AFFEKTE UND EMOTIONEN: WEGE ZUR MACHTREFLEXIVEN HOCHSCHULBILDUNG DURCH PRODUKTIVE VERUNSICHERUNG

Andrea Gerber

1. Einleitung

Any classroom […] will also be a place where teachers grow, and are empowered by the process. That empowerment cannot happen if we refuse to be vulnerable while encouraging students to take risks. […] But most professors must practice being vulnerable in the classroom, being wholly present in mind, body, and spirit. (hooks 2014, 21)

Das einführende Zitat von bell hooks betont, dass Bildung an Hochschulen nicht ausschließlich die Ebene der Studierenden, sondern auch die Bildungsprozesse der Lehrenden betrifft. Eine machtreflexive Haltung gegenüber dem, was in der Lehre mit allen Beteiligten (inklusive der eigenen Person) passiert, ist für Bildung in Differenzverhältnissen notwendig. Dazu gehört beispielsweise, dass Lehrende offen für Impulse und Ideen von Studierenden sind. Die Offenheit für Veränderungen im Selbst- und Weltverhältnis (Koller 2018) begünstigt den Bildungsprozess aller beteiligten Akteur*innen und damit der Studierenden und Lehrenden.

Der Anspruch wechselseitiger Bildungsprozesse lässt sich auch unter einer diversitäts- bzw. differenzkritischen Gestaltung von Hochschullehre verstehen,[1] wodurch eine Professionalisierung der Lehre um diese Faktoren erforderlich wird.

Durch den Fokus auf die Vulnerabilität betont hooks zudem die Relevanz von Affekten und Emotionen in Bildungsprozessen.[2] Die Dichotomie von Emotionalität und Rationalität ist sowohl in der Gesellschaft, in der Lehre als auch in der Forschung weit verbreitet. Die Geschlechterforschung hat aufgezeigt, dass die Dichotomie von Emotionalität und Rationalität zutiefst vergeschlechtlicht ist. Dies wurde anhand der Fachkulturen als Ordnungen der Geschlechter in der akademischen Lehre verdeutlich (z. B. Bütow et al. 2016). Die binäre Geschlechterkonstruktion, die sich an cis-heteronormativen Maßstäben orientiert, führt zu einer entsprechenden Einteilung von Rationalität und Emotionalität. Dabei wird das Rationale eher dem Männlichen und das Emotionale dem Weiblichen zugeordnet. Wissenschaft und Lehre werden in diesem Kontext als (geschlechts-)neutrale Orte imaginiert. Auch mit einem rassismuskritischen Zugang lässt sich durch einen Blick auf die Kolonialgeschichte eine fortwährende Reproduktion dieser Dichotomie beobachten, durch die eine Trennung von Analyse und Empfinden, von Geist und Körper sowie von Vernunft und Affekten erfolgt (Shure 2023, 110).

Queer-feministische, postkoloniale Theoretiker*innen, rassismuskritische Zugänge wie auch Vertreter*innen der Cultural und Affect Studies hinterfragen die genannte Trennung und erforschen die damit verbundenen Herstellungsprozesse und Diskurse (Butler 2004; Ahmed 2014; Baier et al. 2014). In jüngerer Vergangenheit ist eine Zunahme an Forschungsarbeiten zu beobachten, die sich aus macht- und differenztheoretischer Perspektive mit dem Thema Bildung befassen. Dabei wird beispielsweise eine hegemonietheoretische Herangehensweise gewählt (Rangger 2024), eine intersektionale (Riegel 2016; Bergold-Caldwell 2020; Akbaba et al. 2022), eine dekoloniale (Akbaba/Heinemann 2023), eine queertheoretische (Hartmann et al. 2017) und eine Analyseperspektive in Verbindung mit affekttheoretischen Perspektiven (Ahmed 2006; Huber/Krause 2018; Akbaba/Heinemann 2023; Linnemann 2023; Menz et al. 2024).

Unter Berücksichtigung der dargelegten Ausgangslage erscheint die Formulierung eines Bildungsbegriffs erforderlich, welcher Affekte und Emotionen nicht ausblendet. Dies ist insofern relevant, als Emotionen und Affekte gemäss Ahmed (2014, 189) Differenzen erzeugen. Emotionen und Affekte bewegen sich über die Körper von Menschen zwischen Individuum und Gesellschaft, spielen in soziale Interaktionen mit hinein und in diesem Raum der sozialen Interaktion, der als Machtverhältnis zu verstehen ist, entsteht ein Raum für Differenzen. Dies lässt sich auch damit begründen, dass Bildungsprozesse eng mit Identitäts- und Subjektivierungsprozessen verknüpft sind (Hartmann et al. 2017; Bergold-Caldwell 2020).

Die Fähigkeit, in der Lehre diskriminierungskritisch und damit machtsensibel zu agieren, erfordert neben der Offenheit für Veränderungen im Selbst- und Weltverhältnis auch eine kritische Distanz zu den Lehrinhalten, zu den disziplinären „truth claims“ (Cho et al. 2013) sowie zur eigenen Rolle als Lehrende und Lernende zugleich. Eine kontinuierliche Selbstkritik der eigenen Verstrickung in Macht- und Herrschaftsverhältnisse ist unerlässlich (Castro Varela 2015, 48). Damit geht es um Fragen im Wissen-Macht-Komplex (Foucault 2017), der gesellschaftlich-historisch situiert ist, und wie Bildung und Bildungsorganisationen hierzu im Verhältnis stehen.

Bildungsprozesse haben sowohl Potenzial wie auch Anspruch auf Veränderung und Transformation. Diese Widersprüchlichkeit ist charakteristisch für Bildung (Riegel 2016, 314). Wenn nun in diesem Artikel die Perspektive der Lehrenden im Zentrum steht, geht es dabei immer auch um den sozialen Kontext einer Hochschule und die diskursiven Räume, die Kritik und Widerstand ermöglichen oder verunmöglichen. Als öffentlich-rechtliche Bildungsorganisationen sind Hochschulen in gesellschaftliche Macht- und Herrschaftsverhältnissen eingebunden und sie reproduzieren Differenzen mit. Hegemoniale Ordnungen sowie soziale Differenzierungen werden durch Personen, durch Diskurse und deren soziale Positionierungen und Biografien sowie durch deren Fächer und Disziplinen in Bildungsräumen repräsentiert.

Die genannten Ansprüche sind von entscheidender Bedeutung, um eine Reduktion der Lehre auf die neutrale Vermittlung von Wissen zu vermeiden und eine weiter gefasste Konzeption von Hochschulbildung zu entwickeln. Diesbezüglich ist von einem Prozess der Erfahrung auszugehen, aus dem die beteiligten Subjekte verändert hervorgehen. Die angestrebten Veränderungen betreffen nicht nur das Denken, sondern das gesamte Verhältnis des Subjekts zur Welt, zu anderen Menschen und zu sich selbst (Foucault 1996; Koller 2018, 9). Dies impliziert einen „analytischen und (selbst-)kritischen Blick auf die historischen Bedingungen des (eigenen) Deutens, Handelns und Fühlens“ (Shure 2023, 111).

Im Folgenden soll deshalb die Frage fokussiert werden, wie sich Bildungsprozesse an Hochschulen macht- und differenztheoretisch analysieren lassen, indem ein bewusstes Augenmerk auf Affekte und Emotionen gelegt wird. Hierbei wird auf ein Verständnis von Bildungsprozessen fokussiert, das Lehrende und Studierende gleichermaßen einschließt und die damit verbundenen Differenzverhältnisse als historisch-gesellschaftlich geprägt wahrnimmt.

2. Methodisches Vorgehen

Obgleich in jüngster Vergangenheit eine Reihe von Studien entstanden ist, besteht insbesondere ein Mangel an Forschungsarbeiten, die den Schweizer Kontext von Fachhochschulen thematisieren. Die Beantwortung der einleitend formulierten Frage erfolgt unter Bezugnahme auf eine eigene Studie, die im Kontext der Fachhochschulen der Schweiz situiert ist (Gerber 2023). Dieser Artikel dient der Theoretisierung und Weiterführung der empirischen und theoretischen Ergebnisse dieser Arbeit.

Die Datenbasis dieser Studie bildet ein Sample von zwölf Problemzentrierten Interviews (Witzel 2000). Die Samplingstrategie basiert auf einer Kombination von zielgerichtetem (Patton 2002, 230 ff.) und theoretischem Sampling (Strauss/Corbin 1996).[3] In Bezug auf das Alter, die Personalkategorie, die disziplinäre Zugehörigkeit sowie die Lehrerfahrung zeigt sich eine breite Variation innerhalb des Samples. In Bezug auf weitere Differenzlinien zeigt sich eher ein homogenes Bild von Lehrenden. Alle interviewten Personen sind cis-geschlechtlich und weiß sowie zur Hälfte weiblich und männlich. Nach sexueller Orientierung sowie Behinderungsarten wurde nicht gefragt und diese wurden von den Interviewten auch nicht thematisiert. Die Forschungsfragen waren: Wie verstehen Lehrende das Phänomen „Diversity“ im Kontext ihrer Lehre und wie gehen sie methodisch-didaktisch damit um? Die Forschungshaltung und -strategie orientierte sich an der Grounded Theory (Strauss/Corbin 1996).

Die Auswertung der Daten der Problemzentrierten Interviews (Witzel 2000) erfolgte unter Zuhilfenahme des Kodierverfahrens der Grounded Theory (Strauss/Corbin 1996). Dabei wurden das offene, axiale und selektive Kodieren zur Analyse genutzt. Die Anwendung des Kodierrahmens beinhaltet Erklärungen über die Zusammenhänge von Kategorien sowie die Fokussierung auf die Kernkategorie. Die Ergebnisse der Analyse mündeten in einem Modell, welches den Titel „Produktive Verunsicherung im Kontext von Diversity in der Hochschullehre“ (Gerber 2023) trägt. Die Studie basiert auf einem intersektional-feministischen Wissenschaftsverständnis sowie einem machttheoretischen Zugang, welcher im Rahmen einer intersektionalen Analyseperspektive umgesetzt wurde (Cho et al. 2013; Riegel 2016).[4] Da sich Hochschullehre in Differenzverhältnissen vollzieht, ist es unerlässlich, dass sich auch die Lehrenden selbst „transformieren“, bzw. „sich produktiv verunsichern“ lassen, sich verletzlich zeigen und sich hegemonieselbstkritisch betrachten.

Um dieser Frage auf den Grund zu gehen, wird schrittweise vorgegangen: Im Folgenden wird zunächst der transformatorische Bildungsbegriff nach Koller (2018) aufgegriffen und in einen Dialog mit empirischen Ergebnissen der oben zitierten Studie gebracht,[5] wobei eine Erweiterung um die Aspekte „Affekte“ und „Emotionen“ erfolgt. Sein Bildungsbegriff integriert eine Vielzahl weiterer, auch machtheoretischer Zugänge, wodurch dieser anschlussfähig ist. Allerdings weist dieser Ansatz gleichzeitig eine Leerstelle bezüglich Affekten und Emotionen auf. Im Anschluss erfolgt eine Darstellung des Konzepts der produktiven Verunsicherung, welches als eines der Hauptergebnisse aus der erwähnten Interviewstudie entwickelt wurde. Das Konzept verdeutlicht, wie Affekte und Emotionen im Prozess der Bildung an Hochschulen thematisch werden, ohne jedoch direkt thematisiert zu werden. In einem nächsten Schritt werden die relevanten Aspekte von Affekten und Emotionen thematisiert und mit weiteren Forschungsergebnissen, z. B. aus postkolonialer Forschung bzw. den Affect Studies zusammengeführt. Im letzten Schritt wird begründet, wie und weshalb eine machtsensible Selbstreflexion in der Lehre die eigene Verletzlichkeit und Emotionalität im Kontext von Macht- und Herrschaftsverhältnissen implizieren sollte. Die Diskussion und ein Fazit runden den Text ab.

3. Transformatorische Hochschulbildung in Differenzverhältnissen

In den vergangenen Jahren hat sich der Diskurs um die „Diversität der Studierenden“ an Hochschulen intensiviert und auch die Frage eines angemessenen professionellen Umgangs damit (Rheinländer 2015; Auferkorte-Michaelis/Linde 2018; Klingovsky et al. 2021; Gerber 2023). Für die Hochschullehre und ihre Akteur*innen ergeben sich dadurch viele Ansprüche und Anforderungen, die teilweise auch widersprüchlich sind, weshalb diese Perspektive und Prozesse auch bei der Interviewstudie im Fokus standen.

Im Folgenden wird der Bildungsbegriff von Koller (2018) mit den empirischen Daten der Interviewstudie zusammen in Dialog gebracht, indem vier relevante Komponenten dieses Bildungsbegriffs mit zentralen Ergebnissen der Studie in Verbindung gebracht werden.

Kollers Begriff eignet sich als Analysegegenstand, weil er eine Vielzahl von theoretischen Positionen und Konzeptionen integriert und auf eine relevante Dimension für Bildung in Differenzverhältnissen fokussiert: die Transformation des Welt- und Selbstverständnisses. Er eignet sich auch, weil er machttheoretische Ansätze integriert und damit für Differenzkritik in der Hochschulbildung genutzt werden kann. Dieses Bildungsverständnis ist auch anschlussfähig an postkoloniale oder queere Zugänge, die z. B. einen eurozentristischen Blick auf Bildung (hooks 2014; Castro Varela 2021) im Kontext von Differenzverhältnissen kritisch hinterfragen. Gleichzeitig enthält der Bildungsbegriff von Koller eine Leerstelle, wie viele andere Bildungsbegriffe und -konzeptionen auch: Affekte und Emotionen werden ausgeblendet.

3.1 Bildung als Prozess der Erfahrung

Transformative Bildung lässt sich nach Koller (2018) im Anschluss an Foucault als Prozess der Erfahrung beschreiben. Aus dieser Erfahrung, und hier setzt der eigentliche Bildungsprozess ein, können Menschen als Subjekte verändert hervorgehen. Die Veränderung bezieht sich dabei auf das gesamte Verhältnis des Subjekts zur Welt, zu anderen und zu sich selbst. Koller (2018, S. 9) schlägt daher im Anschluss an Foucault auch vor, das Bildungsgeschehen selbst als ein Andersdenken oder Anderswerden zu verstehen. Auch in Bezug auf Lehrhandeln im Kontext von Differenzverhältnissen ist ein Andersdenken und -werden zentral, weil es bei Bildungsprozessen auch um unterschiedliche Teilhabechancen und Zugehörigkeiten (Akbaba et al. 2022) und auch um Identitätsprozesse geht (Bergold-Caldwell 2020). Um diversitätssensibel und differenzkritisch zu agieren, braucht es erfahrbare Impulse und Räume für Veränderungen, welche Differenzordnungen und Machtverhältnisse ins Wanken bringen können. Dies wird im 4. Kapitel wieder aufgegriffen. Solche Räume entstehen beispielsweise durch „die Geschichten der Studierenden, die mich zum Nachdenken bringen“ (Interviewzitat). Die in der Interviewstudie befragten Lehrenden beschreiben, wie sich z. B. die Pluralisierung der Gesellschaft über die erzählten Erfahrungen der Studierenden zeigt. Die Lehrenden signalisieren im Interview die Bereitschaft, sich darauf einzulassen und sich dabei irritieren zu lassen. Durch Widersprüche bzw. Ambivalenzen können gängige Differenzordnungen hinterfragt werden, wodurch sich Räume für deren Dekonstruktion eröffnen, wie es sich z. B. in den Studien von Smykalla (2010) und Riegel (2016) manifestiert. Voraussetzung hierfür ist die Bereitschaft, sich auf Erfahrungen anderer Menschen einzulassen. Diese These muss jedoch gleichzeitig auch einer kritischen Betrachtung unterzogen werden, da es auch heikel ist, dass Diskriminierungserfahrungen oder persönliche „Geschichten“ von Studierenden als Ausgangspunkt und Voraussetzung für die Bildung der Lehrenden herangezogen werden. Zudem stellt sich immer auch die Frage der epistemischen Gewalt (Castro Varela 2015) und damit verbunden die Frage, wessen Stimme überhaupt gehört wird und welche Erfahrungen mehr zu einem „Sprechen für“ oder „Sprechen über“ werden. Es ist zudem zu berücksichtigen, dass Lehrende selbst unterschiedlich positioniert sind und womöglich selbst Differenzerfahrungen in den Bildungsprozess einbringen. Die „neuen Erzählungen der Studierenden“ und die Stimmen, um die es dabei geht, müssen auch als Phänomene in Differenzverhältnissen reflektiert werden. Darauf wird in Kapitel 5 näher eingegangen.

3.2 Krisenhafte Erfahrungen

Als weiterer wichtige Dimension des Bildungsbegriffs nennt Koller (2018) krisenhafte Erfahrungen, also Erfahrungen, die Menschen in ihrem bisherigen Denken und Handeln destabilisieren. Dabei betont er, dass Krisen nicht per se Bildung auslösen, sondern dass sie im Gegenteil auch zu einer Verhärtung von gängigen Positionen und Standpunkten führen können. Auch gehe es nicht darum, Krisen künstlich zu erzeugen – die Welt und die Probleme dieser Welt bieten genügend Anlässe. Koller (2018, S. 16) spricht von einem produktiven Umgang mit Krisenerfahrungen. Es gelte zu fragen, welche Art und Weise von Krisenerfahrungen Bildungsprozesse auslösen und fördern können. Er bedient sich dabei dem Konzept der Erfahrung des Fremden nach Waldenfels bzw. am Begriff der Krisenerfahrung nach Kokemohr. Dabei geht es um das Erleben einer Problemsituation, die neuartig ist und für die bisherige Bewältigungsformen nicht ausreichen. Ausgangspunkt für Bildung ist hier ein Scheitern oder ein krisenhaftes Ereignis.

Während die befragten Lehrenden von ihrem Handeln im Kontext von Differenz erzählen, kommen auch ihre Gefühle der Überforderung und der eigenen Grenzen zur Sprache: „Ich kann nicht jeden retten“ (Interviewzitat). Andere erzählen, dass ihnen „die Tools fehlen“ (Interviewzitat), um Studierenden mit psychischen Behinderungen adäquat zu begegnen und sie zu begleiten. Das löst bei den befragten Personen eine Art „krisenhafte Erfahrung aus“ oder eben eine „produktive Verunsicherung“. Verunsicherung geschieht z. B. auch über die Erfahrung mit „seismographischen Studierenden“ (Interviewzitat). Damit sind Studierende gemeint, die ihre Diskriminierungserfahrungen und Deutung von Diskriminierung in die Hochschule tragen. Studierende, die ein feines Gespür und die Sprache für diese Themen haben. Den Lehrenden fehlt oft das Vokabular, um darüber zu sprechen. Koller (2018, S. 79) beschreibt die Erfahrung des Fremden in Anschluss an Waldenfels (1997, S. 16ff.) als Moment der Irritation, der auch Leiden und Enttäuschung umfasst, und den Koller als fruchtbar für Bildungsprozesse umschreibt. Waldenfels (1997, S. 20) nennt es auch „etwas durchmachen“, wobei das Fremde als etwas erscheint, das sich „einer gegebenen Ordnung entzieht“ und oft als paradox erlebt wird. Ähnlich beschreibt es eine Dozentin, die bei den Studierenden eine „konservative Rückständigkeit“ (Interviewzitat) feststellt, obwohl sie bei der jüngeren Generation mehr geschlechterbewusstes und innovatives Denken und Handeln erwartet. Andere stellen fest, dass die Studierenden eine kritischere Perspektive als sie selbst einnehmen. Die Erfahrung des Fremden zeigt sich in den Daten der Studie jedoch auch durch „Othering“ (Said 1978; Spivak 1985). Dabei werden Studierende verandert. Studierende mit Behinderungen werden als Rezipient*innen von Nachteilsausgleichen adressiert und damit auch als ressourcenintensiv bezeichnet. Oder Studierende of Color werden nicht als Schweizer*in, sondern als „International Students“ imaginiert. Diese Phänomene dienen der Aufrechterhaltung und Konstruktion einer „mythischen Norm“ (Lorde 2021, 132). Diese Norm markiert das Selbstverständliche, verkörpert „die Insignien der Macht“ und grenzt das „Andere“ aus.

Eine produktive Reaktion hingegen, so Koller (2018, S. 84), besteht in kreativen Antworten auf die Situation. Hier zeigt sich ein Bildungsprozess, der seinen Ausgangspunkt in der Fremdheitserfahrung nimmt und eine Entwicklung in Gang setzt. Das innovative Potential solcher Erfahrungen wird jedoch nicht per se dem Subjekt zugeordnet, sondern dem Zwischenraum bzw. dem Zusammenspiel von Fremdheitserfahrung und Subjekt (Koller 2018, 84). Diese Zwischenräum könnte ein Dialog darstellen. In der bildungstheoretischen und  philosophischen Debatte hat der Dialog eine bedeutsame Tradition. An anderer Stelle wurde der Zusammenhang mit dem dialogischen Prinzip und der Hegemonieselbstkritik näher beleuchtet (Gerber 2024). In diesem Zwischenraum als Dialog kann auch eine aktive Auseinandersetzung mit einer neuen Problemlage stattfinden.

3.3 Aktive Auseinandersetzung mit einer neuen Problemlage

Eine weitere zentrale Komponente beim Umgang mit Krisen als Bildungsimpulse ist die aktive Auseinandersetzung mit einer neuen Problemlage zu benennen. „Bildungsprozesse bestehen demzufolge also darin, dass Menschen in der Auseinandersetzung mit neuen Problemlagen neue Dispositionen der Wahrnehmung, Deutung und Bearbeitung von Problemen hervorbringen, die es ihnen erlauben, diesen Problemen besser als bisher gerecht zu werden“ (Koller 2018, 16).

Hier geht es um das „Neue“ im Sinne von Erfahrungen und Problemen, die wir mit unseren bestehenden Strategien noch nicht bewältigen können, weil wir sie in der Art und Weise noch nie erlebt haben. Die Ergebnisse der Studie legen nahe, dass Lehrende eine Zunahme der Diversität ihrer Studierenden beobachten, was mit neuen Problemlagen einhergeht. Diese manifestieren sich in erweiterten Herausforderungen im Umgang mit den Studierenden. Diversität wird als Tatsache betrachtet und die Lehrenden begegnen diesem Sachverhalt mit einer gewissen Neugier und Offenheit: „[D]ie bringen uns auch diese ganzen Debatten rein“ (Interviewzitat). Gemeint sind hier auch die aktivistischen Kämpfe von Studierenden, die sie, je nach Studiengang auch aktiv in die Lehre tragen und dort bearbeiten wollen. Gleichzeitig zeigen die Analyse auch, dass es auch eine Tendenz gibt, sich an eben jener „mythischen Norm“ (Lorde 2021, 132) auszurichten,[6] sowohl im Denken wie auch im Lehrhandeln. Die Tatsache der Diversität führt nicht automatisch zu angepasstem Lehrhandeln.

Diese Auseinandersetzung, so Koller (2018), müsse aktiv geführt und bewältigt werden. Die Ergebnisse der Studie machen deutlich, dass ein Teil der Lehrenden sich durch die emotionale Herausforderung produktiv verunsichern lässt, indem sie z. B. nicht mehr als alleinige Garanten des universellen Wissens gesehen werden. Andere Lehrende zeigen eine ablehnende und polemische Reaktion oder erachten diese Themen, wie beispielsweise die Geschlechterungleichheit in ihrem Fach, als irrelevant, da sie der Meinung sind, dass „bei uns Betriebswirtschaft studiert wird“ (Interviewzitat). Im Rahmen eines Dialogs ist eine Reflexion der eigenen Rolle und Professionalität von zentraler Bedeutung. Eine Überhöhung der eigenen Person oder der Gruppe(n), mit denen man sich identifiziert, ist dabei zu vermeiden, um eine hegemonieselbstkritische Haltung zu bewahren.

3.4 Unabschließbare Offenheit von Bildungsprozessen

Der Prozess der Bildung begleitet den Menschen zeitlebens. Koller (2018, 167) postuliert, dass Offenheit ein konstitutives Element von Bildung darstellt, welches sich durch eine unabschließbare Dynamik auszeichnet. Die kontinuierliche Infragestellung bestehender Ordnungen führt zu einem permanenten Anderswerden und einem ebenfalls permanent offenen Ergebnis. Mit Bezug auf Derrida betont Koller (2018, 129), dass alle Erfahrungen potenziell vieldeutig und letztlich auch nicht beherrsch- und kontrollierbar sind. Daraus folgt, dass die Deutungen ein und derselben Erfahrung bzw. Situation durch verschiedene Subjekte stets vieldeutig und widersprüchlich sind. Der Versuch einer Vereinheitlichung ist dabei zum Scheitern verurteilt.

Bei Bildungsprozessen in Differenzverhältnissen ist dies zu berücksichtigen. Sowohl aus (de )konstruktivistischer als auch intersektionaler Perspektive lässt sich ableiten, dass jegliche Realitätskonstruktionen und Wahrnehmungen subjektiv sowie gesellschaftlich-historisch geprägt sind und von Machtverhältnissen durchdrungen werden. So können beispielsweise vorherige Erfahrungen oder soziale Positionierungen die Deutung einer wahrgenommenen Situation beeinflussen

Die Gestaltung der Hochschullehre unter Bedingungen von Diversität und Differenz kann als ein Prozess der Erfahrung beschrieben werden. Die Ergebnisse der Studie legen nahe, dass Lehrende in ihrem Lehralltag mit krisenhaften Erfahrungen konfrontiert sind. Daher ist es erforderlich, dass sich Lehrende aktiv mit der neuen Problemstellung auseinandersetzen und nach Denk- und Handlungsalternativen suchen. Dieser Prozess ist jedoch offen und nicht abgeschlossen. Im Folgenden erfolgt eine nähergehende Betrachtung des Konzepts der produktiven Verunsicherung, welches als Möglichkeit zur Transformation diskutiert wird und Affekte und Emotionen im Bildungsprozess in den Fokus rückt.

4. Produktive Verunsicherung: Affekte und Emotionen in der Hochschulbildung

Huber und Krause (2018) zeigen, dass Affekte und Emotionen zwar lange als bedeutend erachtet, jedoch mit der empirischen und kognitiven Wende in der Erziehungswissenschaft zunehmend ausgeblendet wurden und erst langsam wieder Einzug in die Forschung und Theoriebildung finden. In den Bildungswissenschaften werden Emotionen immer noch als Gegenspieler*innen von Vernunft betrachtet und aus der Forschung verdrängt (Gieseke 2007). Es gibt jedoch auch zunehmend Autor*innen, die mit ihren Arbeiten, die Bedeutung von Affekten und Emotionen im Bildungsprozess aufzeigen können. Magyar-Haas (2018, 165) bringt mit Bezug auf Koller zum Ausdruck, wie wichtig die leibliche Dimension von Gefühlen ist und dass eine Leibvergessenheit mit einer Weltvergessenheit einhergeht. Centeno García (2021) erforscht, wie Emotionen das Denken und Handeln von Forschenden beeinflussen, z. B. das Erleben von Frustration bei abgelehnten Artikeln oder ausbleibender Forschungsgelder. Sie stellt fest, dass eine wissenschaftliche Sprache für Emotionen im Wissenschaftsbetrieb fehlt. Durch die Einbeziehung von Ansätzen aus den Affect Studies sowie postkolonialen, antirassistischen und intersektionalen Perspektiven wird der Bedeutung von Affekten und Emotionen in Bildungsprozessen zunehmend Rechnung getragen. In diesem Kontext sind insbesondere die Arbeiten von Vordenker*innen wie Spivak (1985), Ahmed (2014), Lorde (2021) u. a. von Bedeutung, in denen Affekte und Emotionen als relevante analytische und wissenschaftliche Bezugspunkte positioniert werden. Insbesondere im Rahmen der Analyse von Rassismus erlangen die Betrachtung von Affekten und Emotionen sowie deren körperliche Entsprechungen eine wesentliche Bedeutung. Denn sie besitzen eine kollektive und nicht ausschließlich eine private, individuelle Seite. Sie sind sowohl psychische und körperliche als auch individuelle und soziale Tatsache und verweisen auf das individuelle Erleben sowie auf gesellschaftliche Machtverhältnisse (Ahmed 2014).

In seiner Studie untersucht Linnemann ( 2023) die Frage „Bildet Scham?“ mit Bezug auf die Arbeiten von Ahmed, indem er narrativ-biografische Interviews durchführt. Dabei zeigt er auf, inwiefern weiß-mehrheitsdeutsche Personen Bildungsprozesse durch die Wahrnehmung von Scham durchlaufen, wenn sie sich mit ihrer eigenen Involvierung in rassistischen Verhältnissen auseinandersetzen. Scham wird sowohl als Anlass für Bildungsprozesse weiß positionierter Personen hinsichtlich ihrer Involvierung als auch als Gegenstand dieser Bildungsprozesse aufgezeigt. Die Scham von weiß positionierten Personen kann als krisenhafter Anlass bezeichnet werden. Gemäß Linnemann (2023) gibt es sowohl Schamangst und Abwehr, die einen Dialog erschwert, wie auch die Möglichkeit, Scham aktiv in Bildungsprozessen zu thematisieren und sie im Sinne einer produktiven Verunsicherung zu nutzen. Allerdings müssen bestimmte Voraussetzungen gegeben sein, damit Scham als Potenzial für Transformation genutzt werden kann.

Was bringt Menschen dazu, die eigene Selbst- und Weltsicht zu hinterfragen? Hierzu gibt es unterschiedliche Begriffe: Krisen (z. B. bei Waldenfels 1997, Koller 2018), Fremdheitserfahrungen (z. B. Waldenfels 1997), Irritation (Hoffarth et al. 2013). Obwohl dies zentrale Begriffe von Kollers (2018) Bildungskonzeption sind, werden Affekte und Emotionen nicht thematisiert. Dies gilt für viele Konzeptionen von Bildung. In Bezug auf Bildungsprozesse in Differenzverhältnissen betont hooks (2014) die Relevanz von Kontrolle. Diese erstreckt sich sowohl auf die Lehrsituation als auch auf die eigenen Emotionen und Leidenschaften: „The unwillingness to approach teaching from a standpoint that includes awareness of race, sex, and class is often rooted in the fear that classrooms will be uncontrollable, that emotions and passions will not be contained” (hooks 2014, 39).

Hier setzt auch das Konzept der produktiven Verunsicherung an, ein Hauptergebnis der Studie. Sie ist als Spielart von Irritation zu verstehen und als eine affektiv-emotionale Reaktion auf eine krisenhafte Erfahrung. Sie zeigt sich als Dreh- und Angelpunkt im Lehrhandeln im Kontext von Differenzverhältnissen. Einerseits umfasst die Verunsicherung eine affektiv-emotionale Komponente, wie z. B. Scham, Unsicherheit, Angst und anderseits folgen daraus Reaktionen wie Abwehr, Polemik und Verdrängung, jedoch auch kritische Selbstreflexion (Gerber 2023), wie im Folgekapitel erläutert wird.

Insgesamt geht es auch um das Erleben von widersprüchlichen Verhältnissen im Bildungsprozess. Widersprüche führen möglicherweise zu krisenhaften Erfahrungen und sie sind offen und mehrdeutig. Dies verstärkt das Erleben von Unsicherheit und Kontrollverlust. Es gibt jedoch keine eindeutigen Lösungen für diese Herausforderungen, auch wenn sich Lehrende immer wieder klare „Tools“ dafür wünschen. Der Umgang mit Unsicherheit ist individuell, kontextabhängig und gleichzeitig von sozialen Ordnungen und Machtverhältnissen geprägt (Hoffarth et al. 2013, 60). Sie bietet aber auch Anlass und Möglichkeit für Veränderung oder, wie Koller (2018) es nennt, für „transformatorische Bildung“.

Solche Irritationen oder Brüche von Differenzordnungen entstehen, wie vorher aufgezeigt wurde, wenn z. B. Studierende ihre pluralen Familienmodelle oder ihre Diskriminierungserfahrungen in die Lehre einbringen. Die „Geschichten von Studierenden“ (Interviewzitat) werden jedoch eher positiv konnotiert und genutzt. Lehrende tendieren dazu, Diversität mit positiven Gefühlen zu verknüpfen. Demzufolge sind Begriffe wie „Bereicherung“, „bunt“ oder „Spaß“ oft vertreten; hingegen kommen Begriffe und ihre Wirkungsweisen wie beispielsweise Diskriminierungserfahrungen, Rassismus, Ableismus o. ä kaum vor. Dies lässt sich auch als eine Reaktion auf die Unsicherheit fassen, Lehre in Differenzverhältnissen angemessen zu gestalten. Es geht um eine Wiederherstellung von Handlungssicherheit und  macht und somit um eine Kontrolle über die eigenen Affekte und Emotionen. So können Lehrende den Eindruck von sich als „good people“ (Ahmed 2007) bewahren.

Die Momente der produktiven Verunsicherung schaffen für die Lehrenden auch Handlungsunsicherheit, da sie uneindeutig sind: Was soll ich tun? Ist das meine Aufgabe? Wer ist zuständig? Es entsteht Unordnung in zuvor geordnet gedachten (Differenz-)Verhältnissen (Hoffarth et al. 2013, 53). Die Lehrenden versuchen, den eigenen Auftrag im Kontext und innerhalb von bestimmten Rahmenbedingungen zu verorten. So gibt es einige, die diversitätssensibles Handeln an andere Personen und Stellen, z. B. an Diversity-Beauftragte, delegieren. Sie selbst fokussieren auf die Inhalte der Lehre, die sie als neutral betrachten: „[S]pielt es eigentlich keine Rolle, wer dasitzt, ist jetzt auch nicht unser Auftrag. Bei uns studiert man Betriebswirtschaft“ (Interviewzitat). So wird diversitätssensibles Handeln zur nicht direkt beeinflussbaren Rahmenbedingung für die eigene Lehre und zur Aufgabe von bestimmten Stellen. Auch diese Sichtweise dürfte mit dem Erleben von normativem Druck zusammenhängen. Diese Erkenntnis deckt sich mit der Analyse von Hoffarth et al. (2013, 69), welche hervorheben, dass Lehrende diesen Druck oftmals verschweigen. Die Notwendigkeit, in der Hochschule professionell und souverän aufzutreten, impliziert die Verpflichtung, die Situation jederzeit unter Kontrolle zu haben. Verletzlichkeit und Verunsicherung stehen im Widerspruch zum Bild einer Hochschule, die als „neutraler“, „rationaler“ und damit „wissenschaftlicher“ Raum (z. B. Bütow et al. 2016) mit den entsprechenden Erwartungen an das Lehrpersonal inszeniert wird.

Im folgenden Kapitel werden der transformatorische Bildungsbegriff, die machtsensible Selbstreflexion und die Rolle von Affekten und Emotionen miteinander verknüpft.

5. Machtsensible Selbstreflexion

Wie aber kann die produktive Verunsicherung mit den damit verknüpften Emotionen und Affekten im Bildungsprozess so genutzt werden, dass Selbst- und Weltverhältnisse transformiert werden?

Insbesondere das Streben nach einer „machtreflexiven“ Professionalität erweist sich als wesentlich, da dadurch historisch-gesellschaftliche Kontexte, z. B. die Reflexion der heterosexuellen Matrix oder Auswirkungen von epistemischer Gewalt, ebenso wie eigene soziale Positionierungen und die Eingebundenheit der eigenen Disziplin und Profession in diese Machtverhältnisse analysiert und kritisch hinterfragt werden können. Krisen, Fremdheitserfahrungen und Irritation führen für sich genommen nicht zu einer transformatorischen Bildung, dafür braucht es eine machtsensible Selbstreflexion, wie sie an anderer Stelle mit Bezug auf postkoloniale Forschende als Hegemonieselbstkritik theoretisiert wurde (Gerber 2024). Die Relevanz der Reflexion von Privilegien bzw. des „Verlernens“ derselben wird an verschiedenen Stellen betont (Heinemann/Castro Varela 2016). Das Moment des Verlernens impliziert eine „aktive kritisch-kollektive Intervention“. Es ist erforderlich, hegemoniale Wissensproduktionen hinsichtlich ihrer Form, ihres Inhalts sowie ihrer Protagonist*innen zu hinterfragen. Der potenzielle Verlust bestehender Privilegien stellt dabei einen zentralen Aspekt dar. Der mit dem Verlust einhergehende Schmerz ist wesentlich, jedoch wird er häufig durch bestimmte Strategien, wie beispielsweise Polemik oder Themenwechsel, umgangen. Dabei ist die Erfahrung von Schmerz eng mit Verletzlichkeit verknüpft. „[T]hat there can be, and usually is, some degree of pain involved in giving up old ways of thinking and knowing and learning new approaches“(hooks 2014, 43). Linnemanns (2023) Studie verdeutlicht, dass Scham als affektiv-emotionale Dimension in Bildungsprozessen ein reflexives und transformatives Potential hat. Dies ist z. B. möglich, wenn es gelingt, die eigenen Grenzen zu erkennen, z. B. in Form der Dezentrierung der eigenen subjektiven Weltsicht und Positionierungen: „[I]ch hinterfrage für mich, dass jemand einen universalen Standpunkt hat“ (Interviewzitat).

Für Bildung in Differenzverhältnissen und bildungswissenschaftliche Forschung bedeutet dies, sich von gängigen „truth claims“ (Cho et al. 2013) der eigenen Disziplin und auch von der „mythischen Norm“ (Lorde 2021) zu distanzieren. Es gilt, (hegemonie-)selbstkritisch zu sein und sich inkorporierter Wissensbestände bewusst zu werden, ohne gleich einen neuen, vermeintlich besseren Wissenskanon zu präsentieren (Castro Varela 2015). Unsicherheit wird dabei erzeugt, weil keine neue Lösung vorliegt. Auch das Konzept der produktiven Verunsicherung zielt in diese Richtung. Im Rahmen der Selbstreflexion ist es nicht intendiert, neue, einfache Lösungen zu konzipieren. Vielmehr muss die Komplexität intersektional strukturierter Situationen in der Lehre und an Hochschulen akzeptiert werden, um eine produktive Verunsicherung zu ermöglichen, die nicht mit emotionaler Kontrolle aufgelöst wird. Dies bedingt einerseits, wie hooks (2014) betont, sich verletzlich zeigen zu dürfen und, wie Castro Varela (2015, 48) festhält, eine kontinuierliche Selbstkritik, um die eigene Verstricktheit in Macht- und Herrschaftsverhältnissen offenzulegen. Verlernen, „truth claims“ oder die „mythische Norm“ hinterfragen: All diese Prozesse sind affektiv-emotional aufgeladen und auch eng mit den Selbst- und Weltbildern der Lehrenden und damit gesellschaftlichen Differenzordnungen verknüpft. Auch deshalb ist es notwendig, hier Wege zu finden, wie diese schmerzvollen, beschämenden oder beängstigenden Krisenerfahrungen unterstützt werden können.

6. Diskussion und Fazit

Im ersten Schritt erfolgte eine Skizzierung des transformatorischen Bildungsbegriffs nach Koller (2018) sowie eine Verbindung mit eigenen und anderen Studienergebnissen. Im Folgenden wurde das Konzept der produktiven Verunsicherung als Anlass und Möglichkeit zur Veränderung konkretisiert. Dazu wurde zunächst das affektiv-emotionale Element im Bildungsgeschehen herausgearbeitet und anschließend unter Einbeziehung weiteren Studien diskutiert. Die Ausführungen verdeutlichen, dass Bildungsbegriffe wie diejenigen von Koller (2018) eine Leerstelle aufweisen, da sie Affekte und Emotionen ausblenden, obschon affektiv-emotionale Momente, wie zahlreiche Studien belegen, in Bildungsprozessen in Differenzverhältnissen ständige Begleiter*innen sind. Die Berücksichtigung intersektionaler Sensibilität sowie die Einbeziehung affektiver und emotionaler Aspekte in Analysen erweisen sich als vorteilhaft, um Machtverhältnisse und entsprechende Herrschaftsstrukturen wie Rassismus, Klassismus, Heterosexismus oder Ableismus zu beleuchten. Im letzten Teil wurde dargelegt, inwiefern eine differenzsensible Lehre eine machtsensible Selbstreflexion impliziert. Diese Selbstreflexion muss Affekte und Emotionen explizit miteinbeziehen und lässt sich als Hegemonieselbstkritik skizzieren (Gerber 2024).

Wie können Bildungsprozesse an Hochschulen unter Berücksichtigung macht- und differenztheoretischer Aspekte analysiert werden, wobei ein besonderes Augenmerk auf Affekte und Emotionen gelegt werden soll? Es stellt sich die Frage, welches Bildungsverständnis hierfür erforderlich ist. Postkoloniale Kritiker*innen weisen darauf hin, dass es weniger um die Bekämpfung von Rassismus und Antisemitismus geht, sondern dass das Ziel eine „allgemeine Bildung“ sein sollte, die das „Begehren nach einer antirassistischen und gerechteren Welt“ weckt (Castro Varela 2021, 98). So wird das „Allgemeine“ einer solchen Bildung betont, mehr als das „Spezifische“. In queertheoretischen Zugängen zu Bildungsprozessen wird die Notwendigkeit betont, Subjektivierungsprozesse als Effekte von Bildung zu analysieren. Damit verbunden ist die Forderung, Bildungsprozesse so zu gestalten, dass sie Kritik und Widerständigkeit gegen vorherrschende Normen, wie beispielsweise die heterosexuelle Matrix, fördern (Hartmann et al. 2017).

Für transformatorische Bildungsprozesse, die dazu beitragen, dass Lehrende anders zu denken und zu handeln beginnen, ist weitere Forschung sowie die Bereitstellung von Bildungsangeboten nötig. Dafür ist es erforderlich, die Faktoren zu erforschen, die Lehrende dazu motivieren, (eigene und fremde) Bildungsprozesse zu initiieren. Es konnte festgestellt werden, dass Lehrende Geschichten und Diskriminierungserfahrungen von Studierenden in der Lehre nutzen. Ein Vorgehen, das ohne Rückgriff auf Hegemonieselbstkritik und damit ohne Reflexion epistemischer Gewalt erfolgt, birgt das Risiko, neue Ausschlüsse und Verletzungen zu produzieren. In diesem Kontext ist weitere Forschung erforderlich, die die affektiv-emotionale Ebene solcher Bildungsprozesse mit einbezieht.

Es lässt sich die These aufstellen, dass Lehrende, die sich biografisch mit Diversität, Diskriminierung und eigenen Positionierungen auseinandergesetzt haben, empfänglicher für Bildungsangebote von außen sind. Die hier referierte Studie (Gerber 2023) zeigt z. B., dass eine unzureichende selbstreflexive und biografische Auseinandersetzung dazu führen kann, dass Diversität eher als Rahmenbedingung und eine diskriminierungskritische Lehre als Aufgabe anderer Stellen und Personen betrachtet wird. Die Studie von Linnemann (2023) wie auch die hier referierte legen nahe, dass fundiertes Wissen über Herrschaftsverhältnisse und intersektionale Zusammenhängen, ein wohlwollendes Arbeitsumfeld sowie die Aussicht, durch eigenes Handeln etwas bewirken zu können, sich als produktive Faktoren erweisen.

Insgesamt besteht Bedarf einer Intensivierung der Forschung zur affektiv-emotionalen Dimension sowie dem konkreten Zusammenspiel unterschiedlicher Emotionen, z. B. Scham und Wut, mit Macht- und Herrschaftsverhältnissen. Diesbezüglich stellt sich die Frage, auf welche Weise Bildung in Differenzverhältnissen unter Einbezug von Affekten und Emotionen gelingen kann. In Bezug auf die Professionalisierung von Lehre und Lehrenden in Differenzverhältnissen sind dies entscheidende Faktoren.

Gleichzeitig ist ein Kulturwandel erforderlich, der die Bedeutung von Affekten und Emotionen an Hochschulen neu definiert. Sofern die Prämisse einer Neutralität der Hochschule als Raum der Wissenschaft und Lehre aufgegeben und stattdessen eine Situiertheit der Hochschulbildung angenommen wird, die eine Durchdringung durch gesellschaftliche Machtverhältnisse impliziert, wird eine Zusammenführung von Rationalität und Emotionalität sowie von Körper und Geist möglich.

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[1] Ich verwende jeweils beide oder nur einen Begriff: „diversitätssensibles Handeln“ wie auch „differenzkritisches Handeln“. Beides sind Aspekte des Gleichen, nämlich das Lehrhandeln im Kontext von Gleichheit und Differenz bzw. Intersektionalität und damit Handeln in bestimmten Dominanz- und Machtverhältnissen. Auch wird die Begrifflichkeit „Bildung oder Hochschullehre in Differenzverhältnissen“ verwendet.

[2] Die Begriffe „Emotion“ und „Gefühl“ (bei Ahmed [2014] «feeling») verwende ich in Anlehnung an Ahmed synonym. Es sind die Bewegungen der Emotionen, die zwischen Individuum und Gesellschaft Differenzen erzeugen (vgl. Ahmed 2014, 189). Affekte werden unterschiedlich definiert. Gemeinsame Linien, so Baier et al. (vgl. 2014) unter Bezugnahme auf die Arbeiten von Clough und Hallye (2007) sowie Massumi (2002), sind, dass Affekte unvermittelt wahrgenommen werden und eine nichtkausale Grundlage für bewusste Gefühlszustände (also Gefühle/Emotionen) sind. Ahmed (2014) hingegen findet, die analytische Trennung von Affekten und Emotionen enthalte das Risiko, gelebte Erfahrungen vom Körper zu trennen. Ich verwende die Begriffe immer gemeinsam, um zu betonen, dass Emotionen und Affekte nicht das Gleiche, jedoch eng verbunden sind. Gleichzeitig folge ich Ahmed (2014) in der Annahme, dass die körperliche Erfahrung unmittelbar mit beiden Begriffen verbunden ist und damit die Trennung von Körper und Geist aufhebt.

[3] Bei der Auswahl der ersten Interviewpartner*“innen wurde darauf geachtet, dass sie über Lehrerfahrung verfügten, aktuell in der Bachelor-Ausbildung an einer Deutschschweizer Fachhochschule lehren sowie die Vielfalt der disziplinären Hintergründe abdecken, zu denen Mathematik, Naturwissenschaft und Technik, Soziale Arbeit, Wirtschaft sowie Gestaltung und Kunst gehören. Im Rahmen der weiteren Interviews wurden zudem Frauen aus dem mathematisch-naturwissenschaftlichen Bereich einbezogen und Personen aus weiteren Disziplinen befragt.

[4] Dies umfasst z. B. die Anwendung von heuristischen, intersektionalen Analysefragen, die Offenlegung der eigenen Positionierungen, die Theoretisierung von Intersektionalität und verwandten Konzepten, die kritische Betrachtung von Diversity durch die Brille der Intersektionalität und damit von Macht- und Herrschaftsverhältnissen, der Einbezug von Differenzkategorien (im Fokus stehen insbesondere race, class, gender und [dis-]ability) und ihren Intersektionen im gesamten Forschungsprozess, die Anwendung eines machttheoretischen Zugangs über die Analyse von Othering und Hegemonieselbstkritik sowie die kritische Reflexion des eigenen Vorgehens.

[5] Es werden teilweise Interviewzitate dafür genutzt. Die Zitate sind nicht als einzelne Aussagen zu betrachten, sondern repräsentieren bestimmte Kategorien und Konzepte, die aus der Analyse hervorgegangen sind.

[6] Die „Mythische Norm“ umschreibt gemäß Lorde (2021, S. 132) das, was nicht gesagt werden muss, weil es als geteilter normativer Konsens inkorporiert ist und für viele Menschen, die Ausschluss erfahren, bedeutet es: „Das bin nicht ich.“ Im Kontext der Fachhochschullehre in der Schweiz: der weiße, cis-männliche, körperlich unversehrte heterosexuelle Gymnasiast aus der Akademiker*innenfamilie.