen Zuschreibungen von Devianz konfrontiert, die Prozesse sekundärer Devianz (Lamnek 2021, 226) evozieren, sodass die Gefahr einer Verfestigung delinquenten Verhaltens besteht. So argumentiert auch Böhnisch (2010, 56) – wenn auch mit Blick auf Schule –, wie mit Definitionsmacht ausgestattete Institutionen bzw. durch deren negative Etikettierungsprozesse maßgeblich am Entstehen von Devianz von jungen Menschen beteiligt sind. Instanzen der sozialen Kontrolle etikettieren das Bewältigungsverhalten negativ (ebd.), sodass (in Anlehnung an die etikettierungstheoretischen Grundannahmen) es so weit kommen kann, dass ein Kind die entsprechende Etikettierung annimmt, sie verinnerlicht und danach lebt (ebd., 57), da es die Situation in der Regel weder aushandeln noch mit Gegenmacht bewältigen kann (ebd., 58).

Zugleich wirken diese Zuschreibungen auch in das System der Kinder- und Jugendhilfe hinein. Einerseits scheinen die regulären Angebote der Kinder- und Jugendhilfe dem Bedarf der jungen Menschen nicht mehr entsprechen zu können, sodass sich kaum noch Einrichtungen finden lassen, die die jungen Menschen aufnehmen (Gaßmöller/Oelkers 2020, 87). Andererseits bleibt die Kinder- und Jugendhilfe qua im SGB VIII definiertem Auftrag dennoch zuständig. In der Logik des Systems bedarf es daher spezialisierter Einrichtungen für diese besondere Zielgruppe (Gaßmöller 2022, 5; Schwabe 2020). So führt zum Beispiel Henkel (1998, 32) aus, dass die für angemessen betrachteten Angebote der Kinder- und Jugendhilfe zumeist ihre Funktion erfüllen und somit dazu beitragen, dass abweichend bzw. auffällig gewordene junge Menschen zurück zu einer altersentsprechenden Sozialisation finden können. Bei einem kleinen Teil treffe dies jedoch nicht zu, weshalb die Kinder- und Jugendhilfe in diesen Fällen Maßnahmen mit einem höheren Eingriffscharakter einsetzen müsse (ebd.; siehe auch Oelkers et al. 2020, 3).

Zu den Angeboten mit höherem Eingriffscharakter zählen die sogenannten intensivpädagogische Angebote. Unter diesem kritisch diskutierten Sammelbegriff fallen unter anderem Auslandsmaßnahmen sowie offene und freiheitsentziehende Wohngruppen (Schwabe 2020). Gemeinsam ist den unterschiedlichen Angeboten, dass sie augenscheinlich der Logik eines immer engeren und immer exklusiveren Zugriffs auf junge Menschen folgen (Oelkers et al. 2020, 3). Es gelte, den jungen Menschen „Grenzen“ aufzuzeigen, „Normen und Werte“ zu verdeutlichen und sie „gesellschaftsfähig“ zu machen. Die Maßnahmen weisen dazu einen stark strukturierten Tagesablauf auf und tragen Regeln mit hoher Verbindlichkeit an die jungen Menschen heran. Sanktionen bei Regelverletzungen sind festgeschrieben und lassen kaum Spielräume zur Aushandlung (Clark 2020, 80). Über Punkte- und/oder Verstärkerpläne wird erwünschtes Verhalten belohnt und unerwünschtes Verhalten sanktioniert (Gaßmöller 2019). Als gewichtige Machtmittel der Fachkräfte zur Verhaltensmodifikation fungieren insbesondere die Erlaubnis (bzw. das Verbot), die Einrichtung verlassen oder das Handy nutzen zu können (ebd.). Freiräume um verschiedene Verhaltensweisen zu erproben, werden so von den Einrichtungen weitestgehend begrenzt und damit auch ein Jugendlichsein erschwert.

Im Diskurs um Systemsprenger*innen werden jedoch die Fallstricke eines derart machtvollen Zugriffs deutlich: Wenn auf jugendtypische Abweichungen und Autonomiestreben mit immer rigider werdenden Grenzsetzungen reagiert wird, wird jener Teufelskreis aus Regelbrüchen, Sanktionen und erneuten Regelbrüchen initiiert, der schließlich zum Ausschluss junger Menschen aus dem Hilfesystem führt (Clark/Momo Hamburg 2019; Gaßmöller 2022). Die delinquenten Verhaltensweisen junger Menschen, welche den Ausgangspunkt einer stationären Unterbringung markierten, werden so am Ende zum Ausschlussgrund aus dem Hilfesystem. Und zugleich gehen mit dem Scheitern von stationären Erziehungshilfen (weitere) negative Etikettierungen gegenüber den jungen Menschen einher, die die Rückkehr zu sozial erwünschten Verhaltensweisen deutlich erschweren.

8. Ausblick: Herausforderungen stationärer Hilfen als kompensatorische Sozialisationsinstanz

Der Umgang mit jugendlicher Delinquenz stellt stationäre Erziehungshilfen als kompensatorische Sozialisationsinstanzen vor Herausforderungen: Einerseits gilt es dem abweichenden Verhalten junger Menschen zu begegnen und Normen zu verdeutlichen, andererseits ist es zwingend geboten, jenen Teufelskreis von Regelbrüchen und Sanktionen zu vermeiden, der zum Ausschluss aus den stationären Erziehungshilfen führt. Denn die mit dem Ausschluss einhergehenden Stigmatisierungsprozesse evozieren jene sekundäre Devianz, die eine Rückkehr zu konformen Verhaltensweisen für die jungen Menschen immer herausfordernder werden lässt.

Ebenso zeigen Forschungsarbeiten zu den Lebensläufen nach freiheitsentziehenden Maßnahmen die Wirkmächtigkeit negativer Etikettierungen: Selbst nach dem Scheitern jener Maßnahmen entsteht bei vielen jungen Menschen irgendwann zwar der Wunsch nach einem konformen Leben. Trotz ernsthafter Bemühungen sind jedoch insbesondere im Unterstützungssystem bereits viele Türen verschlossen (Gaßmöller 2022; Oelkers/Gaßmöller 2020, 94 f.). Der Weg zu einer konformen, angepassten Lebensweise durch Spontanbewährung ist für diese jungen Menschen ungleich herausfordernder, denn eine gelingende Sozialisation setzt die gleichberechtigte Teilhabe und Teilnahme an der Gesellschaft voraus. Aufgrund prekärer Lebensbedingungen sind die Voraussetzungen für junge Menschen in stationären Hilfen bereits ungleich schlechter als für junge Menschen in ihren Herkunftsfamilien. Diese Benachteiligungen potenzieren sich jedoch bei Ausschluss aus dem Hilfesystem erheblich.

Stationäre Erziehungshilfen als kompensatorische Sozialisationsinstanzen sind folglich herausgefordert, den Spagat zwischen Normverdeutlichung einerseits und Vermeidung von Stigmatisierungen andererseits zu vollbringen sowie die Handlungsfähigkeit junger Menschen zu fördern bzw. zu ermöglichen. Gleichzeitig veranschaulichen die Forschungsergebnisse zu den weiteren Lebensverläufen nach freiheitsentziehenden Maßnahmen, dass auch erhebliche Delinquenz Jugendlicher am Ende häufig nur eine mehr oder weniger lange Phase ist (Gaßmöller 2022). Dieser Befund mahnt zugleich an, in der stationären Jugendhilfe sorgsam mit Zuschreibungen umzugehen sowie die Tür zur Kinder- und Jugendhilfe für delinquente junge Menschen lange und geduldig offen zu halten. Zudem bedarf es der Reflexion, inwiefern stationäre Erziehungshilfen delinquentes Verhalten durch die eigenen Rahmenbedingungen und Zuschreibungen erst selbst hervorbringen bzw. verfestigen.

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[1] Ausgehend von diesem Sozialisationsbegriff, werden Bildung als normative Zielsetzung des Sozialisationsprozesses und Erziehung als bewusst gesetzte Impulse zur Persönlichkeitsentwicklung beschrieben sowie als Unterbegriffe von Sozialisation bezeichnet (Hurrelmann 2002, 15 f.).

[2] Nach Hurrelmann und Bauer (2015, 15) bezeichnet Sozialisation „die Persönlichkeitsentwicklung als eine ständige Interaktion zwischen individueller Entwicklung und den umgebenden sozialen Strukturen, wobei diese Interaktionserfahrungen aktiv und produktiv verarbeitet und sowohl mit den inneren körperlichen und psychischen als auch mit den äußeren sozialen und physischen Gegebenheiten permanent austariert werden“.

[3] Die Idee von Erziehung als angemessene Reaktion auf jugendliche Abweichung findet sich insbesondere auch in dem gesetzlich verankerten Erziehungsgedanken im JGG (Oelkers 2018, 893).