Zwischen virtuoser Unverbindlichkeit und Herrschaft: Lebensentwürfe von VÄtern als Leerstelle in der Kindesschutzarbeit
Simone Brauchli
1. Einleitung
Care-Arbeit wird in der Schweiz nach wie vor mehrheitlich von Frauen geleistet. Dies zeigt sich nicht nur in einer deutlichen Übervertretung von Frauen in Care-Berufen (vgl. exemplarisch BFS 2020; SavoirSocial 2022), sondern auch in der gelebten Arbeitsteilung zwischen Männern und Frauen in den Familien. So bleiben zum Beispiel in drei Vierteln aller gemischtgeschlechtlichen Schweizer Paarhaushalte mit Kindern die Mütter zu Hause, wenn die Kinder krank sind (BFS 2021, 34). Die Mehrheit der Einelternfamilien (83 %) bestehen aus Müttern mit ihren Kindern (BFS 2021, 9). Vor diesem Hintergrund erscheint es folgerichtig, dass Mütter in der aufsuchenden sozialpädagogischen Arbeit mit Familien (Arnold 2023, 165–166) wie auch in anderen Angeboten der Kinder- und Jugendhilfe (Ritter 2022; Buschhorn 2023) die primäre Adressat*innengruppe sind bzw. werden. Doch inwieweit sind die Väter für diese Familien und für deren Probleme von Bedeutung? Wie werden sie von Fachkräften adressiert und in die sozialpädagogische Arbeit mit den Familien einbezogen? Und was bedeutet die Art und Weise des fachlichen Umgangs mit den Vätern für die Bildungschancen dieser Familien? Diesen Fragen wird im vorliegenden Beitrag anhand von empirischen Ergebnissen aus einer abgeschlossenen ethnographischen Untersuchung zur Sozialpädagogischen Familienbegleitung in der Schweiz nachgegangen.
Mein Interesse an diesem Thema entstand aufgrund verschiedener, auf den ersten Blick widersprüchlicher Beobachtungen zu den Geschlechterverhältnissen im untersuchten Feld. Auffällig war zunächst eine deutliche Übervertretung von weiblichen Fachkräften und Adressatinnen. Dies wurde von den Fachkräften, die ich darauf ansprach, jedoch zumeist mit dem Verweis auf einzelne Kollegen oder Väter in ihrem Arbeits(um)feld zurückgewiesen. Zugleich waren die Väter immer wieder vor Ort in den untersuchten Familien anwesend, auch während der sozialpädagogischen Hausbesuche, schienen aber trotzdem nicht fester Bestandteil der Familien und des Hilfesettings zu sein. Dies warf die Frage nach der spezifischen Einbindung der Väter in und ihrer Bedeutung für die untersuchten Figurationsdynamiken (Elias 1991) in der Sozialpädagogischen Familienbegleitung auf. Zur Klärung dieser Fragen werden im folgenden Kapitel (Kap. 2) zunächst neuere empirische Befunde zu geschlechtsspezifischen Umgangsformen mit Eltern und insbesondere mit Vätern im Kindesschutz vorgestellt. Einer theoretischen Einordnung von gesellschaftlichen Bedingungen vergeschlechtlichter Sorgearbeit (Kap.3) sowie einer Skizze des Untersuchungsfeldes und der mit der Sozialpädagogischen Familienbegleitung verbundenen Bildungspotenziale für Eltern (Kap. 4) folgt ein Überblick über die Untersuchung und über das methodische Vorgehen (Kap. 5). Anhand von zwei Familien in sozialpädagogischer Begleitung wird exemplarisch die spezifische Bedeutung der Väter in den untersuchten Figurationsdynamiken aufgezeigt (Kap. 6). In den abschliessenden Abschnitten (Kap. 7 und 8) werden die dargestellten Ergebnisse auf ihre Reichweite und Bedeutung insbesondere im Hinblick auf die Frage nach dem Bildungspotenzial der untersuchten Hilfeprozesse diskutiert.
2. Väter im Kontext einer geschlechterspezifisch ausgestalteten Kindesschutzpraxis
In den letzten Jahren ist eine Vielzahl von empirischen Untersuchungen durchgeführt worden, die geschlechtsspezifische Formen der fachlichen Adressierung von Eltern im Kindesschutz dokumentieren. Wiederholt konnte gezeigt werden, dass Fachkräfte im Kindesschutz auf traditionelle Vorstellungen von Familie zurückgreifen und sich überwiegend auf die Mütter konzentrieren (vgl. exemplarisch Brändel/Hüning 2012; Ritter 2015; Buschhorn 2023; Matzner/Eickhorst 2023), die sie als primäre Bezugspersonen für die Kinder ansehen. Dies trifft auch auf das Feld der Sozialpädagogischen Familienbegleitung, in Deutschland als Sozialpädagogische Familienhilfe bekannt, zu (Richter 2013). Väter hingegen werden entweder als abwesend und für Fachkräfte schwer zugänglich oder als Gefährdung des Kindeswohls wahrgenommen (Archer-Kuhn/de Villiers 2018; Sabla/Ristau 2022; Liel 2023). Nygren et al. (2019) zeigen in einer ländervergleichenden Studie in Irland, England, Norwegen und Schweden, dass unabhängig von der jeweiligen Wohlfahrtspolitik und trotz internationaler Trends, eine stärkere Beteiligung von Vätern an der Kinderbetreuung zu fordern, Kindesschutzentscheidungen in allen untersuchten Ländern auf solchen veralteten Familien- und Geschlechterbildern basieren. Dabei überschneiden sich Risiko- und Geschlechterdiskurse. Bei gewalttätigen Vätern mit Migrationshintergrund wird zudem häufig auf kulturalisierende Erklärungen zurückgegriffen (Nygren et al. 2019). Auch für Deutschland zeigen qualitative Untersuchungen die widersprüchliche Gleichzeitigkeit eines gesellschaftlich verbreiteten Diskurses über die „neue[n] Väter“ (Sabla/Ristau 2022, 208) und der fachlichen Bezugnahme auf tradierte heteronormative Geschlechter- und Familienbilder sowie den Ausschluss von Vätern aus dem Hilfesetting (Sabla 2012; Sabla/Ristau 2022, 208). Mit Verweis auf das Argument, dass die Abwesenheit der Väter zu einem Mangel an männlichen Rollenvorbildern für die Kinder führe, wird daraus teilweise ein erhöhter Bedarf an männlichen Fachkräften abgeleitet (Sabla 2012; Sabla/Ristau 2022, 208).
Dementsprechend kommen verschiedene aktuelle Studien übereinstimmend zu dem Ergebnis, dass Väter von Fachkräften des Kindesschutzes zu wenig als mögliche Adressaten wahrgenommen werden und es an bedarfsgerechten Hilfeangeboten für Väter mangle (Sabla 2012; Eickhorst 2023; Liel 2023). Mit Blick auf das Kindeswohl lassen empirische Befunde zwar den Schluss zu, dass Kontakte gewaltbetroffener Kinder mit ihren Vätern nur bei hoher Interaktionsqualität sinnvoll sind (Liel 2023; Sabla 2015). Ein genereller Ausschluss von Vätern aus der sozialpädagogischen Arbeit mit Kindesschutzfamilien würde jedoch der Komplexität familialer Gewaltdynamiken nicht gerecht werden (Sabla 2012) und empirische Befunde ausser Acht lassen, wonach Väter in Kindesschutzsituationen ähnlich wie Mütter in ihrer Vergangenheit häufig selbst Opfer von Missbrauch und Gewalt geworden sind (Zanoni et al. 2014a), Defizite in ihren Erziehungskompetenzen aufweisen (Liel 2023) und entsprechend fachliche Unterstützung benötigen (Zanoni et al. 2014b; Kuskoff et al. 2023).
Als zentrale Herausforderungen in der Kindesschutzarbeit mit Vätern werden zum einen organisatorische Faktoren genannt, wie die faktische Abwesenheit der Väter in den Familien, mit Folgen für die Familien und den Hilfeprozess (Sabla 2015) oder Mühe von Vätern mit der zeitlichen Strukturierung des Hilfeprozesses durch die Fachkräfte (Philip et al. 2019). Zum anderen wird die Beziehungsgestaltung vor allem durch negative Stereotype der Fachkräfte gegenüber Vätern (Gordon et al. 2012; Zanoni et al. 2014a), durch professionelles Denken in der Binarität „Väter als Risiko – Väter als Ressource“ (Philip et al. 2019) sowie durch einen fehlenden gendersensiblen Zugang der Fachkräfte belastet. Dadurch werden familiale Konflikte fachlich häufig noch verschärft (Sabla 2015). Mitunter kann es auch zu einem unbewussten Schulterschluss zwischen weiblichen Kindesschutzfachkräften und den Müttern kommen, da die Väter aufgrund der klassischen Arbeitsteilung häufig von ihren Familien abwesend und für die Fachkräfte schwer erreichbar sind. Dadurch bleiben Unterstützungspotenziale auf Seiten der Väter ungenutzt (Eickhorst 2023).
Stereotype Geschlechterbilder von Kindesschutzfachkräften können auch für die Mütter mit negativen Folgen verbunden sein. Empirische Untersuchungen zeigen auf, dass diese für die Mütter die Gefahr bergen, Opfer einer „sekundären Viktimisierung“ (Fleckinger 2022a) zu werden, indem sie von den Fachkräften beschuldigt werden, ihre Kinder den familialen Gewaltdynamiken ausgesetzt zu haben. Begünstigt wird eine solche Entwicklung durch einen risikoorientierten Kindesschutz, der allein das Kindeswohl im Blick hat (Fleckinger 2022b).
Vor dem Hintergrund der dargestellten empirischen Befunde wird daher eine Verantwortungsverschiebung im Kindesschutz hin zu den gewalttätigen Vätern (Kuskoff et al. 2023), eine Unterstützung der Eltern in ihrer Interaktions- und Kommunikationsfähigkeit (Sabla 2012), ein Ausbau väterbezogener niedrigschwelliger Kindesschutzangebote (Eickhorst 2023) sowie eine Professionalisierung der Fachkräfte durch die Reflexion eigener Familienbilder (Sabla-Dimitrov/Ristau 2022) gefordert.
3. Sozialpädagogische Familienbegleitung als Bildungsangebot und als Eingriff in die Selbstbestimmung von Eltern
Sozialpädagogische Familienbegleitung ist eine Form der aufsuchenden sozialpädagogischen Arbeit mit Familien in schwierigen Lebenssituationen. Im Rahmen von Hausbesuchen unterstützen Fachkräfte Familien zuhause befristet bei der Strukturierung und Gestaltung ihres Alltags, bei der Verbesserung ihres Zusammenlebens und bei der Lösung ihrer Probleme. Zweck ist die Sicherung des Kindeswohls in den Familien. Die Zielgruppe der Sozialpädagogischen Familienbegleitung sind hauptsächlich Familien, die aufgrund von mehrfachen, sich teilweise überlagernden sozialen Benachteiligungen und schwierigen Lebenssituationen vulnerabel sind und einen besonderen Hilfebedarf aufweisen, sogenannte „Multiproblemfamilien“ (Tausendfreund et al. 2012). In der Schweiz handelt es sich mehrheitlich um Einelternfamilien.[1] Da in vielen Kantonen für Eltern noch immer keine Möglichkeit besteht, Sozialpädagogische Familienbegleitung unterhalb der Schwelle der Kindeswohlgefährdung kostenlos in Anspruch zu nehmen (Metzger et al. 2021), ist die Teilnahme der Erziehungsberechtigten oft nicht freiwillig.
Für eine nachhaltige Sicherung des Kindeswohls in den Familien ist es aber nicht nur notwendig, die festgestellten familialen Probleme zu lösen. Die Sozialpädagogische Familienbegleitung soll bei den betroffenen Eltern darüber hinaus einen Bildungsprozess anstossen, der eine Reflexion und Modifikation der individuellen Lebensentwürfe zum Ziel hat. Lebensentwürfe werden als einsozialisierte Interaktionsformen verstanden, beispielsweise im Hinblick auf die Gestaltung von Erziehung, Elternschaft, Vaterschaft*Mutterschaft oder Partnerschaft, die sozialer Praxis als Zukunftsentwürfe zugrunde gelegt werden. Lebensentwürfe, die sich in der Vergangenheit als kindeswohlgefährdend erwiesen haben, sollen dabei so transformiert werden, dass sie mit dem Kindeswohl vereinbar sind und dennoch als eigene verstanden werden, damit sie nicht nur unter fachlicher Aufsicht praktiziert werden (vgl. Brauchli 2021). Mit Lebensentwürfen, die sowohl lebensgeschichtlich wie auch sozial zur Passung gebracht werden, ist Autonomiepotenzial verbunden (Brauchli 2021). Da Sozialpädagogische Familienbegleitung jedoch mit fachlichen Erwartungen gegenüber den Eltern hinsichtlich einer Verantwortungsübernahme und der Erfüllung bestimmter Erziehungsnormen einhergeht, greift sie zugleich in die Selbstbestimmung der Eltern ein. Bei einer unreflektierten fachlichen Bezugnahme auf eigene – normativ verfasste – Lebensentwürfe, bei denen keine Anschlussfähigkeit an die Lebensentwürfe der Adressat*innen hergestellt werden kann, verpufft das Bildungspotenzial der Massnahme und sie erhält reinen Zwangscharakter (Brauchli 2021).
4. Zwischen hegemonialer Männlichkeit und einer Neubestimmung des Verhältnisses von Männlichkeit und Sorgearbeit – Konfliktdynamiken von Vaterschaft
Aufgrund ihres aufsuchenden Charakters greift die Sozialpädagogische Familienbegleitung in die Strukturdynamiken familialer Privatheit ein (Brauchli 2021). Mit der Etablierung des Ideals der bürgerlichen Familie, das auf der gesellschaftlichen Differenzierung zwischen öffentlicher und privater Sphäre basiert, wurde die Rolle des Mannes eng mit Erwerbsarbeit im öffentlichen Raum assoziiert. Im Gegensatz dazu wurden Sorge- und andere Familienarbeiten als Aufgabenbereich der Frau in der privaten Sphäre definiert (Meuser/Neumann 2022). Rössler (2009) zeigt, dass die Entstehung der Privatheit von Familien mit der Verankerung von Macht- und Unterdrückungsverhältnissen in Generationen- und Geschlechterverhältnissen einherging, die bis heute fortbestehen und die Grundlage für eine Geschlechterordnung bilden, die durch eine „hegemoniale Männlichkeit“ (Connell 2015) gekennzeichnet ist.
Connell (2015, 130), der*die das Konzept der hegemonialen Männlichkeit entwickelte, definiert diese als „jene Konfiguration geschlechtsbezogener Praxis, welche die momentan akzeptierte Antwort auf das Legitimitätsproblem des Patriarchats verkörpert und die Dominanz der Männer sowie die Unterordnung der Frauen gewährleistet (oder gewährleisten soll)“. Hegemoniale Männlichkeit konstituiert sich dabei in einer doppelten Relationalität, nämlich sowohl in Bezug auf Weiblichkeitskonstruktionen als auch auf widerstreitende Konstruktionen von Männlichkeit (Connell 2015).
In der Männerforschung wird seit einigen Jahren diskutiert, ob die hegemoniale Männlichkeit durch den Wandel der Erwerbsgesellschaft in eine Krise geraten ist (Bereswill/Neuber 2011). Meuser und Neumann (2022) argumentieren, dass die Geschlechterordnung nicht nur durch strukturelle Veränderungen, sondern auch durch einen Wandel normativer Ordnungen infrage gestellt wird. Die „asymmetrisch vergeschlechtlichte Strukturierung des Erwerbssystems“ (Meuser/Neumann 2022, 30) steht Entwürfen einer sorgenden Männlichkeit im Weg. Gleichwohl stellt die Gegenwart die Herausforderung dar, das Verhältnis von Care-Arbeit und Männlichkeit neu zu bestimmen (Meuser/Neumann 2022).
In Abgrenzung zu habitustheoretischen Ansätzen wie demjenigen von Meuser und Neumann (2022) schlägt Bereswill (2015) vor, die subjektiven Verarbeitungs- und Aneignungsprozesse kultureller Geschlechterkonstruktionen empirisch stärker zu berücksichtigen. Sie argumentiert, dass die Verschränkung von subjektivem und sozialem Sinn vielfältigere Formen annehmen kann, als eine hegemonie- und habitustheoretische Perspektive dies vermuten lässt. Bereswill (2015) plädiert dafür, zu berücksichtigen, dass insbesondere übersteigerte Handlungsmuster von Männlichkeit verdeckte Bedeutungen enthalten und von intrasubjektiven Konfliktdynamiken durchzogen sein können. Mit Blick auf die Untersuchung Sozialpädagogischer Familienbegleitung beinhaltet diese Perspektive besonderes Erkenntnispotenzial, weil durch sie die interaktive Bearbeitung vergeschlechtlichter Lebensentwürfe in Familien ergebnisoffen und hinsichtlich der sie bestimmenden Spannungsfelder und Brüche analysiert werden kann.
5. Rekonstruktiv-interpretativer Zugang zur sozialpädagogischen Bearbeitung von familialen Problemen
Die präsentierten Forschungsergebnisse entstammen einer abgeschlossenen ethnographischen Untersuchung zur Sozialpädagogischen Familienbegleitung in der Schweiz. Die Forschung basiert auf der Annahme, dass mit der Problematisierung und Verhandlung von als kindeswohlgefährdend eingestuften familialen Praktiken immer auch die Selbstbestimmung der Eltern mit ihren Spielräumen und Grenzen zur Debatte steht. Im Fokus der Untersuchung stand deshalb die Frage, wie in der Sozialpädagogischen Familienbegleitung, insbesondere bei der sozialpädagogischen Bearbeitung von familialen Problemen, die Selbstbestimmung der Eltern zwischen den beteiligten Akteur*innen situativ verhandelt wird (Brauchli 2021, 86–93).
Es wurden in zwei Familien über einen Zeitraum von sieben und zehn Monaten hinweg Beobachtungsprotokolle und Audiovolltranskripte von sozialpädagogischen Hausbesuchen sowie von anderen zur Massnahme dazugehörenden pädagogischen Settings angefertigt. Darüber hinaus wurden Transkripte von Interviews und ethnographischen Gesprächen mit Fachkräften und Eltern sowie verschiedene Versionen von Fallberichten in die Analyse mit einbezogen.
In der Datenauswertung wurde ein tiefenhermeneutisches Verfahren (Lorenzer 1988) angewendet. Dabei wurde das durch den Text vermittelte Interaktionsangebot mittels verschiedener Sinnerschliessungsfragen systematisch in seinem propositionalen, metakommunikativen, pragmatischen und tiefenhermeneutischen Gehalt rekonstruktiv-interpretativ erschlossen. Irritationen, die der Text auf der Ebene des logischen Verstehens (propositionaler Sinngehalt) bei der*dem Leser*in hervorruft, können dabei einen Zugang zu den anderen Sinnebenen eröffnen (Leithäuser/Volmerg 1988; Lorenzer 1988, 1990).
Die Ergebnisse umfassen Analysen zur Verhandlung der Selbstbestimmung der Mütter in einer Verlaufsperspektive, fallübergreifende Analysen zu Eingriffen in die Privatheit der Familien sowie fallvergleichende Analysen zu Kernthemen der Selbstbestimmungsverhandlungen (Brauchli 2021). Die Verhandlung der Selbstbestimmung der Väter wurde nur am Rande zum Gegenstand der Analyse.
Für den vorliegenden Beitrag werden aus den Transkripten der sozialpädagogischen Hausbesuche diejenigen Sequenzen herausgegriffen, die Hinweise darauf geben, wie die Väter Teil der familialen Probleme und der sozialpädagogischen Problembearbeitung waren (Brauchli 2021). Diese Sequenzen werden noch einmal spezifischer auf die hier interessierende Fragestellung hin ausgedeutet. Die Irritationen, Auffälligkeiten und Fragen, die die jeweiligen sozialen Situationen in situ bei der Forscherin auslösten, waren mit ein Kriterium bei der Textstellenauswahl. Aufgrund der beschränkt verfügbaren Seitenzahl können die vorgefundenen Aushandlungsdynamiken hier nur exemplarisch illustriert werden. Auf weitere Analysen zu ähnlich gelagerten Situationen, die in der Monographie nachgelesen werden können, wird an passender Stelle im Text verwiesen.
6. Väter in sozialpädagogisch begleiteten Familien: Zwischen virtuoser Unverbindlichkeit und Herrschaft
Im Folgenden werden einleitend – basierend auf den bereits veröffentlichten Fallverlaufsanalysen (Brauchli 2021) – die Konstellationen der untersuchten Familien Kaufmann/Peyer und Märki dargestellt,[2] wie sie von der Forscherin im Feld vorgefunden und anhand der Beobachtungsprotokolle und Audiotranskripte analysiert wurden. Dadurch wird deutlich, dass die Väter in familiale (Problem-)Konstellationen, die sozialpädagogisch bearbeitet werden, eingebunden sind, obwohl es sich bei den untersuchten Familien um weitgehend alleinerziehende Mütter handelt (Kap. 6.1). In einem zweiten Schritt wird aufgezeigt, wie sich die Väter der Sozialpädagogischen Familienbegleitung situativ auf vielfältige Weise entziehen (Kap. 6.2), die sozialpädagogischen Fachkräfte die Väter nur unverbindlich in die Problemlösungen einbeziehen und sie weitgehend von ihrer Mitverantwortung für die bearbeiteten Problemdynamiken entlasten (Kap. 6.3). In den wenigen Situationen, in denen Vaterschaftsentwürfe von den Fachkräften thematisiert werden, geschieht dies in delegitimierender Weise, ohne dass die Väter jedoch fachlich bei der Entwicklung alternativer Vaterschaftsentwürfe unterstützt würden (Kap. 6.4).
6.1 Väter als Teil von Familienkonstellationen und von familialen Problemdynamiken
Familie Kaufmann/Peyer: Sophie Kaufmann lebt mit ihren Töchtern Olivia (10), Lucie (6) und Alex (1) in einer modernen Wohnüberbauung. Sie ist momentan Familienfrau und kümmert sich um Haushalt und Kinder. Frau Kaufmann lebt nach sechsjähriger Beziehung frisch getrennt von Leon Peyer, dem biologischen Vater von Alex. Olivia und Lucie haben je andere biologische Väter, die sie in regelmässigen Abständen an den Wochenenden besuchen und die Unterhaltszahlungen leisten. Die Wohn- und Familiensituation von Familie Kaufmann-Peyer erschliesst sich der Forscherin zu Beginn der Datenerhebung nicht. Herr Peyer ist nach der Trennung aus der gemeinsamen Familienwohnung ausgezogen, hält sich aber dennoch in unregelmässigen Abständen, teilweise auch über Nacht, dort auf. Frau Kaufmann hat nach der Trennung festgestellt, dass sie mit Herrn Peyer ein weiteres Kind erwartet. Sie möchte die Trennung rückgängig machen. Herr Peyer hält sich zu dieser Frage bedeckt.
Der Alltag von Familie Kaufmann/Peyer wird durch Kommunikationsprobleme zwischen Frau Kaufmann und Herrn Peyer getrübt, die auch zum Gegenstand sozialpädagogischer Problembearbeitungen werden. Frau Kaufmann fühlt sich von Herrn Peyer in der Familienarbeit allein gelassen, etwa wenn er sich nach der Arbeit unverzüglich auf den Balkon zum Rauchen zurückzieht. Besonders aus der Beziehung zu Lucie, für die Herr Peyer eine wichtige Bezugsperson ist, hat dieser sich nach Wahrnehmung von Frau Kaufmann seit der Trennung zurückgezogen. Entgegen getroffenen Abmachungen bleibt Herr Peyer immer wieder unangekündigt mehrere Tage weg und ist dann auch telefonisch nicht erreichbar. Dies verunsichert aus Sicht von Frau Kaufmann die Kinder und bringt sie selbst in schwierige Situationen, zum Beispiel, wenn Lucie – was immer wieder vorkommt – ebenfalls unauffindbar bleibt und Frau Kaufmann wegen Alex nicht so einfach von zuhause weggehen und sie suchen kann. Im Rahmen der sozialpädagogischen Problembearbeitungen begründet Herr Peyer seine unangekündigten Abwesenheiten mit der anfallenden Arbeit in der Motorrad-Garage, die einen Zusatzverdienst einbringe (Brauchli 2021, 123–226).
Familie Märki: Daniela Märki und ihr Sohn Julien (10) wohnen zu zweit in einem baufälligen Mehrfamilienhaus. Frau Märki ist aufgrund gesundheitlicher und psychischer Probleme Sozialhilfebezügerin und leistet stundenweise ehrenamtliches Engagement. Herr Märki hat Frau Märki und Julien kurz nach Juliens Geburt verlassen und war seither für sie unauffindbar. Bei einem Hausbesuch frühmorgens ist er – für die Sozialpädagogin und Forscherin unerwartet – auch anwesend und erklärt, er wohne nun vorerst bei der Familie. Frau Märki wünscht sich ein Familienleben zu dritt, möchte die Sache aber langsam angehen. Herr Märki äussert sich nicht dazu.
Herr Märki und Julien streiten sich oft und Frau Märki sieht sich damit konfrontiert, zwischen ihnen vermitteln zu müssen. Mit der Begründung, er müsse eine Arbeitsstelle suchen, verlässt Herr Märki nach drei Wochen die Familie wieder. Er bricht für Frau Märki und Julien unerwartet den Kontakt mit ihnen ab und ist nicht mehr erreichbar, was besonders bei Julien grosse Verunsicherung und Enttäuschung auslöst.
Obwohl es sich also bei beiden untersuchten Familien um praktisch alleinerziehende Mütter mit ihren Kindern handelt, sind die Väter Teil der untersuchten Familienkonstellationen und mitunter auch der familialen Problemdynamiken, die sozialpädagogisch bearbeitet werden (Brauchli 2021, 227–328).
Im nächsten Kapitel wird aufgezeigt, wie sich die Väter in den beiden Familien gegenüber dem Setting der Sozialpädagogischen Familienbegleitung verhalten.
6.2 Virtuose Unverbindlichkeit der Väter im Setting der Sozialpädagogischen Familienbegleitung
Sowohl bei Familie Kaufmann/Peyer wie auch bei Familie Märki sind die Väter teilweise bei den Hausbesuchen der sozialpädagogischen Familienbegleiterinnen anwesend. Dies bedeutet indes nicht, dass sie sich auch in der Sozialpädagogischen Familienbegleitung einbringen würden. Vielmehr markieren sie in Situationen, in denen es um die Bearbeitung von familialen Problemen geht, in je unterschiedlicher Weise ihre Unverbindlichkeit gegenüber der Massnahme und entziehen sich damit einer Adressierung durch die Fachkraft.
Die folgende Situation findet an einem Morgen bei Familie Märki zuhause statt, als die Sozialpädagogin, Frau Anton, wie angekündigt einen Erziehungsratgeberfilm mitbringt, den sie sich mit den Eltern anschauen möchte. Die Vorbereitungen für die Filmvorführungen sind im Gange. Frau Anton ist damit beschäftigt, den Computer aufzustarten und die DVD einzulegen.
Frau M.: Musst dann ein bisschen näher rücken, gell (1) ((mit hoher, feiner Stimme))
Herr M.: Ja.
Frau A.: Er kann sonst-
Frau M.: Hast du etwas gesagt? (3)
Herr M.: Nein, ich bin nur am Nachdenken („überlegge“) wegen nächster Woche (1)
Frau M.: Ach so.
Frau A.: Sind Sie jetzt am eh (.) im RAV (Regionales Arbeitsvermittlungszentrum, Anm. S.B.) angemeldet, oder? (1)
Herr M.: Ja: das fängt jetzt eben alles nächste Woche an und jetzt bin ich nur noch bis am Dienstag hier (1) // Frau A.: Ja // Am Dienstag am Mittag gehe ich dann nach Hause (3) und nachher habe ich eben RAV und Sozi und (.) das Ganze // Frau A.: Ja // Zeug alles. (4) ((Stühle werden verschoben)) Und dann muss ich eben schauen, weil dann wird’s (.) WAHRscheinlich[3] dann so sein, dass ich dann (.) ein, zwei Wochenenden (.) wahrscheinlich dann nicht da bin.
Frau A.: Ja.
Herr M.: Dass ich dann (.) im April dann erst wieder komme. (7) ((Computer wird gestartet))
Frau M.: Dann muss man es dann einfach Julien dann sagen, damit er’s auch weiss.
Herr M.: Ja klar („eh jo“) ((Filmmusik)) Ich will dann zuerst einmal das ganze Zeugs alles machen.
(Transkript_Besuch_Märki_140314, Z. 1430–1443)
Frau Märki lädt Herrn Märki ein, sich mit seinem Stuhl etwas näher beim Computerbildschirm zu positionieren, vermutlich, um eine bessere Sicht auf den Film zu gewährleisten. Herr Märki, der den Film im Gegensatz zu Frau Märki und Frau Anton noch nie gesehen hat, ist damit einverstanden und verneint Frau Märkis Frage, ob er etwas gesagt habe, mit der Begründung, dass er nur mit seinen Gedanken bei dem sei, was die kommende Woche bringen werde. Frau Anton erkundigt sich, ob er nun beim Regionalen Arbeitsvermittlungszentrum (RAV) gemeldet sei. Ihre Frage lässt darauf schliessen, dass sie über Herrn Märkis aktuelle Arbeitslosigkeit informiert ist und annimmt, dass diese Thematik Gegenstand seiner Gedanken ist. Herr Märki bestätigt dies und erwähnt, dass er am Dienstag „nach Hause“ fahren werde, um Termine wahrzunehmen und sich beim RAV und Sozialdienst zu melden. Dies werde ihm wohl verunmöglichen, die folgenden Wochenenden bei Frau Märki und Julien zu verbringen. Er werde voraussichtlich erst im nächsten Monat zurückkehren. Die Sozialpädagogin merkt an, dass auch Julien informiert werden müsse, was Herr Märki bestätigt („Ja klar“). Zudem betont er, dass die Stellensuche für ihn derzeit Priorität habe.
Herr Märki wechselt also abrupt das Gesprächsthema, welches durch das Bestreben Frau Märkis und Frau Antons geprägt ist, ihn (räumlich) in die Sozialpädagogische Familienbegleitung einzubeziehen. Er betont, dass er gedanklich schon nicht mehr vor Ort sei, sondern ihn die bevorstehende und für ihn nun vordringliche Stellensuche beschäftige, aufgrund der er in nächster Zeit auch in der Familie abwesend sein werde. Damit entzieht er sich den Einbindungsversuchen der beiden Frauen und signalisiert, dass er den Film lediglich als unbeteiligter Gast – der mit seinen Gedanken bereits anderswo sei – mitschauen werde. Auf diese Weise demonstriert er gegenüber dem Setting der Sozialpädagogischen Familienbegleitung eine gewisse Unverbindlichkeit.
In einer anderen Situation besteht Herr Märki darauf, Zeitungen herauszustellen, da die Müllabfuhr stattfindet. Frau Märki sieht jedoch keine Dringlichkeit dafür. Dies geschieht genau in dem Moment, als Julien das Haus verlässt und sich damit der Übergang in ein beratendes Elterngespräch ankündigt. Herrn Märkis Entsorgungseifer kann als ein Vorwand gedeutet werden, sich dem Beratungsgespräch mit der Sozialpädagogin zu entziehen. Während Herr Märki Zeitungen entsorgt, deutet Frau Märki gegenüber der Sozialpädagogin an, dass Herr Märki manchmal gewalttätig gegenüber Julien sei, bricht das Gespräch jedoch ab, als Herr Märki zurückkehrt (Brauchli 2021, 259 ff.).
Bei Familie Kaufmann/Peyer nimmt Leon Peyer auf Initiative von Frau Kaufmann einmal im Monat an den Treffen mit der sozialpädagogischen Familienbegleiterin teil. In der folgenden Situation, die sich bei einem dieser Treffen abspielt, sitzt der einjährige Sohn Alex mit den Erwachsenen am grossen Küchentisch; die beiden Töchter sind ausser Haus. Frau Kaufmann bringt anhand einer Situation, die sich kürzlich an einem Feierabend ereignet hat, das Problem zur Diskussion, sich von Herrn Peyer in der Sorgearbeit allein gelassen zu fühlen. Die Sozialpädagogin Frau Weber meldet sich zu Wort.
Frau W.: Das Bedürfnis einer Mutter mit drei so (.) wilden Kindern ist ah ((Erleichterung ausdrückend)) Endlich bist du da ((Alex quiekt vergnügt und Herr Peyer antwortet mit einem Knurrgeräusch)) Übernimm bi- // Herr P.: @.@[4] // oder ja. Man hat den ganzen Tag // Frau K.: Mhm // irgendwann kannst du ((„magsch“)) einfach nicht mehr.
Herr P.: Du: hei dudududu ((zu Alex)).
(Transkript_Besuch_Kaufmann_151024, Z. 561–565)
Frau Weber erklärt, dass eine Mutter mit drei „wilden“ Kindern, wie Frau Kaufmann sie habe, sich nach einem anstrengenden Tag nach ihrem Partner sehne und bei dessen Rückkehr Erleichterung empfinde. Sie gibt damit generalisierend eine Erfahrung von Müttern wieder, spricht dabei indirekt Herrn Peyer an, dessen Verhalten problematisiert wurde, und appelliert an sein Einfühlungsvermögen. Dieser ist jedoch auf das Spiel mit Alex konzentriert, wie sein Knurren auf Alex’ Quieken hin zeigt, und scheint Frau Webers Worte nicht zu hören.
Frau Weber fährt fort, indem sie, sich immer noch in Frau Kaufmann hineinversetzend, den Wunsch nach Ablösung bei der Kinderbetreuung artikuliert („Übernimm bi-“) und erklärt, dass die Kraftreserven nach einem ganzen Tag allein mit den Kindern erschöpft seien („Irgendwann kannst du einfach nicht mehr“). Frau Kaufmann stimmt ihr zu. Herrn Peyers Reaktion – er lacht und spricht Alex in Babysprache an – deutet darauf hin, dass er die Sozialpädagogin nicht gehört hat. Zugleich entzieht er sich damit der Verantwortung, die Frau Weber ihm nahelegt.
Die analysierte Szene ist Teil einer längeren Passage, in der Herr Peyer mehrfach den Gesprächen ausweicht, wenn die Sozialpädagogin ihn auf seine Verantwortung anspricht, indem er sich auf Alex konzentriert (Bsp.: „Frau W.: Und wir wollen den Leon (.) WENN er da ist (2) // Frau K.: Ja. // Herr P.: Alex ((ermahnend)) // Frau W.: Wollen wir ihn als Vater von diesen Kindern da oder“ [Transkript_Besuch_Kaufmann_151024, Z. 550–553]).
6.3 Unverbindlicher Einbezug und Verantwortungsentlastung der Väter
Die Unverbindlichkeit, die die Väter gegenüber ihren Familien wie auch der Sozialpädagogischen Familienbegleitung signalisieren, widerspiegelt sich in der Art und Weise, wie die sozialpädagogischen Fachkräfte die Väter in die Massnahme einbeziehen. Versuche eines verpflichtenden Einbezugs der Väter, wie dies in der Sequenz oben zum Ausdruck kommt, sind nicht die Regel und werden mitunter relativiert („(…) wollen wir ihn als Vater von diesen Kindern da oder. Aber auch ER darf einmal eine [Zigarette] rauchen // Frau K.: Ja sicher //oder“ [Transkript_Besuch_Kaufmann_151024, Z. 553–554]).
Bei Familie Kaufmann/Peyer finden die monatlichen Treffen mit Herrn Peyer auf Wunsch und Initiative von Frau Kaufmann statt. Herrn Peyers Teilnahme an der Sozialpädagogischen Familienbegleitung ist anfänglich Diskussionsgegenstand zwischen Frau Kaufmann und der Sozialpädagogin. Als Frau Kaufmann den Vorschlag eines Treffens mit Herrn Peyer einbringt und mögliche Zeitfenster für einen ersten Termin nennt, erkundigt sich die Sozialpädagogin:
Frau W.: Ähm [Frage.] ( ) Frage, will denn das der Leon auch?
Frau K.: [Oder Sonntag.][5] Ja.
Frau W.: Ja?
Frau K.: Ja.
Frau W.: Sind Sie sicher? [Ich frage jetzt mal.] Oder weil weil Väter tun
Frau K.: [JA::: jaja.]
F.: [@.@]
Frau W.: sich manchmal schwer. (5) Stimmt.
Frau K.: Wär’s jetzt böse, wenn ich sage, er hat zu wollen?
Frau W.: Ja, ich habe gedacht, dass es so rauskommt @1@
Frau K.: °Nein°. Ich habe ä:h er hat jetzt vorhin gerade angerufen.
(Transkript_Besuch_Kaufmann_151015_Teil 2, Z. 970–980)
Die Sozialpädagogin fragt eindringlich, ob Herr Peyer ein Treffen wünsche, was Frau Kaufmann mehrfach bejaht, während die Sozialpädagogin Zweifel zeigt („Sind Sie sicher?“). Das Lachen der Forscherin markiert diese Zweifel als Auffälligkeit. Frau Weber erklärt ihre Skepsis damit, dass Väter oft ungern teilnehmen, und signalisiert, dass ein Treffen nicht gegen Herrn Peyers Willen stattfinden sollte. Frau Kaufmann hinterfragt scherzhaft diese Bedingung und betont Herrn Peyers Mitverantwortung („Wär’s jetzt böse, wenn ich sage, er hat zu wollen?“). Diese Aussage wiederum veranlasst Frau Weber zu der Bemerkung, sie habe eine solche Erwartungshaltung von Frau Kaufmann bereits vermutet („Ja, ich habe gedacht, dass es so rauskommt @1@“). Sie erweckt damit den Eindruck, dass Frau Kaufmanns Erwartung problematisch ist. Frau Kaufmann nimmt ihre Aussage auch sofort zurück und erklärt, sie habe kurz vor dem Gespräch mit Herrn Peyer telefoniert, habe sich also im direkten Gespräch von seiner Teilnahmebereitschaft überzeugen können.
Obwohl Herr Peyer einmal im Monat an Gesprächen teilnimmt, liegt der Fokus der Sozialpädagogin primär auf Frau Kaufmann. Dies zeigt sich unter anderem darin, dass die Sozialpädagogin im Zwischenbericht an die zuweisende Stelle zwar die Sichtweise der beiden Töchter sowie diejenige von Frau Kaufmann mit aufnimmt, die Sichtweise von Herrn Peyer jedoch fehlt (Brauchli 2021, 211 ff.). Da die Massnahme aufgrund eines Vorfalls eingeleitet wurde, bei dem Frau Kaufmann ihre Tochter Lucie geschlagen hat, könnte argumentiert werden, dass Frau Kaufmann zu Recht die Hauptadressatin ist. Der Vorfall ereignete sich jedoch, nachdem Herr Peyer nach einem Trennungsstreit unangekündigt abwesend war und Lucie stundenlang unauffindbar blieb, was zu erheblichem Stress für Frau Kaufmann führte. Dies zeigt, dass eine Individualisierung bzw. Personalisierung von familialen Problemen den komplexen familialen Problemdynamiken oft nicht gerecht wird.
In der sozialpädagogischen Arbeit entlastet die Sozialpädagogin Herrn Peyer von seiner Mitverantwortung für die Care-Arbeit. So wehrt sie beispielsweise Frau Kaufmanns Wunsch ab, dass Herr Peyer seine Beziehung zu den Kindern stärken und sich bei der bevorstehenden Geburt um die älteren Kinder kümmern solle, mit dem Hinweis, dass dieser Wunsch zwar gerechtfertigt sei, aber Herr Peyer nicht verpflichtet werden könne, ihm nachzukommen (Brauchli 2021, 185 ff.). Bei einem anderen sozialpädagogischen Hausbesuch wird eine Konfliktsituation besprochen, die entstand, weil Herr Peyer kurzfristig abgesagt hatte, auf Alex aufzupassen, sodass Frau Kaufmann ihren Zahnarzttermin absagen musste. Als Lösung schlägt die Sozialpädagogin vor, die Fremdfinanzierung eines Kita-Platzes für Alex zu organisieren, und entlastet Herrn Peyer mit Verweis auf seine beruflichen Verpflichtungen, ermahnt ihn jedoch, seinen Arbeitsplatz zu sichern. Sie orientiert sich dabei implizit am traditionellen männlichen Ernährer-Modell. Frau Kaufmann hat sich bereits selbst um einen Kita-Platz bemüht. Ihre Erfahrung jedoch, dass Herr Peyer sich nicht kooperationsbereit zeigt und sie dies als persönliche Missachtung empfindet, wird in der Sozialpädagogischen Familienbegleitung nicht aufgegriffen (Brauchli 2021, 206–211).
Im Fall von Herrn Märki, der bis vor kurzem keinen Kontakt zu Frau Märki und Julien hatte, bezieht die Sozialpädagogin Herrn Märki, wenn er bei den Sitzungen anwesend ist, zwar nach Möglichkeit in die sozialpädagogische Problembearbeitung ein, wirkt aber vor allem darauf hin, dass er keine neuen Problemdynamiken in der Familie erzeugt:
Frau A.: SIE haben jetzt das Gefühl, das ist mein SOHN also muss es doch gehen und weil’s- (2) // Frau M.: hh. // und und dann (.) das fühlt natürlich der Julien auch, dass (.) dass jetzt da auch so ein bisschen äh (.) eben der DRUCK kommt. (…) Und sie setzen sich jetzt vielleicht auch unter Druck und (.) auf eine Art (.) Sie haben das Kind jetzt jahrelang nie gesehen (.) und (2) müssen jetzt da nicht gerade auf ä:h zweihundert Prozent Vater spielen.
Herr M.: Jaja, das ist (.) das ist mir auch klar ja.
Frau A.: (2) Oder von da he:r ist es vielleicht besser, sie- sie behalten jetzt immer noch (2) die Führung und sagen, wo’s lang geht.
(Transkript_Besuch_Märki_140304, Z. 605–613)
Die Sozialpädagogin vermutet, dass Herr Märki überzogene Erwartungen an Julien und sich selbst als Vater hat. Sie warnt ihn davor, seine Vaterrolle nach jahrelangem Kontaktabbruch überzustrapazieren und sich dadurch unglaubwürdig zu machen („nicht gerade auf ä:h zweihundert Prozent Vater spielen“). Damit stellt sie implizit seine Vaterrolle infrage, da ihm praktische Erfahrung fehlt, und rät Frau Märki, weiterhin die Führung in der Familie zu übernehmen. Mit ihrem Ratschlag versucht sie zu verhindern, dass Herr Märki durch übereifrige Versuche die fragilen Beziehungsdynamiken zwischen Frau Märki und Julien stört. Zudem fordert sie Solidarität von Herrn Märki gegenüber Frau Märki und rät ihm, Sanktionen gegenüber Julien nicht zu unterlaufen (Brauchli 2021, 277–282).
Die Problembearbeitungsdynamiken unterscheiden sich in den beiden untersuchten Familien: Bei Familie Kaufmann/Peyer entlastet die Sozialpädagogin den Vater von der Sorgearbeit und wirkt auf die Durchsetzung bzw. Aufrechterhaltung des männlichen Ernährer-Modells hin. Bei Familie Märki stärkt sie die elterliche Autorität der Mutter und verhindert, dass Herr Märki durch überambitioniertes Verhalten neue Problemdynamiken erzeugt. In beiden Fällen werden die Väter nicht verbindlich in die Problemlösungsentwürfe einbezogen und von der Mitverantwortung für die Sorgearbeit entlastet, da sie sich selbst davon distanzieren. Die Fachkräfte übertragen die Lösung der familialen Probleme stattdessen den Müttern.
6.4 Delegitimierung autoritärer Vaterschaftsentwürfe und Vaterschaftsentwürfe als Leerstelle sozialpädagogischer Problembearbeitungen
Bei der Nachbesprechung von familialen Konfliktsituationen thematisieren Mütter oder sozialpädagogische Familienbegleiter*innen gelegentlich auch das Verhalten der Väter. Ein Beispiel dafür ist ein Gespräch, in dem Frau Kaufmann und Herr Peyer schildern, wie sie kürzlich in einen Streit gerieten, weil Lucie entgegen Frau Kaufmanns Aufforderung ihre Zähne nicht putzte. Herr Peyer brachte Lucie schliesslich gewaltsam ins Badezimmer. Frau Kaufmann und Herr Peyer sind sich über die Interpretation der Situation uneinig. Während Frau Kaufmann berichtet, dass sich Lucie über Herrn Peyers Verhalten bei ihr beschwert habe, widerspricht Herr Peyer.
Herr P.: Sophie, wenn du Sachen acht Mal sagen musst, finde ich jetzt einfach mal (1) ((schlägt mit der geballten Faust auf den Tisch)) es reicht!
SP: Ja genau, der Vater klopft auf den Tisch.
Herr P.: Es reicht! (1) An jenem Abend hat sie gemacht, was sie wollte (.) Ich hätte schon lange mal einen Schlappen geholt und das Mädchen mal hingestellt und dann gesagt: Hey, Mädel ((klopft zweimal)) so nicht ((hochdeutsch gesprochen))!
(Transkript_Besuch_Kaufmann_151219, Z. 600–605)
Herr Peyer kritisiert Frau Kaufmanns Umgang mit Lucie, die Frau Kaufmanns Aufforderung zum Zähneputzen mehrfach ignoriert hatte. Er betont, dass eine klare Grenzsetzung nötig gewesen sei („Es reicht“) und unterstreicht dies durch einen Faustschlag auf den Tisch, um elterliche Autorität zu demonstrieren.[6] Die Sozialpädagogin kommentiert dies als veraltetes Verständnis von väterlicher Autorität („Ja genau, der Vater klopft auf den Tisch“) und verspottet durch die ironisch gebrochene Form ihrer Aussage Herr Peyers Vaterschaftsentwurf. Herr Peyer wiederholt seine Aussage („es reicht“). Dadurch wird die Lesart eröffnet, dass er auf diese Persiflage reagiere und sich eine solche Behandlung verbitte. Nach einer kurzen Pause ergänzt er allerdings erklärend, dass Lucie an dem Abend keine Grenzen gekannt habe, und äussert die Fantasie, wie er an Frau Kaufmanns Stelle mit einem Hausschuh eingeschritten wäre, um Lucie klarzumachen, dass ihr Verhalten inakzeptabel sei („Ich hätte schon lange mal einen Schlappen geholt“). Seine bedrohliche Schilderung unterstreicht den autoritären Vaterschaftsentwurf, den die Sozialpädagogin kritisiert. In den Hintergrund der Aufmerksamkeit tritt Herr Peyers impliziter Hinweis, dass er die Situation zwischen Frau Kaufmann und Lucie zuerst als Beobachter mit wachsendem Missfallen mitverfolgt hatte, bevor er eingriff. Die Sozialpädagogin greift diese Andeutung nicht noch einmal auf, um mit Herrn Peyer einen Vaterschaftsentwurf zu entwickeln, der in besagter Situation Autonomieräume für ihn erschlossen hätte, sondern sie belässt es dabei, seinen Vaterschaftsentwurf zu problematisieren und zu delegitimieren.
Ähnlich verhält es sich in der analysierten Situation bei Familie Märki, in der Herr Märki ermahnt wird, „nicht gerade […] zweihundert Prozent Vater spielen [Herv. S. B.]“ zu wollen, womit ihm die Sozialpädagogin implizit abspricht, ein echter Vater zu sein. Wie er Julien als Vater begegnen könnte, bleibt unklar. In anderen Situationen wird Herr Märki lediglich aufgefordert, sich solidarisch mit Frau Märki zu verhalten (Brauchli 2021, 227–328).
7. Diskussion
Die analysierten Fallbeispiele zeigen, dass die Väter Teil der untersuchten Familienkonstellationen sind und die sozialpädagogisch bearbeiteten Familienprobleme mithervorbringen, obwohl – oder möglicherweise weil – die Mütter auf den ersten Blick in lokalen Einelternfamilien leben. Die Art und Weise, wie sich die Väter in die sozialpädagogisch begleiteten Familien einbringen, ist durch eine doppelte Unverbindlichkeit geprägt. Erstens verhalten sie sich in unterschiedlicher Weise unverbindlich gegenüber ihren Familien, was sich in ihrer unvorhersehbaren räumlichen An- und Abwesenheit manifestiert, mit der sie sich zugleich einer kontinuierlichen Sorgeverantwortung entziehen. Die sozialpädagogischen Familienbegleiter*innen haben es daher mit faktisch alleinerziehenden – und erschöpften – Müttern zu tun. Zweitens signalisieren die Väter auf virtuose Art und Weise Unverbindlichkeit gegenüber einer Teilnahme an der sozialpädagogischen Problembearbeitung, indem sie beruflichen Verpflichtungen den Vorrang gegenüber der Sorgearbeit geben, sich den sozialpädagogischen Problembearbeitungen räumlich und durch (Vorgabe) mentale(r) Abwesenheit entziehen.
Die Fachkräfte entsprechen diesen Unverbindlichkeitssignalen, indem sie die Väter in pflichtfreier Weise in die sozialpädagogische Problembearbeitung einbeziehen und Problemlösungen vorschlagen, die unabhängig von den Vätern funktionieren: Die Sozialpädagogin von Familie Märki stützt Frau Märki in ihrer mütterlichen Autorität und fordert Herrn Märki auf, sich bei Mutter-Kind-Konflikten solidarisch mit Frau Märki zu zeigen. Die Sozialpädagogin von Familie Kaufmann/Peyer setzt zur Entschärfung von paardynamisch bedingten Betreuungsengpässen auf ausserfamiliale Kinderbetreuung. Die Väter in den untersuchten Familien werden also in ihrer Sorgeverantwortung entlastet, während von den Müttern eine verbindliche Zusammenarbeit eingefordert wird, teilweise in unreflektierter Bezugnahme auf traditionelle Geschlechter- und Familienbilder. Dadurch stellen die Sozialpädagoginnen situativ fachliche Handlungsfähigkeit her, allerdings zum Preis einer Reproduktion der Sorge- und Verantwortungsüberlastung der Mütter, die diese mitunter als Problemerfahrung thematisieren. Die persönlichen Belastungen der Mütter durch die alleinige Sorgearbeit in einer Gesellschaft mit geschlechtsspezifischer Arbeitsteilung werden in der Sozialpädagogischen Familienbegleitung zwar sichtbar, durch fachliche Praktiken aber weiterhin aufrechterhalten, wodurch Problemlösungen verhindert werden.
In Situationen, in denen die Fachkräfte dagegen versuchen, die Väter in die Sorgeverantwortung einzubinden oder zumindest die Absicht dazu signalisieren, demonstrieren die Väter Unverbindlichkeit gegenüber der sozialpädagogischen Massnahme – etwa indem der Vater seine mentale Unverfügbarkeit für die Auseinandersetzung mit einem Erziehungsratgeberfilm mit der bevorstehenden Arbeitssuche legitimiert (Familie Märki) oder als der Vater den Appell der Sozialpädagogin überhört, die Mutter am Feierabend bei der Kinderbetreuung zu unterstützen, indem er eine Parallelkommunikation mit seinem einjährigen Sohn führt (Familie Kaufmann/Peyer).
Wenngleich sich in den untersuchten Fällen die Mehrzahl der sozialpädagogischen Problembearbeitungen auf die Dynamiken zwischen den Müttern und ihren Kindern bezieht, werden doch auch vereinzelt Vaterschaftsentwürfe zum Gegenstand der fachlichen Problematisierung. Die beiden sozialpädagogischen Familienbegleiterinnen in den genannten Beispielen delegitimieren diese Vaterschaftsentwürfe als überlebte und dysfunktionale autoritäre Vaterschaftskonzepte. Sie entwickeln jedoch keine Lösungen mit den Vätern, wie diese stattdessen mit den Kindern umgehen können. Offenbar stellen die Vaterschaftsentwürfe eine unsichtbare Grenze und Leerstelle für die Fachkräfte dar.[7]Das Bildungspotenzial, das die Sozialpädagogische Familienbegleitung für die beiden Väter beinhaltet, bleibt somit ebenso unausgeschöpft wie die Autonomiemöglichkeiten der Väter und der Mütter.
Auch in der Forschung zu den beiden Familien selbst wiederholt sich dies und die Väter und ihre Lebensentwürfe bleiben zumeist eine Leerstelle. Aufgrund der diskontinuierlichen Anwesenheit der Väter in den Familien, ihrer fehlenden Bereitschaft für ein Interview und den daraus resultierenden Datenlücken wurde der Fokus der Untersuchung schliesslich auf die Mütter-Begleitung gelegt. Mangels textueller Abbildbarkeit der komplexen Figurationsdynamiken wurden grosse Teile der Analysen, in deren Zentrum Partnerschafts- und Elternkonflikte standen, bloss ausschnitthaft zur Darstellung gebracht. Da Analysen zur Verhandlung der Selbstbestimmung von Vätern nicht möglich waren, entstand anstelle des geplanten Buchs über die Selbstbestimmung von Eltern schliesslich ein Buch über die Selbstbestimmung von Müttern.
8. Fazit
Der Beitrag zeigt exemplarisch, wie Väter in sozialpädagogisch begleiteten Familien Teil der Problembearbeitungen sind. Auch in Familien, die zunächst „vaterlos“ erscheinen, sind die Väter oft Teil der Familien- und Problemkonstellationen. Die präsentierten Resultate untermauern die Befunde der jüngeren Kindesschutzforschung, wonach Väter mitunter aufgrund stereotyper Geschlechter- und Familienbilder der Kindesschutzfachkräfte seltener als Mütter als mögliche Adressaten in die Sorgeverantwortung genommen werden, obwohl auch sie Erziehungsdefizite aufweisen (vgl. Kap. 2). Sozialpädagogische Familienbegleitung kann Problemkonstellationen hegemonialer Männlichkeit verstärken, anstatt sie zu lösen, indem Mütter in die alleinige Sorgeverantwortung gedrängt werden.
In Bezug auf das Bildungs- und Autonomiepotenzial Sozialpädagogischer Familienbegleitungen zeigen die analysierten Beispiele das spannungsvolle Nebeneinander von Privilegierung und Benachteiligung von Vätern in sozialpädagogischer Begleitung. Die Sozialpädagoginnen ermöglichen den Vätern privilegierten Schutz vor fachlichen Zugriffen auf ihre Selbstbestimmung, indem sie deren signalisierter doppelter Unverbindlichkeit entgegenkommen und die Väter nicht verbindlich in die sozialpädagogisch erarbeiteten Problemlösungen einbinden. Dies sichert zwar ihre fachliche Handlungsfähigkeit, indem sie die mögliche Schwierigkeit umgehen, von den Vätern in den angestossenen Problemlösungen hingehalten oder ins Leere laufen gelassen zu werden. Die Mütter, die umso stärker in die Kooperationspflicht und Verantwortung für die Problemlösungen genommen werden, werden dadurch jedoch zusätzlich vulnerabilisiert und die familialen Konfliktdynamiken werden verdoppelt. Gleichzeitig markieren die Sozialpädagoginnen die von den Vätern eingebrachten Lebensentwürfe als dysfunktional und illegitim, unterstützen sie jedoch nicht in deren Transformation. Dadurch werden den Vätern Bildungsmöglichkeiten vorenthalten, die nicht nur ihnen, sondern auch der gesamten Familie Autonomiepotenzial eröffnen könnten. Wie die analysierten Fälle zeigen, fällt diese vermeintliche Privilegierung der Mütter wiederum negativ auf sie zurück, da sie nur in der Entwicklung von Lebensentwürfen unterstützt werden, die bestimmten unreflektierten Geschlechternormen entsprechen, während ihre alleinige Sorgeverantwortung unangetastet bleibt. Für eine nachhaltige sozialpädagogische Unterstützung von Familien, in denen die Väter als Teil der familialen Probleme thematisiert werden, wäre es daher wichtig, auch die Väter in die sozialpädagogische Problembearbeitung einzubeziehen und die Möglichkeiten einer geteilten Übernahme der Sorgeverantwortung fallbezogen auszuloten, ohne die Väter vorschnell davon zu entlasten. Dies würde Problemlösungsoptionen offenhalten und verhindern, dass Mütter, deren Problemerfahrungen mit der unfreiwilligen alleinigen Sorgeverantwortung für ihre Kinder verbunden sind, in problembelastete Lebensentwürfe zurückgedrängt werden. Gleichzeitig könnten Väter in die Lage versetzt werden, ihre Vaterschaftsentwürfe jenseits hegemonialer Männlichkeit so zu transformieren, dass sie sich in die Familien einbringen können, ohne neue Problemdynamiken zu erzeugen.
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[1] 2021: 59 %, N = 1778; 2022: 56 %, N = 1677 (SPF-Fachverband o. J.).
[2] In der Untersuchung wurden alle Personen-, Orts- und Institutionennamen anonymisiert.
[3] Grossbuchstaben im Transkript kennzeichnen Betonungen.
[4] @.@ = kurzes Auflachen. Eine Zahl zwischen den @-Zeichen markiert die Anzahl Sekunden des Lachens.
[5] Eckige Klammern markieren Redebeiträge, die überlappend sind, leere Klammern unverständliche Worte
[6] Seine Aussage eröffnet zudem die Lesart, er rechtfertige seine Tätlichkeit gegenüber Lucie mit der gewährenden „Untätigkeit“ von Frau Kaufmann.
[7] Gleiches trifft auch auf die Partnerschaftsentwürfe der Eltern zu (Brauchli 2021, 379–382).
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