LINKE BILDUNGSAUFSTEIGER*INNEN – ZUM ZUSAMMENSPIEL VON POLITISCHER SOZIALISATION, BILDUNGSASPIRATIONEN UND EMOTIONEN
Jessica Lütgens & Flora Petrik
1. Einleitung[1]
Das linke Milieu steht unter dem Verdacht der „Bildungsnähe“ – und sieht sich mit dem Vorwurf konfrontiert, in beträchtliche Distanz zu jenen geraten zu sein, für die sich seine Vertreter*innen politisch einsetzen. Ihm eilt der Ruf voraus, sich an Universitäten zu sammeln, in linksliberalen akademischen Blasen, weit weg von jenen, die gegenwärtig gesellschaftlich abgehängt werden. Dieser Umstand rührt die Gemüter: Der deutsche Publizist Christian Baron wirft in seinem Buch mit dem programmatischen Titel „Proleten, Pöbel, Parasiten: Warum die Linken die Arbeiter verachten“ (2016) der linken Szene fehlende Empathie mit dem Lebensstil, den Einstellungen und den Sorgen der „Unterschicht“ vor. Er selbst wuchs in einem sozialen Milieu frei von bildungsbürgerlichen Kapitalien auf und musste sich seinen Platz an der Universität erst schmerzlich erobern. Oft genug wurde ihm als Aufsteiger dabei signalisiert, nicht dazuzugehören. Auf seinen autobiografischen Erfahrungen aufbauend schreibt er:
Meine linken Politfreunde führten einen Klassenkampf gegen mich, ohne es überhaupt zu bemerken, denn sie kannten meine Lebenswelt nicht und begriffen ihre eigene Wirklichkeit als die einzig existente Normalität. Wenn ihnen also schon der Bezug zu mir in so vielem fehlt, so fragte ich mich, wie sollen sie dann erst einen Draht zu den Deklassierten finden? (Baron 2016, 75)
In Barons Schilderungen einer studentisch geprägten Szene zeigen sich Enttäuschung und Wut über eine Linke, welche angeblich die von ihr adressierte Arbeiter*innenklasse zwar mobilisieren, nicht aber in die eigenen Reihen aufnehmen möchte. Diese verallgemeinerte Erfahrung der Exklusion und Abwertung bildet die Grundlage seiner zornigen Kritik an der linken Szene. Dabei korrespondiert der Eindruck des Autors durchaus mit statistischen Befunden: Empirische Studien zeigen, dass die Höhe des Bildungsabschlusses von signifikanter Bedeutung für politisches Engagement ist und sich das linke Milieu tendenziell aus Personen mit akademischen Graden zusammensetzt (vgl. Matuschek et al. 2011).
Der Groll, der in Barons Schilderungen zu Tage tritt, lässt sich auch in weiteren biografisch inspirierten und gesellschaftskritisch gewandten Publikationen zu den Erfahrungen von Bildungsaufsteiger*innen finden, welche aktuell eine Konjunktur erleben. Vielfach unter dem Etikett „Klassismus“ (vgl. Altieri/Hüttner 2020; Seeck/Theißl 2020) werden die Wut über die Universität als exklusive Institution geschildert sowie die Enttäuschung über eine akademische Linke, die keinen Platz zu haben scheint für jene, deren Familien nicht über das richtige „kulturelle Kapital“ (Bourdieu 1983) verfügen. Die Bedeutung von Emotionen für den Weg junger Menschen in linke Politisierung (vgl. Lütgens 2021) und an die Universität (vgl. Christie 2009) sind dabei nicht zu unterschätzen: Einblicke in die lebensgeschichtlichen Erzählungen linksaffiner Bildungsaufsteiger*innen (z. B. Tschulanov 2021) – also jener, die für linke Inhalte, Artikulations- und Organisationsformen empfänglich sind – verweisen auf die affektive Aufladung biografischer Erfahrungen der „Un-/Zugehörigkeit“ (Rieger-Ladich et al. 2020). Linksaffine Bildungsaufsteiger*innen geraten somit, so unsere These, in ein spannungsvolles und emotional geladenes Verhältnis zu der linken Szene und der Universität. Wie sich dieses Verhältnis gestaltet, ist Gegenstand des vorliegenden Beitrags. Emotionen scheint nämlich eine bedeutsame, wenn auch noch ungeklärte Rolle in den Biografien linksaffiner Bildungsaufsteiger*innen zuzukommen. Die Erkenntnislücke hinsichtlich der Verknüpfung von Emotionen, Linksaffinität und Bildungsaufstieg rücken wir daher ins Zentrum unseres Beitrags. Wir fragen: Welche Rolle spielen Emotionen für die biografischen Wege linksaffiner Bildungsaufsteiger*innen?
Zur Beantwortung dieser Frage werden biografische Erzählungen junger Bildungsaufsteiger*innen aus dem linksaffinen Alltagsmilieu herangezogen.[2] Die Datenbasis entstammt zwei biografieanalytischen Studien, eine zu Politisierung in der Adoleszenz (vgl. Lütgens 2021) und eine zu Bildungsaufstieg durch die Universität (vgl. Petrik 2022a, 2022b). Zunächst skizzieren wir jedoch den Stand der Forschung, der den Zusammenhang zwischen linksaffiner Orientierung und Bildungsaspirationen plausibilisiert. Im darauffolgenden Abschnitt stellen wir die theoretische Grundlage des Beitrags vor und führen anschließend in das methodische Vorgehen und unser Datenmaterial ein. Das Herzstück des Beitrags bildet die Analyse zweier empirischer Fallbeispiele, anhand derer sich die Rolle von Emotionen linksaffiner Bildungsaufsteiger*innen veranschaulichen lässt. In der kontrastierenden Diskussion der Befunde werden daraufhin biografische Konstellationen herausgearbeitet, die sich als bedeutsam für die Beschaffenheit emotionaler Praxis im Bildungsaufstieg linksaffiner Studierender erweisen. Der letzte Abschnitt umfasst das Fazit und einen Ausblick.
2. Forschungsstand zu linker Affinität, Bildungsaspirationen und Emotionen
Für unsere Untersuchung erscheinen uns zwei Forschungsrichtungen besonders bedeutsam: einerseits quantitative Beiträge zur Politisierung junger Erwachsener, die u. a. Einblicke in die Bildungsstruktur des linksaffinen Milieus erlauben, und andererseits qualitative Beiträge zum Verhältnis von Linksaffinität und Bildung auf biografischer und kollektiver Ebene. Beide Zugänge verweisen auf einen Zusammenhang von linker Affinität und Bildungsaspirationen und werfen die Frage auf, welche Rolle Emotionen in diesem Gefüge zukommt.
Quantitative Beiträge zu linksaffiner Orientierung und Bildung verweisen auf einen erkennbaren Zusammenhang zwischen linkspolitischen Einstellungen und angestrebten und erreichten Bildungsabschlüssen: So zeigen Matuscheck et al. (2011) in ihrer Studie zu linksaffinen Alltagsmilieus auf, dass fast jede*r zweite befragte Linksaffine die Hochschulreife absolviert hat, wobei diese Gruppe tendenziell in einem Rechts-Links-Unbestimmt-Vergleich die höchsten Bildungsabschlüsse vorweist. Die Autorengruppe resümiert: „Linksaffine gehören tendenziell eher zur hoch gebildeten und qualifizierten Bildungsschicht und üben in stärkerem Maße wissensintensive Tätigkeiten aus“ (Matuschek et al. 2011, 39). Pfaff (2006) zeigt in ihrer Mixed-Methods-Studie zu Politisierung und Jugendkulturen anhand von Daten aus einer Befragung von Schüler*innen der achten und neunten Klasse, dass linksalternativ orientierte Jugendliche eher einen höheren Bildungsabschluss anstreben als ihre Peers (vgl. Pfaff 2006, 146). Niedrige Bildungsaspirationen sind nach Pfaff bei Sympathisant*innen der rechten Szene ausgeprägter als bei denen linker Szenen (vgl. Pfaff 2006, 147). Andere Studien, die nicht politische Orientierungen, sondern Begründungzusammenhänge für politisches Interesse und Partizipation von Jugendlichen untersuchen, deuten dazu passend darauf hin, dass das ausschlaggebende Kriterium für eine Aktivität in politischen Organisationen und Bewegungen generell die Höhe des Bildungsabschlusses ist (vgl. Gaiser/Gille 2012). Damit geraten andere Differenzkategorien wie Wohnort, Geschlecht oder Migrationserfahrung in den Hintergrund (vgl. Gaiser/Gille 2012, 148 f.). Weitere Untersuchungen, darunter eine DJI-Teilstudie, verweisen ebenfalls auf das hohe Maß an Bildungsabhängigkeit in den sozialen Bewegungen (vgl. Gaiser/de Rijke 2011, 47 f.), woraus geschlossen wird, dass diese potenziell exkludierend auf Jugendliche ohne höhere Bildungsaspirationen wirken können. Und auch die neueren Daten der Shell Jugendstudie (2019) betonen, dass jene Jugendliche, die sich als „politisch interessiert“ positionieren, eine gehobene soziale Herkunft mitbringen und eher links- als rechtsaffin orientiert sind (vgl. Gaiser/de Rijke 2011, 14–19).
Einige qualitative Arbeiten zu Aktiven in politischen Szenen, Organisationen und sozialen Bewegungen rekonstruieren anhand von Fallstudien, dass linke Affinität und Bildungsaspirationen eng verknüpft sind (vgl. Miethe et al. 2015; Soremski 2019; Thomsen 2020; Lütgens 2021; Nohl 2022; Soremski/Wiezorek 2023). Beispielsweise zeigt Lütgens in ihrer Studie zu Politisierung auf, dass eine linke politische Sozialisation das Potential birgt, „Zugangsbarrieren zu formalen Bildungsabschlüssen abzumildern“ (2021, 162). Junge Erwachsene würden in linken Kollektiven „ein Anregungsmilieu für neue und andere Erfahrungen, Lerninhalte und auch Lebensentwürfe als in ihren sozialen und familialen Milieus finden“ (Lütgens 2021, 162). Die Fallanalysen von Thomsens (2020) Studie zu Bildung und Protestbewegungen sowie die empirischen Einblicke in Nohls (2022) Untersuchung zu Protest und politischer Sozialisation erlauben, linkspolitische Sozialisation auch als Erzählungen von Bildungsaspirationen und -aufstiegen zu interpretieren. Dabei werden die sich überlagernden Politisierungs- und Bildungsprozesse in den Fallbeispielen von „Klassenübergänger*innen“ als ambivalente Entfremdung vom Herkunftsmilieu geschildert (z. B. die Fälle von „Peter Waldorfer“ oder „Bettina Kubitschek“, welche sowohl bei Thomsen (2020) als auch bei Nohl (2022) ausgeführt werden). Auch jene Studien, die keine Biografien, sondern das linksaffine Alltagsmilieus selbst in den Blick nehmen, wie jene von Hitzler und Niederbacher (2010) oder der qualitative Teil der Studie von Matuscheck et al. (2011), untermauern das enge Zusammenspiel von Bildungs- und linker Affinität.
Auf Basis des Forschungsstands lässt sich argumentieren, dass linke Affinität und Bildungsaspirationen, oftmals in Gestalt von Bildungsaufstiegen verwirklicht, eng aneinandergekoppelt sind. Dieser Zusammenhang liegt vermutlich u. a. begründet in der Alters- und sozioökonomischen Struktur derjenigen, die linksaffinen Alltagsmilieus angehören, aber auch im Selbstanspruch linker Szenen, sich und andere zu bilden. Sowohl Bildungsentscheidungen als auch politische Haltungen sind dabei keine rein vernunftgeleiteten Entscheidungen, sondern Ergebnis biografischer Erfahrungen affektiver Dynamiken und habitueller Horizonte (vgl. Dausien 2014, Brehm in diesem Heft). Anstatt Emotionen als wirkmächtige Praxis im Lebensverlauf zu untersuchen, werden sie vielfach in biografischen Studien als Begleiterscheinungen von subjektivem Erleben begriffen und somit bisweilen vernachlässigt (vgl. zu dieser Kritik Petrik 2022b). Um den Kurzschluss zu verhindern, den quantitative Studien teilweise nahelegen, politische Affinitäten oder Bildungsaspirationen auf eine Frage der Höhe des familial zugrunde gelegten Bildungsabschlusses zu reduzieren, rückt in unserem Beitrag die Ebene der Gefühle in den Fokus. Indem wir eine emotionstheoretische Perspektive auf das empirische Material unserer Studien wählen, reagieren wir auf die vermeintliche Gegenüberstellung von „rationaler“ Politik, „vernünftiger“ Bildungsentscheidungen und „emotionalem“ Erleben und widmen uns der Dynamik ihres Zusammenwirkens.
3. Theoretische Fokussierung – Emotionen als Praxis
Um das Verhältnis zwischen Gefühlen, politischer Sozialisation und Bildungsaspirationen zu verstehen, erweist sich die Überwindung einer „dualistische[n] Theorie von Emotionen und Rationalität“ (Schaal/Heidenreich 2013, o. S.) als notwendig. Wir bestimmen Gefühle in Anlehnung an die Kulturwissenschaftlerin Scheer (2019) als soziale und kulturelle Praxis – und damit als gesellschaftlich strukturiert und gleichermaßen kreativ wie eigensinnig. Sie entfalten sich im Tun, werden körperlich erlebt, interaktiv ausgedrückt und dirigieren das menschliche Denken und Handeln maßgeblich. Anschließend an ihre praxeologische Lesart von Bourdieus Habituskonzept postuliert Scheer: „Emotion hat man nicht, Emotion tut man“ (2019, 352). Diese Perspektive erweist sich damit als anschlussfähig für den Versuch, Emotionen nicht als Gegenspielerinnen von vermeintlich rationalen Bildungsentscheidungen oder politischen Orientierungen zu sehen, sondern als etwas, das dem „praktischen Sinn“ (Bourdieu 1979) eingelagert ist. Gefühle sind demnach weder „mechanische Notwendigkeit“ (Bourdieu 1987, 105) einer Reiz-Reaktions-Kette, noch unterliegen sie dem intentionalen Handeln eines rationalen Subjekts (vgl. Scheer 2019, 356). Vielmehr sind sie „das Tun eines habitualisierten Körpers, der vom praktischen Sinn geleitet wird, aus dem Repertoire möglich sinnvoller Reaktionen zu wählen, mit mal mehr, meist weniger bis gar keiner bewussten Überlegung dabei“ (Scheer 2019, 356). Wir verstehen Emotionen demnach als körperliche – und potenziell reflexiv greifbare – Vollzugsweisen, die Denken, Handeln und Biografien navigieren. Als heuristische Perspektive sensibilisiert diese Sichtweise den Blick auf biografische Szenen, in denen emotional wirkmächtige Praxiskomplexe zu Tage treten, also Erleben, Bearbeiten und Tun in besonderer Weise mit Gefühlen verknüpft sind und im Erzählen präsent werden. Jene „Bündel an Praktiken“ (Schatzki 2016), die im Kontext von linksaffiner politischer Sozialisation und Bildungsaufstiegen als emotional bedeutsam vollzogen und erlebt werden, bilden den Dreh- und Angelpunkt unserer Analyse.
Ausgehend von sozialwissenschaftlichen Perspektiven auf Biografie (vgl. Fischer/Kohli 1987) bedienen sich beide diesem Beitrag zugrundeliegenden Studien nicht nur Erhebungsmethoden der Biografieforschung, sondern verstehen Biografie auch als theoretisch-methodologisches Programm. Aus diesem Grund wird im Folgenden das emotionale Tun der Erzähler*innen im lebensgeschichtlichen Kontext biografischer Prozesse, Erfahrungsaufschichtungen und Sinnkonstruktionen analysiert (vgl. Dausien 2014). Emotionale Praktiken, also jenes Handeln, welches von intensiv wirksamen Gefühlen angetrieben wird, rekonstruieren wir dementsprechend nicht nur dort, wo die Erzählenden explizit Gefühlszustände nennen, sondern auch in Sequenzen, deren narrative Verkettung auf die hohe Relevanz von Gefühlen verweisen. Das biografieorientierte Forschungsprogramm eröffnet demnach Perspektiven auf das komplexe Wechselverhältnis von Bildungsaufstieg und linker Affinität und erlaubt Einblicke in die dabei bedeutsamen emotionalen Dynamiken.
4. Biografische Perspektiven auf linksaffine Bildungsaufsteiger*innen
Zur Beantwortung unserer Forschungsfrage greifen wir auf den Datenkorpus zweier biografieanalytischer Studien zurück. Zum einen liegen der folgenden Analyse Fälle aus der Studie „‚Ich war mal so herzlinks‘ – Politisierung in der Adoleszenz“ (Laufzeit: 2015–2019; vgl. Lütgens 2021) mit einem Gesamt-Sample von 14 biografisch-narrativen Interviews mit jungen Erwachsenen aus Deutschland zugrunde. Zum anderen bilden 17 biografisch-narrative Interviews von First-Generation-Studierenden aus Österreich und Deutschland aus der noch laufenden Studie „Klassenübergänge – Bildungswege im Spiegel sozialer Ungleichheit“ (Laufzeit: 2019–2024; vgl. Petrik 2022a, 2022b) den Datenkorpus. Die Daten wurden im Stil der Grounded-Theory-Methodologie erhoben und ausgewertet (vgl. Strauss/Corbin 1996). Das empirische Material wurde also im Hinblick auf die Fragestellungen erschlossen, kontrastiert und mit dem Fokus auf die Generierung neuer Konzepte und theoretischer Ideen analysiert. Die im Zuge des „theoretischen Samplings“ (Glaser/Strauss 2010) für den vorliegenden Beitrag ausgewählten Fälle eint, dass die Biograf*innen allesamt aus einem nichtakademischen Herkunftsmilieu stammen, sich als tendenziell linksaffin verorten und einen deutlich höheren Bildungsabschluss als ihre Eltern anstreben. Zudem befinden sie sich im Vollzug eines Bildungsaufstiegs, haben also noch nicht ihren höchsten angestrebten Bildungsabschluss erreicht.
Für die folgenden Falldarstellungen werden Sequenzen aus zwei Interviews herangezogen, die um das Erleben des politischen Sozialisations- und Bildungsorts Universität zentriert sind. Die Gründe für diese Engführung auf die biografischen Erfahrungen im akademisch-studentischen Feld wurden eingangs bereits angedeutet: Zum einen findet hier oftmals ein erstes Zusammentreffen mit dezidiert linken Kollektiven statt. Diese Begegnungen können zu einer Vielfalt an mitunter widerstreitenden emotionalen Praktiken führen. Zum anderen bildet die Universität für Biograf*innen ein Reservoir an Möglichkeiten der Positionierung gegenüber den engmaschigen, rigideren und selten selbstgewählten Kontexten Familie, Schule oder Erwerbsleben (vgl. Petrik 2022a). Die Bedeutung von beispielsweise interpersonalen Beziehungen und inhaltlicher Auseinandersetzung gewinnt damit an Gewicht, da diese an der Universität im Vergleich zu anderen Zusammenhängen autonomer organisiert sind. Die Ergebnisse unserer Untersuchung werden im Folgenden exemplarisch anhand von zwei kontrastiven biografischen Verläufen – den Fällen von Miriam und Sebastian[3] – diskutiert, wobei der Fokus auf den spezifischen Verknüpfungen von linker Affinität, Emotionen und Bildungsaufstieg liegt.
4.1 Miriam: Emotionen als Antrieb für den Bildungsaufstieg
Miriam ist zum Zeitpunkt des Interviews 26 Jahre alt, hat vor kurzem ihren Master in Soziologie abgeschlossen und plant zu promovieren. Gemeinsam mit ihren Geschwistern und ihren Eltern, einem Elektriker und einer Sekretärin, wächst Miriam in einer ruralen Gegend auf. Dort absolviert sie die Grundschule und wechselt anschließend auf das Gymnasium im Nachbardorf. Dadurch, dass die von Miriam besuchte Einrichtung auch einen Real- und Hauptschulpfad umfasst, wäre ein Wechsel in eine andere Schulform eventuell aus der Perspektive der Eltern ohne weiteres möglich gewesen. Dass die Protagonistin durchweg einen höheren formalen Bildungsgrad als ihre Herkunftsfamilie verfolgt, verweist auf eine frühe Bildungsaffinität sowie ihre Fähigkeit, sich quer zu sozialen Milieus zu bewegen.
Das Gymnasium wird für die Biografin potentiell zu einem bedeutsamen Anregungsmilieu, in welchem sie ihre Interessen weiter ausbilden kann. So erzählt sie, als Schülerin habe sie „schon Jahre zuvor sowas wie Sartre gelesen und quasi viel zu Religionskritiken, weil meine Eltern sind auch sehr (lachend) religiös, genau, und dann hab ich studiert“ (Miriam, Z. 69–71).[4] Die Neigung zu kritisch-theoretischen Lektüren konstituiert schließlich Miriams Entscheidung für ein Soziologie-Studium im jungen Erwachsenenalter. Diese Wahl erweist sich aus der Perspektive der Biografin nur folgerichtig, da sie „einfach so Gesellschaftskritiken schon immer spannend“ (Miriam, Z. 68–69) fand. Miriam stellt im Verlauf des Interviews mehrfach ihre lustvoll vollzogenen Praktiken der ideologiekritischen Selbstbildung und ‑reflexion dar (z. B. Auseinandersetzung mit philosophischen und sozialwissenschaftlichen Lektüren oder zielgerichteter Nachrichtenkonsum). Aus heutiger Perspektive sind es genau jene Praktiken und die Freude an ihnen, die es ihr erlauben, die Differenz zwischen sich und ihrem Herkunftsmilieu humorvoll-lachend zu thematisieren. Für die Studentin wird die Universität zum verlängerten Arm eben dieser hoffnungsvollen und schmerzlindernden Praktiken der „spannenden Gesellschaftskritik“, die sie als Jugendliche bereits begeistert haben.
Die schon in ihrer frühen Jugend einsetzende autodidaktische Aneignung von politischen Deutungsweisen und Wissensbeständen wirkt konstitutiv sowohl für Miriams Bildungsaspirationen als auch ihre linksaffine politische Sozialisation. Sie schildert, sie habe sich als Jugendliche stets mit tagesaktuellen Nachrichten beschäftigt und versucht, über politische Themen zu diskutieren, wodurch ihr jedoch die Rolle als Sonderling in Familie und Dorfgemeinschaft zugekommen sei. Mit Blick auf ihr Aufwachsen erzählt die Biografin:
[W]ie oft hab’ ich auf dem Dorf gesagt bekommen: ‚Ja, du musst nicht mitreden, du bist eine Frau und Frauen versteh’n nichts von Politik‘, und das hat mich geärgert, aber ich wusst’ es nicht zu artikulieren, so. Und erst an der Uni war das so ein ‚Oh, ja ok ((lacht)), ich hab’ irgendwie eine andere Position und das ist schön so‘ – aber ich musst es auch irgendwie erstmal, also mich dran gewöhnen (lacht) […], man wird einfach nochmal sozialisiert. (Miriam, Z. 601–612)
An den Orten ihrer frühen Sozialisation, der Familie und dem Dorf, sieht sich Miriam mit rigiden Ausschlüssen konfrontiert: Obwohl sie versucht, sich in politischen Diskussionen einzubringen, wird ihr aufgrund ihres Geschlechts abgesprochen, sich dazu äußern zu können. Die Universität wird im Kontrast hierzu zu dem Ort, in dem sie diese „biographische Verwundung“ (Lütgens 2021, 159) zu artikulieren, zu deuten und damit zu verarbeiten lernt. Hier erfährt sie eine zweite Sozialisation („nochmal sozialisiert“), die ihr eine Stimme von Gewicht verleiht. Dabei wird Miriam durch ihr späteres Studium nicht nur mit den notwendigen Ressourcen ausgestattet, um zurückliegende Widerfahrnisse als Produkt patriarchaler Verhältnisse zu begreifen, wie sie es im Interview beschreibt. Diese Erfahrung stiftet auch die Möglichkeit, sich selbst – im Kontrast zu der Zeit ihres Aufwachsens im Dorf – als anerkanntes Mitglied einer Gemeinschaft zu erleben. An verschiedenen Stellen im Gespräch schildert die Biografin positive Erfahrungen der Anerkennung, die sie im akademischen Kontext macht: In Seminaren und Sprechstunden wird sie aufgrund ihrer Beiträge geschätzt, sie beteiligt sich an Lesekreisen, politischen Veranstaltungen und anderen extracurricularen Aktivitäten. Auf diese Weise gelingt es ihr, die Internalisierung vergangener missachtender Anrufungen und daraus folgende Scham- und Unterlegenheitsgefühle abzuwehren und das bis dato ungewohnte Wohlempfinden einer anerkannten und sicheren Position zu erleben.
Dass sich Miriam von ihrem Herkunftsmilieu mit Blick auf ihre politischen Haltungen und ihre Bildungsaspirationen wegbewegt, verdeutlicht sie unter anderem anhand der Schilderung einer vergangenen Liebesbeziehung. Mit ihrem ehemaligen Partner, der im gleichen Dorf aufwuchs, hätte sie zur Zeit ihres Studienbeginns „sehr viele politische Kämpfe“ (Miriam, Z. 1031) ausgefochten. Der Ex-Partner der Protagonistin sei „aus einer erzkonservativen Familie“ (Miriam, Z. 1032) gekommen und habe versucht, ihre Studienwahl und den damit verbundenen Lebensentwurf zu kontrollieren. Den letztendlichen Bruch ihrer Beziehung schildert die Erzählerin wie folgt:
[Er hatte] nur konservative Argumente auf mein Studium und ich dann halt so diese linken Argumente und das hat überhaupt nicht harmoniert und er wollte auch gar nicht, dass ich von dem Dorf weg ziehe, und war dann auch so ‚Wir müssen uns jeden Tag seh’n‘, und das war dann für mich irgendwann überhaupt nicht mehr tragbar, weil es grade so dieses Uni-Feeling, frei sein, und auch dieses ‚Warum soll ich mich jetzt an irgendwelche […] urkonservative Kategorien Frauen-Partnerschaft einordnen‘, das ist das, ist ‘ne Last so für mich gewesen, genau, und dann isses daran so’n bisschen zerbrochen. (Miriam, Z. 1034–1045)
In dieser kurzen Sequenz deutet sich ein komplexes Bündel an Emotionen an, die Miriams Entscheidungen in Hinblick auf die Beendigung der Beziehung und eine Fortsetzung ihres Studiums orchestrieren: Der Wut gegenüber heteronormativen Begrenzungen, die ihr damaliger Partner ihr auferlegt, steht das befreiende „Uni-Feeling“ und ein Aufbäumen gegen deterministische Zuschreibungen gegenüber. Das begrenzende Milieu des Dorfs, repräsentiert durch den ehemaligen Partner, wird hierbei als Gegenhorizont zur universitären Sphäre konstruiert, welche Miriam mit „linken Argumenten“ ausstattet, und so ihren Bruch mit dem ehemaligen Umfeld rahmt. Die Trauer über eine beendete Liebesbeziehung hält sie nicht zurück, sondern wird überschattet von dem immensen Sog eines Frei-Sein-Wollens als Antrieb für die junge, linksaffine Studentin.
In ihrer Erzählung referiert Miriam auf unterschiedliche, für sie bedeutsame Freundesgruppen aus dem Studium, die sich über geteilte Interessen wie Politik oder die jeweiligen gemeinsamen Studienschwerpunkte konstituieren und die fortan ihren Lebensweg begleiten. Sie beschreibt ihre Peers wie folgt:
[W]ir suchen g’rade alle so Jobs und wie geht’s weiter und […] da war’n wir uns immer alle sehr nah, würd ich sagen. Genau, und das war so der Lesekreis und dann war so’n Freundeskreis, die war’n so’n bisschen (lacht), ich sag mal, nerdig, da wurd’ immer viel über Politik diskutiert […] und mit den’ hab ich auch immer sehr viel so kulturelle Sachen gemacht, Museen, Bildungsurlaube und sowas. (Miriam, Z. 140–173)
Das liebevolle, humorvolle, beinahe intime Sprechen über ihre Freund*innen verdeutlicht die Relevanz von Peer-Kollektiven für Miriams emotionales Tun. Gemeinsam werden Sorgen und Zweifel bezüglich einer beruflichen Zukunft bearbeitet, gemeinsam wird Freude bei der Annäherung an die bildungsbürgerliche Kultur erlebt und gemeinsam wird „nerdig“ und auf Augenhöhe über Politik diskutiert. Die emotionale Nähe, die Miriam ihren freundschaftlichen Beziehungen zuschreibt, erlaubt es ihr, ihren Weg fortzusetzen und den Verlust von Sicherheiten durch den Bruch mit ihrem Herkunftsmilieu auszubalancieren.
Zusammenfassend wirken in Miriams Biografie Emotionen als produktiver Antrieb für ihren Bildungsaufstieg und ihre linksaffine politische Sozialisation: Der Wunsch nach kritischer Auseinandersetzung mit erlebten Einschränkungen führt zur Konstruktion des Sehnsuchtsorts Universität. Das emotionale Tun der Biografin innerhalb dieser Kontexte stattet sie mit den mentalen Ressourcen aus, verletzende Erfahrungen der Abwertung zu bewältigen und zu deuten. Zugleich erlaubt die gesellschaftskritische, reflexive Disposition der Protagonistin, eine biografische Passung zu dem Soziologiestudium und dem damit verbundenen fachspezifischen Milieu herzustellen. Dieses schätzt eben jene Haltung und fördert Miriams emotionales Tun: freudige Auseinandersetzung mit kulturell bildendem Freizeitvergnügen, Anerkennungsgefühle in Peer-Kollektiven, gemeinsame Wut über Ungerechtigkeiten und auch enthusiastische Diskussionen in Lesekreisen und Seminaren.[5] Dementsprechend wird das Studium zu einer Zeit des lustvollen, stolzen und bestärkenden Erlebens, in welchem ihre linke Affinität und ihre Bildungsaspirationen auf Widerhall treffen und sich weiter entfalten können.
4.2 Sebastian: Emotionen als Hemmnis für den Bildungsaufstieg
Als Kontrastfall dient im Folgenden die Biografie des 28-jährigen Erziehungswissenschaftsstudenten Sebastians. Seine Kindheit und Jugend sind von Umzügen geprägt, gemeinsam mit seiner Schwester wächst er abwechselnd bei den getrenntlebenden Eltern und seiner Großmutter auf, meist in oder am Rande einer Großstadt. Mit der sogenannten „B-Matura“ qualifizierten sich seine Eltern für berufliche Positionen im öffentlichen Dienst[6], denen sie bis dato nachgehen. Dementsprechend entstammt Sebastian keinem traditionellen Arbeiter*innenmilieu, wie es bei Miriam der Fall ist, jedoch aus einem prekären, nichtakademischen Umfeld, in dem höhere Bildungsabschlüsse kaum mit Anerkennung verknüpft sind. Nach seinem Hauptschulabschluss wechselt Sebastian auf das Gymnasium, verlässt dieses jedoch nach kurzer Zeit aufgrund schlechter Noten und Mobbing durch seine Mitschüler*innen. In Folge beginnt er verschiedene Aus- und Fortbildungen – u. a. Kommunikationstechnik und Montessori-Pädagogik –, ist phasenweise arbeitslos, bemüht sich erfolglos um den berufsbegleitenden Besuch einer Oberstufenschule und geht aushelfenden Tätigkeiten in unterschiedlichen Bereichen nach, z. B. als technischer Zeichner und Bademeister. Das Studium der Erziehungswissenschaft, von dem er durch seine Partnerin erfahren hat, gestaltet sich für ihn als Ausweg aus einer drohenden Krise am Übergang zur Arbeitswelt. Mit seiner Bildungsentscheidung ist er schließlich der erste in seiner Familie, der eine Universität besucht.[7]
Sebastians Biografie ist durchzogen von Konflikten mit und in (Aus-)Bildungsinstitutionen. Ausgetragen werden diese sowohl zwischen ihm und seinen Peers als auch mit Lehrpersonen. So sieht Sebastian sich an einem seiner Ausbildungsplätze über einen langen Zeitraum hinweg mit Mobbing konfrontiert und erlebt zunehmend einen Wandel der feindseligen Atmosphäre hin zu Antisemitismus:
[I]rgendwann habe ich das irgendwie geäußert, dass ich jüdische Vorfahren habe […], und dann hat so aufm Kicker, nennt man’s glaube ich, gehabt, also hat mich die ganze Zeit dann irgendwie auch ein bisschen aufgezogen und […] Judenwitze gemacht und irgendwann hats mir gereicht. (Sebastian, Z. 515–519)
In der Sequenz deutet der Biograf Sebastian die erlebte Schikane am Ausbildungsplatz nicht als individuelles Widerfahrnis, sondern als Ausdruck einer Diskriminierungsform. Seine Erklärung, die Vorfälle seien antisemitisch motiviert gewesen, und auch weitere Verweise des Biografen auf die gesellschaftliche Dimension der Ausgrenzung begründen mitunter seine Zugehörigkeit zum linksaffinen Alltagsmilieu. In dieser Szene ist es genau jene Deutungsweise der eigenen Betroffenheit, die es ihm erlaubt, sich erstmalig gegen die verletzenden Kommentare seiner Kolleg*innen zur Wehr zu setzen. Nachdem eine Aussprache mit seinem Vorgesetzten jedoch keine Abhilfe verschaffen konnte, entscheidet Sebastian sich, seine Ausbildung abzubrechen. Das abrupte Ende seiner Ausbildung, welches den Gipfelpunkt vorangegangener Erfahrungen bildet, resultiert in Gefühlen von Wut und Enttäuschung, die auch in Sebastians weiterem emotionalem Tun im Studium wirksam werden. Exemplarisch lässt sich dies anhand der Erzählung seines ersten Tags an der Universität zeigen, an welchem er aufgrund einer Entzündung am Auge antizipiert, ausgegrenzt und angegriffen zu werden:
[D]as war echt unangenehm, einerseits fühlst dich schon so entstellt […] und ich bin genau dort gesessen, wo mich jeder sieht, und ich bin mir total beobachtet vorgekommen die ganze Zeit. Ja, und war der einzige Mann drin […], also ich glaube, es war nicht nur Einbildung, also ich war nicht nur paranoid, aber es war so diese, das Auge und dann einziger Mann im Raum. (Sebastian, Z. 922–929)
Sebastian fühlt sich exponiert und „entstellt“, nicht nur aufgrund seiner sichtbaren Erkrankung, sondern auch wegen seiner Position als einziger männlicher Studienanfänger im Fach Erziehungswissenschaft. Er nimmt sich als verletzt und verletzlich wahr – ihm fehlt aufgrund seiner vermeintlichen doppelten Sonderrolle, als Erkrankter und Mann, die Möglichkeit zur Annäherung an ein Peer-Kollektiv, das helfen könnte, seine Unsicherheit als junger Studienanfänger aufzufangen und seine Situation anders, denn als Ausgrenzung zu deuten. Sebastians emotionales Tun ist darauf ausgerichtet, Verletzung zu antizipieren und vorwegzunehmen. An der Universität scheint er sich vorauseilend schützen zu wollen, wodurch er in Konfrontation mit dem tendenziell progressiven Studierendenmilieu gerät, zu dem auch die Erziehungswissenschaft gezählt werden kann (vgl. Klebig 2021). In den nächsten Wochen scheint er aktiv den Konflikt mit seinen Kommiliton*innen, insbesondere den als links wahrgenommenen, zu suchen, etwa indem er sich in einer konfrontativen Weise am Seminargeschehen beteiligt. Er schildert beispielhaft eine Szene aus einer Seminardiskussion zu der Verwendung diffamierender Bezeichnungen und bilanziert:
[I]ch finde, man sollte darüber reden dürfen, welche Wörter gesagt werden, und ich finde, das sollte die Universität, sollte so ein freier Raum sind, um Dinge auszusprechen, geht jetzt nicht darum, dass jemand seine rechtsradikale Propaganda da verbreitet […], einfach einen offenen Diskurs, und dass man nicht bloßgestellt wird im Seminar […], so ‚Oh Gott, wie konntest du dieses Wort jetzt gerade hier aussprechen, ich muss den ganzen Raum jetzt desinfizieren.‘ (Sebastian, Z. 1515–1601)
Sebastian sieht sich aufgrund der „Sprechverbote“ gleichermaßen von dem linksliberalen Studierendenmilieu angezogen wie abgestoßen. Seiner Kritik würden seine Kommiliton*innen mit Empörung und Säuberungsfantasien begegnen – sie entziehen sich dem „offenen Diskurs“, den er sich vermeintlich wünscht, und blamieren ihn aus seiner Sichtweise. Er kann jedoch nicht davon ablassen, Reibung zu suchen. Viele Male referiert der Biograf in dem Interview auf ähnliche Situationen, wobei er aus einer Spirale von Wut, Scham und Enttäuschung über seine Kommiliton*innen nicht auszusteigen vermag. Den Biografen schützen hier auf der einen Seite „starres Denken und einseitige Erzählweisen […] davor […], Verletzungen (wieder) zu erleben“ (Lütgens i. E.). Auf der anderen Seite wird es ihm, anders als an seinem Ausbildungsplatz, an der weniger autoritären Universität möglich, vom „passiven“ (Teuschel/Heuschen 2012, 92 ff.) zum „provozierenden Opfer“ (Teuschel/Heuschen 2012, 111 ff.) von Mobbing zu werden und sich als wehrhaft und handlungsmächtig zu erleben. Über sein Auftreten als Einzelkämpfer für die Meinungsfreiheit versperrt er sich jedoch allenfalls den Zugang sowohl zu den eher unpolitischen als auch zu den linksaffinen Peers.
Zusammenfassend wirken in Sebastians Biografie Emotionen als Hemmnis in seinem Bildungsaufstieg und seiner linksaffinen politischen Sozialisation: Die Disposition des Biografen, Diskriminierung und Ungerechtigkeit als solche zu benennen und zurückzuweisen, findet lebensgeschichtlich kaum positive Resonanz, weder im Berufsleben noch im Studium. Vielmehr zwingt seine Vulnerabilität ihn gleich vielfach zu Umwegen. Sebastians emotional geladener Kampf gegen Ausgrenzung erweist sich dahingehend als Hindernis in seinem Lebenslauf. Aufgrund seiner biografischen Verwundung als Betroffener von Ausgrenzung empfindet er eine starke Furcht davor, erneut Opfer zu werden, die seine spätere Rolle als provozierender Außenseiter präfiguriert. Anders als Miriam steht Sebastian kein nahbares Kollektiv zur Verfügung, das ihn auffangen und das Erleben seines Selbst sowie der ihn umgebenden Welt anders rahmen könnte. Auch von Erfahrungen reflexiver (Selbst‑)Bildungspraktiken wird er dadurch ausgeschlossen. Seine Furcht lässt ihn in seiner Position verharren und hemmt möglicherweise sowohl eine Weiterentwicklung seiner linken Orientierung als auch das Vorankommen auf seinem Bildungsweg.
4.3 Antrieb und Hemmnis als Beschaffenheiten von emotionalem Tun
Eine kontrastierende Diskussion der beiden Fallbeispiele verweist auf zwei zentrale Beschaffenheiten von Emotionen im Zusammenspiel von linker Affinität und Bildungsaufstiegen: Emotionen als Antrieb und Hemmnis. Beide Qualitäten lassen sich nicht als einander diametral gegenüberstehende Typen begreifen, sondern vielmehr als Pole eines Spektrums, zwischen denen sich Emotionen im Verhältnis von Bildungsaufstieg und Linksaffinität bewegen. Während sich Miriams emotionales Tun als Antrieb gestaltet, wirkt Sebastians emotionale Praxis als Hemmnis seines Bildungsaufstiegs. Miriams Weg an die Universität wird über Gefühlspraktiken der Freude, der Lust und auch des Stolzes konstituiert. Die Universität, samt ihren extracurricularen Angeboten und Peer-Kontexten, wird zum Raum für ermächtigende Erfahrungen, die es ihr ermöglichen, nicht nur inhaltliche Fragen, sondern auch biografische Themen zu reflektieren und zu bearbeiten. Sebastians bildungsbiografische Laufbahn hingegen wird vorwiegend von Verletzung, Wut und Enttäuschung orchestriert; die Universität reproduziert seinen Status als Sonderling und erlaubt es ihm nicht, biografische Themen zu behandeln und zu bewältigen.
Dass der Bildungsaufstieg bei Sebastian, im Gegensatz zu Miriam, mit Leid verbunden ist, lässt sich vor dem Hintergrund eines Vergleichs beider biografischer Konstruktionen verstehen. Miriam erlebt Abwertung an den Orten ihres Aufwachsens und entfernt sich bereitwillig von ihnen. An der Universität hingegen empfindet Miriam sich als endlich angekommen und zugehörig. Die Universität und das linksaffine Milieu werden ihr so sehr zu einem neuen Zuhause, dass sie vielleicht eine Promotion beginnen wird. Der Weg der Biografin durch ihre (Aus-)Bildungsstationen wird als lineares Narrativ konstruiert und erlaubt ihr, einen Lebenslauf vorzuzeigen, der durch einen klaren roten Faden geprägt ist. Sebastian hingegen erlebt die Abbrüche seiner Ausbildungen als Niederlagen und die häufigen Wechsel als fremdbestimmte Übergänge. An der Universität erfährt er erneute Zurückweisung und bangt um seine weitere berufliche Zukunft, denn zahlreiche abgebrochene Bildungsstationen lassen sich in der Logik des neoliberalen Arbeitsmarkts schwer plausibilisieren. Der Biograf steht also unter dem Druck, „dieses Mal“ einen Bildungserfolg erzielen zu müssen. Erschwert wird dieses Bemühen dadurch, dass er keinen angemessenen Zugang zu dem linksaffinen Milieu, seinen Peers und der Universität zu finden scheint. Miriam und Sebastian stehen also je andere Möglichkeiten zur Absicherung und Plausibilisierung der eigenen Lebensführung zur Verfügung. Zwar lassen sich an dieser Stelle kaum Aussagen über ihre materielle Existenzsicherung treffen, doch weisen die Biograf*innen unterschiedliche symbolische Ressourcen auf, die über Sicherheit oder Unsicherheit des eigenen Werdegangs bestimmen – und damit auch das habitualisierte, emotionale Tun mitfigurieren.
In beiden Fallbeispielen lässt sich die Bedeutung von Wut in den Biografien linksaffiner Bildungsaufsteiger*innen rekonstruieren, jedoch in verschiedenen Varianten: Miriam richtet ihren Ärger gegen menschenverachtende Ideologien und die Gesellschaft als abstraktes Gefüge, in dem sie sich selbst zu verorten weiß. Diese selbstreflexive Auseinandersetzung ermöglicht ihr, eine Passung zum sozialwissenschaftlichen, akademischen Milieu herzustellen und ihren Bildungsweg fortzusetzen. Sebastians Erzählung hingegen erinnert an die eingangs diskutierten, autosoziobiografischen Beiträge Barons (2016): Er erlebt sich als vom linken Studierendenmilieu abgewertet, will aber doch dazu gehören, und leidet darunter, dass seine Ansichten kein Gehör finden. Seine Gesellschaftskritik verbleibt dahingehend anekdotisch und nimmt zwar auf linke Kritikmotive Bezug, betrachtet sich selbst aber kaum als Teil des sozialen Geschehens. Er eckt daher an und kann sein emotionales Tun nicht zur ermächtigenden Ressource transformieren. Während Sebastians Gefühlspraxis sein Werden an der Universität also hemmt, gestaltet sich dieses in Miriams Biografie als förderlich. Im folgenden Abschnitt vertiefen wir jene Konstellationen, welche die Beschaffenheit des emotionalen Tuns linksaffiner Bildungsaufsteiger*innen formen.
5. Deutungsmuster und Kollektive in Aufstiegsbiografien
Vorgestellt wurden im vorliegenden Beitrag zwei unterschiedliche Varianten von emotionalem Tun in den Biografien linksaffiner Bildungsaufsteiger*innen. Ausgewählt wurden die beiden Fälle nicht nur aufgrund ihres Kontrastierungspotenzials, sondern auch, da sich die rekonstruierten Beschaffenheiten – Emotionen als Antrieb und Emotionen als Hemmnis – anhand des gesamten betrachteten Samples als bedeutungsvolle Pole erkennen lassen. Mit Blick auf die Frage nach der Rolle von Emotionen im Verhältnis von Linksaffinität und Bildungsaufstieg lassen sich ausgehend von unserer Analyse zwei Konstellationen feststellen, die wesentlich daran beteiligt sind, wie sich das emotionale Tun im Bildungsaufstieg entfaltet. Zum einen handelt es sich um die Möglichkeit, sich ideologische Deutungsmuster anzueignen, zum anderen um die Möglichkeit des Zugangs zu ermächtigenden Kollektiven.
Wie das emotionale Tun in Biografien ausgestaltet ist, zeigt sich zum ersten in dem biografischen Zusammenspiel von Bildungsaufstieg, politischer Sozialisation und der Möglichkeit zur Aneignung ideologischer Deutungsmuster. Gesellschaftskritische Deutungsangebote, welche die Universität sowie das linke Alltagsmilieu bereitstellen, ermöglichen es den Biograf*innen, die eigene Lebenslage zu verstehen und in ihrer sozialen Entstehung zu begreifen. Die Artikulation von Betroffenheit kann als Folge jener Deutung interpretiert werden – das theoretisch informierte Reflektieren der eigenen Lebenslage stellt dabei Artikulationsfähigkeit her. Theoriearbeit wird somit zum „Dialog von Erfahrung“ (Niggemann 2020): Sie ermöglicht, Wut, Frust, aber auch Scham oder Angst vor dem Hintergrund ihrer gesellschaftlichen Konstitution zu verstehen und zugleich zumindest gedanklich Anschluss an ein Kollektiv herzustellen – an jene, die ähnlich empfinden und denken (vgl. Petrik et al. i. E.). Ob Gefühle förderlich oder hinderlich im Bildungsverlauf sowie der politischen Sozialisation wirken, hängt von ihrer Gerichtetheit ab. Gelingt es vor dem Hintergrund ideologischer Deutungsangebote der eigenen Verletzlichkeit nachzuspüren und gleichzeitig von eben jener Betroffenheit zu abstrahieren, Emotionen also zur leidenschaftlichen Bearbeitung gesellschaftlicher Verhältnisse zu nutzen, anstelle sie gegen konkretisierte Gegenüber zu richten, können sie emanzipatorisches Potenzial entfalten und Anschluss an ein akademisches Milieu ermöglichen.[8]
Zum zweiten entfalten sich Emotionen über das biografische Zusammenspiel von Bildungsaufstieg und politischer Sozialisation mit der Möglichkeit des Zugangs zu ermächtigenden Kollektiven. Diese gestalten sich potenziell als Orte für die Erfahrung von Anerkennung des eigenen Erlebens. Fehlen diese Peer-Zusammenhänge, oder wird der Zugang zu einem ersehnten ermächtigenden Kollektiv als versperrt erlebt, können biografische Verwundungen schwerlich bewältigt, vielleicht sogar eher perpetuiert werden. Dies führt möglicherweise zu einem „regressiven Resonanzboden“ (Höschele-Frank 1990, 470) für die weitere politische Sozialisation und den angestrebten Bildungsverlauf. Der Zugang zu ermächtigenden Kollektiven kann somit verhelfen, Gefühle der Unsicherheit und der Entwertung zu bearbeiten und hoffnungsvolle sowie solidarische Atmosphären zu kreieren („da war’n wir uns immer alle sehr nah“ (Miriam, Z. 158)). Sie können aber auch als Projektionsfläche dienen, um vergangene Betroffenheiten zu reinszenieren. Besonders wichtig erweisen sich solche Kollektive – ob nun als offen oder versperrt erlebt – für jene, die aufgrund eines Bildungsaufstiegs dazu genötigt sind, ihre Familien und ihr Herkunftsmilieu zu verlassen, und so den Verlust von Zugehörigkeit riskieren. Sie ermöglichen bzw. verwehren dabei eine doppelte Anerkennung: sowohl für das Sein und Werden als Student*in als auch als Linke*r. Die biografische Bedeutung ermächtigender Kollektive verweist dabei auf die enge Verwobenheit von Sozialisation und (Nicht‑)Anerkennung, die für den schulischen Kontext bereits erkenntnisstiftend dargelegt wurde (vgl. Wiezorek 2005; Helsper et al. 2006) und welche es mit Blick auf die Hochschule und politische Kollektive noch auszubuchstabieren gilt.
6. Fazit
Der vorliegende Beitrag widmete sich der noch kaum berücksichtigten Verknüpfung von Emotionen, Linksaffinität und Bildungsaspirationen. Im Zentrum stand die Frage, welche Rolle Emotionen für die biografischen Wege linksaffiner Bildungsaufsteiger*innen spielen. Zur Beantwortung dieser Frage wurde auf autobiografische Erzählungen junger Bildungsaufsteiger*innen aus dem linksaffinen Alltagsmilieu zurückgegriffen, um auf diese Weise die Beschaffenheiten des emotionalen Tuns und ihre konkreten biografischen Konstellationen zu untersuchen.
Wie Emotionen in den Biografien linksaffiner Bildungsaufsteiger*innen wirksam werden, ob sie eher hemmen oder fördern, ermöglichen oder versperren, ist strukturiert von der Möglichkeit zur Aneignung ideologischer Deutungsangebote und der Möglichkeit des Zugangs zu ermächtigenden Kollektiven. Entsprechende von der Universität oder linken Alltagsmilieus zur Verfügung gestellte Deutungsangebote ermöglichen es Studierenden, entwertende Erfahrungen in einem neuen Licht zu betrachten und Sprechfähigkeit herzustellen, wobei die Schlagkraft einer solchen Deutung dabei nicht allein durch ihre Artikulation gesichert ist. Ermächtigende Kollektive erweisen sich als Resonanz-, (Selbst-)Bildungs- und Bewältigungsraum, sie können Emotionen auffangen aber auch verstärken – und dem emotionalen Tun damit eine spezifische Intensität verleihen. In ihrer sorgenden Qualität können sie dazu beitragen, schmerzhafte Erfahrungen zu bearbeiten, und gerade jenen, deren Zugangsmöglichkeiten zum eigenen Herkunftsmilieu prekär geworden sind, ein neues Zuhause bieten. Bleiben Zugänge zu Kollektiven verschlossen, können sie als Reibungsfläche für jene fungieren, deren emotionales Tun sie in Konflikte treibt, und exkludierend wirken. Auf diese Weise sind die Möglichkeiten, sich Deutungsangebote anzueignen sowie Zugang zu Kollektiven zu finden, relevant dafür, welche biografische Bedeutung Emotionen im Verhältnis von Linksaffinität und Bildungsaufstieg entfalten. Zu fragen wäre anschließend an diese Befunde, welche weiteren lebensweltlichen und/oder institutionellen Sozialisations- und Bildungskontexte abseits des akademischen Felds relevant für die Bildungswege linksaffiner Aufsteiger*innen sind.
Gefühle sind als Praxis an Bildungsaufstiegs- und politischen Sozialisationsprozessen beteiligt. Das emotionale Tun der Protagonist*innen navigiert ihr Erleben, gestaltet ihre Erfahrungsräume und -fähigkeiten auf eine je spezifische Art und Weise und formt ihr Handeln und Streben. Das Verhältnis von Bildungsaufstieg und linksaffiner politischer Sozialisation scheint zusammenfassend auf eine spezifische Art und Weise emotional gestimmt zu sein. In welche Stimmung sie versetzt werden, ist verknüpft mit der Aneignung ideologischer Deutungsmuster und der Zugänglichkeit zu ermächtigenden Kollektiven. Jene Stimmung lässt sich schwerlich anhand einzelner zitierter Sequenzen aus einem Interview oder durch Ausschnitte belegen, in denen Emotionen als solche benannt werden (z. B. „das war echt unangenehm“ (Sebastian, Z. 922)). Viel mehr färben sie die gesamte biografische Konstruktion als solche ein, ähnlich einem Tongeschlecht in der Musik, und resonieren im Körper der Zuhörer*innen und Leser*innen. Dies stellt jene, die Emotionen rekonstruieren zu suchen, vor ein methodisch-methodologisches Dilemma im Forschungs- (vgl. Blumenthal 2018) aber auch Falldarstellungsprozess.
Trotz aller Versuche der Systematisierung lassen sich Emotionen und ihr Tun nicht auf automatisierte Wenn-dann-Ketten reduzieren, da ihnen stets eine gewisse kreative Eigensinnigkeit und tiefe Relationalität zu Beziehungen, Institutionen und Diskursen innewohnt. Dennoch konnte gezeigt werden: Emotionen orchestrieren die sozialen Praktiken von Biograf*innen und strukturieren, wie und auch wohin sie sich leiten lassen. Damit nehmen Emotionen im Verhältnis von Bildungsaufstieg, politischer Sozialisation und Biografie eine Scharnierfunktion ein, die es anhand weiterer Forschungsfelder zukünftig zu erkunden gilt.
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[1] Wir bedanken uns bei Maria Keil sowie den Gutachter*innen für ihre sorgfältige Lektüre und die hilfreichen Anmerkungen.
[2] Für eine Zuordnung zum linksaffinen Alltagsmilieu ist im vorliegenden Beitrag ausschlaggebend, dass ein*e Interviewpartner*in sich einer Selbstpositionierung als „links“ tendenziell anschließt und, Matuschek et al. folgend, „in emanzipatorisch-herrschaftskritischer bzw. humanistischer Absicht Kritik an den bestehenden gesellschaftlichen Zu- bzw. Missständen formuliert. Unter Bezugnahme auf linke Denkmuster und Gesellschaftsbilder wie soziale Gerechtigkeit, Chancengleichheit oder Solidarität wird die Gesellschaft insofern als eine zu verändernde thematisiert. Gemeinsamer Fluchtpunkt ist also eine in unterschiedlicher Klarheit formulierte Wahrnehmung von Defiziten der bestehenden Gesellschaftsordnung, insbesondere der politischen und ökonomischen Verhältnisse“ (2011, 12).
[3] Alle Personen- und Ortsnamen wurden durch Pseudonyme ersetzt.
[4] Zum Zweck der besseren Lesbarkeit wurden die Zitate leicht bereinigt. Es wurden etwa „ähs“ oder akzentuierte Sprechformen nachbildenden Transkriptionsweisen angepasst.
[5] Möglich wird diese Passung auch aufgrund der feldspezifischen Charakteristika: Sozialwissenschaftliche Disziplinen setzen sich tendenziell aus einem linksalternativen, progressiven Studierendenmilieu zusammen (vgl. Lange-Vester/Teiwes-Kügler 2004; Möller 2015).
[6] Die „B-Matura“ ist eine mittlerweile abgeschaffte Beamtenaufstiegsprüfung in Österreich, die jedoch keinen allgemeinen Hochschulzugang erlaubt.
[7] Seine Studienzulassung erwirbt der Biograf in Form der Studienberechtigungsprüfung, die ihm im Sinne des zweiten (Österreich) bzw. dritten Bildungswegs (Deutschland) die Möglichkeit eröffnet, ohne formale Hochschulreife zu studieren und sich für eine spezifische Studienrichtung zu qualifizieren (vgl. Freitag 2012; Steiner 2016).
[8] Damit ist zugleich ein Bias der Fallstudie genannt: Geistes- und sozialwissenschaftliche Studiengänge, die das Sample dominieren, statten Studierende eher mit gesellschaftskritischen Theorien, Erklärungsansätzen und Deutungsmustern aus, als dies beispielsweise naturwissenschaftliche oder technische Studiengänge tun.
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